Von Andrea Livnat
Manchmal lohnt es sich, auch in kleineren Zeitungen zu
schmökern. Nicht nur, weil man dort Regionales erfährt, das für die großen
Blätter nicht von Bedeutung ist, sondern auch, weil einem "Volkes Stimme"
ungeschminkter entgegentönt. So beispielsweise auch im "Saar Echo", wobei
der braune Widerhall dort so stark bläst, das einem die Haare zu Berge
stehen.
In einem Kommentar äußert sich ein gewisser Ricardo Husch zu
"De Müller-Pit, de Spiejel-Paul und de Kardinal". Ersterer ist
Ministerpräsident von Saarland, wer das nicht weiß, und wird in Zusammenhang
mit dem 25-jährigen Bestehen der Saarlandwelle erwähnt. Richtig zur Sache
kommt Husch allerdings erst im zweiten Teil seines Kommentars, wo es mal
wieder um die Macht des Zentralrats der Juden in Deutschland geht.
Ricardo Husch tut uns den Gefallen, alle antisemitischen
Skandale der vergangenen Jahre kompakt und würzig zusammenzufassen. Da
taucht die ganze Riege der "Opfer" des Zentralrats auf, alles aufrechte
wackere Männchen, die endlich mal gesagt haben, was schon lange gesagt
gehört. Und dafür bitter büßen mussten, denn der Zentralrat hat seine Augen
und Ohren überall. Man weiß wirklich nicht, ob man lachen oder weinen soll,
wenn man die geballte Paranoia von Herr Husch liest.
Zum Beispiel war da Jürgen Möllemann, der "was über die israelische
Politik des Ariel Sharon im Nahen Osten gesagt und sich mit einem
ehrenwerten Herrn Friedman angelegt hatte". Moment, wie war das? Er hat "was
über die israelische Politik des Ariel Scharon" gesagt? Tja, das kann man so
natürlich schon sagen, er hat was über Israel gesagt, treffender wäre aber
wohl, dass er seinen Wahlkampf in Deutschland mit einem antisemitischen
Flugblatt bestritt, das Ariel Scharon und Michel Friedman abbildete.
Stellen wir uns mal vor, dass ein israelischer Politiker ein Flugblatt an
Millionen Haushalte schickt, das den deutschen Bundeskanzler zeigt... Sie
verstehen, was ich meine? Eigentlich sollte es überflüssig sein, die Sache
nochmals auszugraben, schließlich waren damals sogar Möllemanns eigene
Parteikollegen entsetzt. Ach, ich vergaß, Guido Westerwelle stand ja
unter dem Einfluss des Mossad! Wahrscheinlich ist Ricardo Husch auch
ein Anhänger dieses Möllemann-Märchens.
Anderes Beispiel von Husch, die Rede von Martin Walser in der
Paulskirche: "Interpretationsprobleme offenbar". Für Interpretationen ließ
Walsers Klage über Auschwitz als "Moralkeule"
wohl wenig Möglichkeiten. Dann gibt es natürlich noch einen kleinen Ausflug
zu
Martin Hohmann,
der ja nur gesagt habe, dass die Juden kein Tätervolk seien, genauso wenig
wie auch die Deutschen. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie etwas geäußert
haben, was dem Zentralrat der Juden in Deutschland missfiel, so Husch. Und
alle drei haben dafür ordentlich eine aufs Dach bekommen.
Anlass für diese kleine Nachhilfestunde des Herrn Husch sind
die jüngsten Äußerungen des Kölner Kardinals Joachim Meisner, der in einer
Predigt über Abtreibungen sprach: "Zuerst Herodes, der die Kinder von
Bethlehem umbringen läßt, dann unter anderen Hitler und Stalin, die
Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden
ungeborene Kinder millionenfach umgebracht." Der Kardinal, übrigens für
seine scharfe Ablehnung von Abtreibungen und Homosexualität seit langem
bekannt, löste damit in der vergangenen Woche wieder einmal eine Welle der
Empörung aus. Husch kann das alles nicht verstehen, der Zentralrat habe die
Aussage des Bischofs als "schlimmes Vergehen" bezeichnet.
Soll man jetzt wirklich noch einmal erklären, warum die Aussage
des Kardinals so falsch, beleidigend, verletzend ist? Wäre es denn das erste
Mal, dass darauf hingewiesen wurde, dass Auschwitz sich zur Verurteilung von
Abtreibungskliniken genauso wenig eignet, wie zur Veranschaulichung der
Zustände bei der Massenhaltung von Legehennen oder bei
Schlachtviehtransporten?!
Wer meint dies läge nur daran, dass die "Juden immer so
empfindlich" seien, wird auch mit der mittlerweile erfolgten Entschuldigung
des Kardinals nicht viel anfangen können. Laut Husch wird ihm diese "nach
langer Erfahrung eh nicht reichen". Husch skizziert stattdessen satirisch,
was dem "völlig überrumpelten" Kardinal nun blühen wird.
Zur Kreuzigung wird es wohl kommen, der Vatikan wird den Juden zu Hilfe
eilen, man wird die Geschichte der Bibel überprüfen und bald wird sich auch
das Weiße Haus in Washington dazu äußern.
Die Macht der Juden ist
unermesslich. Wenn erst die "amerikanischen Juden", die "Ostküste" den
Finger erhebt, erzittert so mancher morsche Knochen. Ja, man hat es
schwer in Deutschland, man kann hier nichts "über den Holocaust oder einfach
nur über Juden" sagen, ohne "gleichzeitig mit Reaktionen des Zentralrats
rechnen zu müssen." Das Leben kann so hart sein.
Hohmann hat sich natürlich auch gleich wieder eingemischt, er
fühlt sich wohl offenbar dazu berufen, jedem mit Antisemitismus bedachtem
Deutschen zur Seite zu springen. Der Kardinal werde zu Unrecht angegangen,
denn: "Mit weltweit 60 Millionen Abtreibungsopfern pro Jahr werden die
Opferzahlen der historischen Massenmörder Stalin und Hitler bei weitem
übertroffen" und: "Solange der gegenwärtige Menschheitsskandal der
Abtreibung nicht auf die gleiche Verurteilung wie die vor 60 Jahren
geschehene Hitlersche Judenvernichtung stößt, hat jeder Christ und erst
recht jeder Kardinal nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, dieses
heutige Unrecht zu beklagen". Bloß schade, dass man gegen Hohmann nichts
mehr machen kann, der ist ja schon abgesägt, nicht wahr Herr Husch?
Otto Schily und den Innenministern der Länder rät Kommentator
Husch übrigens, sich "schon mal warm an(zu)ziehen", denn der Zentralrat hat
herausgefunden, "daß nicht mehr alle Juden für alle Zeiten aus dem Osten
nach Lust und Laune Deutschland besiedeln dürfen". Gemeint ist damit die
Debatte um eine Neuregelung zur jüdischen Zuwanderung aus der ehemaligen
Sowjetunion. Wirklich frech diese Juden, nach Lust und Laune einfach
deutsche Lande zu besiedeln!
Neulich hat mir ein deutscher Pfarrer geschrieben, es ging mal
wieder um
Hohmann: Warum wir, also "die Juden", immer nachtreten müssen? Er
sei ja ein großer Israelfreund, aber wenn wir immer nur "nachtreten", dann
wird man sich von uns abwenden. Zu gut deutsch also, wenn wir schön brav
sind und das Maul halten, dann hat man uns auch ein bisschen lieb. Oh weh!!
Welch großer Verlust droht uns da!!
Am erstaunlichsten finde ich immer, dass Herr Husch und
Konsorten offenbar der Meinung sind, dass es Juden in Deutschland Spaß
macht, auf antisemitischen Ausfällen, Verleumdungen und
Geschichtsverdrehungen herumzureiten. Das ist ganz und gar nicht der Fall,
im Gegenteil! Das ist EURE Aufgabe, es wäre die Aufgabe der nichtjüdischen
Deutschen derartige Tendenzen sofort zu kritisieren, analysieren und für
deren Einstellung zu sorgen. Das passiert nur leider nicht. Ignatz Bubis war
der Einzige der Walsers Keulen-Gemurmele nicht beklatschte, Hohmanns
antisemitische Nationalfeiertagsrede musste von einem jüdischen
Internetdienst, nämlich haGalil, publik gemacht werden. Die deutsche Presse
hat das Ganze dann zur Machenschaft anonym-jüdischer US-Kreise umgedeutet,
da nimmt man es dann nicht so genau, denn Jude ist doch gleich Jude, und je
weiter weg um so besser.
Das alles hat nichts damit zu tun, dass Juden unter
Verfolgungswahn leiden, zu empfindlich sind oder keine Kritik wegstecken
können. Es hat ausschließlich damit zu tun, dass die Mehrheit der deutschen
Gesellschaft, in deren Mitte antisemitische Stimmungen weit hinein reichen,
noch immer fast reflexartig mit Wegschauen, Verschweigen, Verharmlosen
reagiert.
Weggeschaut hat offensichtlich auch die Redaktion des
Saar-Echos, wie ist ansonsten ein derartiger Kommentar erklärbar, der die
"Junge Freiheit" von weit rechts überholt? Ach ja übrigens, zahlreiche Fans
hat der Artikel gleich gefunden, in rechten Internetforen und auf NS-Seiten
wurde er bereits publiziert. Herzlichen Glückwunsch an das Saar-Echo und
Ricardo Husch! Das ist gute Gesellschaft für jemanden, der der Meinung ist,
"daß sich in Deutschland langsam aber sicher das Gefühl ausbreitet, nicht
mehr Herr im eigenen Haus zu sein."