Filmkritik von Gudrun Wilhelmy
Der Film von Sam Garbarski zielt auf Tango-Fantasien und
Tango-Interesse und trifft daneben. 100 Minuten Familienwirrwarr, das
dadurch nicht besser wird, daß es in jüdischem Milieu angesiedelt ist.
Der Film beginnt mit dem Tod der Mutter respektive Großmutter
und Schwägerin, die als Familienzusammenhalt fungierte und den Tango – und
zwar eine polnische Variante - als Allheilmittel gegen alle Unbill des
Lebens den Familienmitgliedern als Erbe mit auf den Lebensweg gibt.
Und so wird ihr Tod zur Sinnkrise aller Familienangehörigen.
Ist man jüdisch? Wie ist man jüdisch? Wie weit ist man jüdisch? Was bedeutet
jüdisch? Und vor allem, was bedeutet es in einer Welt, in der Ehen mit
Nicht-Juden an der Tagesordnung sind?
Es wird Konvertiten-Spott getrieben und Ausgrenzungsarbeit
geleistet, es wird Integration beschworen und Änderung gelobt und sogar
praktiziert. Der Familienfaden zieht sich hin bis zu dem todgeglaubten
Ehemann und mit dessen Auftauchen die beiden Söhne plötzlich einen
unbekannten Vater vor sich haben. Dieser lebt als Ultraorthodoxer in Israel
und verweigert eine Kontaktaufnahme mit allem, was mit seinem alten Leben zu
tun hat.
Und so wird in diesem Stück auch noch das leidige Thema
Diaspora-Israel mit verwurstet. Dies ist auch der Konflikt, so wird im Film
erzählt, der die Ehe zerbrechen ließ. Dass dabei alle anderen vom
Drehbuchautor Philippe Blasband in den Blick genommenen Probleme auf der
Strecke bleiben, liegt nahe.
Die schauspielerische Leistung bleibt durchweg im Mittelmaß
stecken, wird doch keiner Figur die Chance zu einer Entwicklung eingeräumt.
Auch Kameraführung und selbst die Musik, mit der Ankündigung im Titel,
spielt eine filmische nachvollziehbare Rolle in dem Werk.
Was bleibt ist eine einzige nahe gehende Szene. Wie
Verletzungen neue gebären und Selbstüberwindung helfen kann, sich zu
entschuldigen. Und dass es nicht immer leicht ist eine Entschuldigung
anzunehmen. Aber das ist nicht jüdisch, sondern menschlich.
Enttäuschend, weil oberflächlich, ist dieser Film eher
ärgerlich und nicht sehenswert.
Die Rashevskis:
Tango
Die Rashevskis sind das, was man eine sehr liberale jüdische
Familie nennen könnte. Doch als die Großmutter Rosa 81jährig verstirbt, sind
ihre Kinder und Enkelkinder alles andere als vorbereitet...
Überraschungserfolg Frankreich 2004:
Tango beim Seder
Dolfo Rashevski ist nach Israel gereist, um seinen Bruder
Shmouel zu besuchen, der als Rabbiner einer orthodoxen Gemeinde in der Wüste
vorsteht...
Interview mit Sam Garbarski:
Was ist eigentlich ein "Mensch"?
In der Geschichte geht es um eine jüdische Familie, aber die
Themen, die der Film behandelt, kann jeder nachvollziehen: der Verlust eines
geliebten Angehörigen, die Suche nach den eigenen Wurzeln, die Sehnsucht
nach Traditionen...