"Nicht so inhuman":
Neue Provokation von Jean-Marie Le Pen
Der Chef des Front National bezeichnet deutsche
Besatzungsära als "nicht so inhuman" und bezweifelt das SS-Massaker von
Oradour-sur-Glane / Strafverfahren gegen ihn ist eingeleitet
Von Bernhard Schmid, Paris
Paris, den 13.01.05 Durch eine neue Provokation, nicht die erste ihrer
Art, macht der französische rechtsextreme Politiker Jean-Marie Le Pen in
diesen Tagen von sich reden. Wie einem größeren Publikum erstmals durch
einen Bericht der Pariser Abendzeitung 'Le Monde' vom Mittwoch Abend (12.
Januar) bekannt wurde, hatte der Gründer und Chef des Front National in
einem Zeitungsinterview die Ära der NS-deutschen Besatzung in Frankreich
unter anderem als "nicht so inhuman" bezeichnet.
Was ist "Rivarol"?
Das Interview erschien in der Ausgabe vom 7. Januar der rechtsextremen
Wochenzeitung 'Rivarol'. Dieses Organ, das den Namen eines
konterrevolutionären Schriftstellers aus dem späten 18. Jahrhundert (Antoine
Rivarol) trägt, wurde im Jahr 1951 durch René Malliavin begründet und diente
zunächst den letzten Verteidigern des Vichy-Regimes als Tribüne. In seinen
Spalten konnte etwa der französische Pro-NS-Propagandist Lucien Rebatet
publizieren.
Die heutige Zeitung 'Rivarol', deren Redaktion im 10. Pariser Arrondissement
ansässig ist und die sich selbst als "Wochenzeitung der nationalen und
europäischen Opposition" bezeichnet, hat eine Auflage von nur 2.000
Exemplaren. Es handelt sich um das kleinste und um das mit Abstand
extremste, am ungeschminktesten auftretende unter den größeren (d.h.
strömungsübergreifenden) rechtsextremen Publikationsorganen. Rassismus und
Antisemitismus werden hier so offen wie kaum irgendwo anders an den Tag
gelegt. An den französischen Zeitungskiosken ist 'Rivarol' weit weniger
sichtbar als etwa die zu 40 Prozent parteieigene Wochenzeitung des FN,
'National Hebdo'. Oft wird sie in den Kiosken nur unter dem Ladentisch
verkauft.
Bewusst provozierter Skandal?
Deswegen dauerte es auch fünf Tage, bis eine breitere Öffentlichkeit von den
Äußerungen des FN-Parteichefs Le Pen in diesem Schmuddelblättchen Kenntnis
nehmen konnte. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass der rechtsextreme
Politiker auch eine öffentliche Provokation suchte oder zumindest in Kauf
nahm, da er wohl davon ausgehen musste, dass der Inhalt des Interviews
früher oder später publik würde (so jedenfalls der
Rechtsextremismusspezialist Jean-Yves Camus am 12. Januar).
In der Vergangenheit gehorchten vergleichbare Provokationen Le Pens oftmals
einer ihm eigenen politischen Logik: Sie zogen gleichzeitig die
Aufmerksamheit auf ihn, als "Herausforderer des Systems", und sie sollten
auf gewisse Weise verhindern, dass ihm die Kontrolle über seine eigene
Partei entglitt. Sie sollten nämlich verhindern, dass untergeordnete
Parteifunktionäre der Gefahr einer "Verbürgerlichung" unterliegen und auf
eigene Faust realpolitische Absprachen mit bürgerlich-konservativen
Bündnispartnern treffen könnten. Auf diesem Wege sollten in periodischen
Abständen "bürgerliche Karriereabsichten" enttäuscht und auf diese Weise die
Partei "gesäubert" werden, möge dies nun einer bewussten oder eher
unbewussten Strategie entsprochen haben. (So etwa die These des ehemaligen
Kommunikationsberaters Le Pens, Lorrain de Saint-Affrique, der 1994 aus der
Partei ausgeschlossen worden ist.)
In der derzeitigen Phase des allmählichen Machtübergangs in der Partei
Jean-Marie Le Pens, der aus Altersgründen (er wird im Juni dieses Jahres 77)
seine Nachfolge regeln muss, könnte es sich also um einen Versuch handeln,
noch einmal innerparteilich "die Spreu vom Weizen zu scheiden". Potenziellen
Weichlingen, die aus dem FN eine "normale" bürgerliche Partei zu machen
bestrebt sein könnten, würden nach diesem Kalkül ihre Hoffnungen
ausgetrieben werden. Tatsächlich liefern sich beide Seiten im aktuell
tobenden innerparteilichen Machtkampf derzeit einen Wettbewerb in
"Härtebeweise". Die "Nummer Zwei" der Partei, Bruno Gollnisch, etwa
versuchte sich im Oktober 2004 in Holocaust-Relativierung, dabei fast
wörtlich Äußerungen seines Parteichefs von 1987 wiederholend. Und Marine Le
Pen, die als eher "modernistisch" und vermeintlich "gemäßigt" geltende
Tochter des Parteichefs und ebenfalls Anwärterin auf seine Nachfolge, holte
jüngst den Papst der neu-heidnischen "Neuen Rechten" in ihr Hausblatt: Alain
de Benoist, Vordenker des neorassistischen GRECE. Dieser wird in der
jüngster Ausgabe von "Aviso", dem Hausblatt von Marine Le Pens
Getreuen-Vereinigung "Générations Le Pen", ausführlich interviewt.
Der Inhalt von Le Pens Äußerungen in "Rivarol"
In 'Rivarol' vom 7. Januar 05 also erklärte Jean-Marie Le Pen unter anderem
: "Die deutsche Besatzung (Anm.: in Frankreich) war nicht besonders
unmenschlich. (...) Wenn die Deutschen tatsächlich in allen Ecken
massenhafte Hinrichtungen vorgenommen hätten, wie gemeinhin behauptet wird,
dann hätten sie keine Konzentrationslager für die politischen Deportierten
benötigt."
Es habe wohl, fügte Le Pen hinzu, einige "Ausrutscher" (bavures) gegeben,
"wie sie unvermeidlich sind in einem Land von 550.000 Quadratkilometern
(Anm.: das entspricht exakt der Oberfläche Frankreichs)". Aber, fügte Le Pen
hinzu, die Gestapo habe in einigen Fällen auch eingegriffen, "um Massaker zu
verhindern, etwa im Norden Frankreichs".
Über das Massaker von Ordour-sur-Glane äußerte Le Pen sich nur knapp und per
Andeutung: Darüber "gäbe es viel zu sagen". Bei dem Massaker von Oradour
wurden am 10. Juni 1944 insgesamt 642 Zivilisten (davon 245 Frauen und 207
Kinder) durch die SS-Division "Das Reich" getötet, auf ihrem Rückzug aus der
Normandie, wo vier Tage zuvor die Alliierten gelandet waren. In diesem
Kontext praktizierte die SS eine Politik der verbrannten Erde. Die
Behauptung des rechtsextremen Politikers, dazu gebe es noch "viel zu sagen",
wird als verhaltene Anspielung auf die Schriften eines
Geschichtsrevisionisten namens Vincent Reynouard gedeutet. Dieser hat die
These aufgestellt, das Massaker von Oradour sei in Wirklichkeit "lediglich"
ein Vergeltungsschlag für "Taten" der Partisanenverbände (Maquis) der
Résistance gewesen. Die EinwohnerInnen von Oradour-sur-Glane waren
vollzählig, soweit die SS ihrer habhaft werden konnte, in der Kirche des
Orts zusammen getrieben worden, die in Brand gesteckt wurde. Doch Vincent
Reynouard behauptet, in dieser Kirche sei in Wirklichkeit Sprengstoff der
Partisanen deponiert gewesen. Dies erkläre angeblich die vermeintlichen
"Repressalien" ebenso wie das Ausmaß der Zerstörungen in dem Ort.
Auf die Frage der 'Rivarol'-Redaktion, was von der "Propaganda, die dieses
ganze Jahr hindurch angesichts der Gedenkfeiern zum (Anm. 60. Jahrestag des)
Ende(s) des Zweiten Weltkriegs entfesselt werden wird" zu halten sei,
antwortet Le Pen: "Ein unerträgliches Denkverbot lastet seit Jahrzehnten auf
all diesen Themen." Deswegen fordere er, einmal mehr, die Abschaffung der
"freiheitstötenden Gesetze". Damit gemeint ist die Gesetzgebung, die
rassistische Hetze sowie die Holocaust-Leugnung unter Strafe stellt, also
die Loi Pleven vom 1. Juli 1972 sowie die (das Strafarsenal auf die
Auschwitzlüge ausdehnende) Loi Gayssot vom 13. Juli 1990.
Erste Reaktionen
Der französische konservative Justizminister Dominique Perben (UMP) erklärte
sofort nach Bekanntwerden der jüngsten Provokation aus dem Munde Jean-Marie
Le Pens, er habe Anweisung zur Einleitung eines strafrechtlichen
Ermittlungsverfahrens gegeben. Noch am Mittwoch berief er eine kurze
Pressekonferenz dazu ein. Dort erklärte er, die Staatsanwaltschaft Paris zur
Aufnahme eines Strafverfahrens angewiesen zu haben. Perben bezeichnete die
Äußerungen Le Pens als "nicht hinnehmbar" und als Verhöhung "der Opfer,
ihrer Familien, der ehemaligen Résistancekämpfer, der Deportierten und all
jener, die in dieser dunklen Periode unserer Geschichte gelitten haben".
Daneben erweckte auch eine andere Äußerung des rechtsextremen Politikers den
Zorn des Justizministers: Le Pen hatte in 'Rivarol' geäußert, französische
Richter missachteten "ihre moralischen Verpflichtungen und jene, die sich
aus ihrem Amt ergeben" und würden "das Rechtsempfinden mit Füßen treten, um
Leute als gutgläubig freizusprechen, die es ganz offenkundig nicht sind". Es
handelt sich um eine durchsichtige Anspielung auf den Ausgang des Prozesses,
den Le Pen gegen 'Le Monde' angestrengt hatte. Die Pariser Abendzeitung
hatte Anfang Mai 2002, zwischen den beiden Wahlgängen der
Präsidentschaftswahl (in deren Stichwahl sich Le Pen und Jacques Chirac
gegenüber standen), neue Dokumente über die persönliche Teilnahme Jean-Marie
Le Pens an Folterungen in Algerien 1957 veröffentlicht. Die Redaktion von
'Le Monde' wurde in erster Instanz im Juni 2003, und letztinstanzlich im
Oktober 2004 vom Vorwurf der Diffamierung, den Le Pen erhob, freigesprochen.
Übrigens nicht nur aufgrund guten Glaubens, sondern weil im Prozess
materielle Beweisstücke gegen Le Pen aufgetaucht waren (namentlich sein
Armeedolch, den er während einer Folterung verloren hatte).
Die Liga für Menschenrechte (LDH) erklärte am Mittwoch Abend durch den Mund
ihres Vorsitzenden Michel Tubiana, sie erwäge, "nach einer sorgfältigen
juristischen Prüfung" Strafanzeige gegen Jean-Marie Le Pen zu erstatten. Die
Gestapo, die durch Le Pen verharmlost wurde, sei im Nürnberger Prozess als
kriminelle Organisation eingestuft worden. Auch die
Antirassismusorganisation MRAP erklärte noch am Mittwoch, sowohl gegen Le
Pen als auch gegen die Zeitung 'Rivarol' Strafanzeige einzureichen.
Hingegen schätzte die eher liberale LICRA (Liga gegen Rassismus und
Antisemitismus), Le Pens Äußerungen seien jene "eines sich ständig
wiederholenden Alten", die "nur Verachtung und Abscheu hervorrufen".
Offenkundig schätzt man hier, ein erneuter Prozess gegen Jean-Marie Le Pen,
der bereits mehrfach verurteilt worden ist (unter anderem wegen seiner
Bezeichnung der "Frage" der Existenz der Gaskammern als "Detail der
Geschichte", die er 1987 im französischen Fernsehen aufstellte und 1997 in
München an der Seite Franz Schönhubers wiederholte), könne diesem nur dazu
dienen, sich erneut als "Märtyrer" aufzuspielen. Diese Befürchtung wird noch
von anderen Protagonisten geteilt, etwa dem UMP-Abgeordneten Pierre
Lellouche, der davor warnte, Le Pen in seiner "Märtyrerrolle" zu bestätigen.
Serge Klarsfeld von der Vereinigung der Söhne und Töchter jüdischer
Deportierte kommentierte im französischen Radiosender Franco Info, bei der
Einstufung der deutschen Besatzungsära als "nicht so inhuman" dürfe man nie
aus dem Blick verlieren, "dass 76.000 Juden aus Frankreich deportiert wurden
und 2.500 von ihnen lebend zurück kamen". Aber auch er mahnte an, zu prüfen,
ob Le Pen sich nicht einen eventuellen erneuten Prozess zunutze machen
werde, um sich als "Verfolgten" aufzuspielen; "jedes Mal, wenn man eine
Weile lang nicht von ihm spricht, versucht er, durch einen Skandal auf sich
aufmerksam zu machen". Einwohner von Oradour-sur-Glane und Mitarbeiter der
dortigen Gedenkstätte, die am Donnerstag früh ebenfalls auf Radio Franco
Info befragt wurden, meinten: "Es gilt, diese historische Wahrheit (über
Oradour) zu verteidigen, auch auf die Gefahr hin, dass Leute wie Le Pen das
benutzen, um von sich reden und um so Werbung für sich zu machen". Der
79jährige Robert Hébras, einer von insgesamt fünf Überlebenden des Massakers
von Oradour von 1944, erklärte sich (in der Tageszeitung "France Soir")
"verletzt": "Ich verlange von Jean-Marie Le Pen, dass er unsere Toten
respektiert".
Auf der politischen Ebene forderten die Sozialdemokraten (deren Vorsitzender
François Hollande von "geschichtsrevisionistischen Äußerungen" Le Pens
sprach) mit ihrem Parteisekretär Julien Dray die Einleitung von
Strafverfolgungsmaßnahmen. Ähnlich die KP in Gestalt ihrer Vorsitzenden
Marie-George Buffet. Dagegen tat der Alt-68er und jetzige neoliberale Grüne
Daniel Cohn-Bendit die jüngsten Äußerungen Le Pens als Gestotter eines
"Alten, der vollkommen senil und verrückt geworden ist" ab; es sei
mittlerweile "egal, was er abspritzt". Dahinter steckt wohl auch der Wunsch,
sich nicht durch routinemäßige Empörung vor den Karren von Le Pens
Kommunikationsstrategie spannen zu lassen, aber auch jener, Leute wie Le Pen
einer bereits vergangenen Periode zuzuordnen. Gegen die These von der
jetzigen Altersverrücktheit spricht, dass Le Pen bereits in früheren Jahren,
teilweise gezielt, Skandale durch seine Sprüche vom "Detail der Geschichte"
(1987) und anrüchige Wortspiele wie "Durafour-Crématoire" (1988; Durafour
ist der Name eines jüdischstämmigen damaligen Ministers, Crématoire bedeutet
Verbrennungsofen) erregt hat.
Le Pen reagiert seinerseits
Am Donnerstag früh auf RTL hatte auch Jean-Marie Le Pen seinerseits
Gelegenheit zu reagieren. Dabei kündigte der FN-Chef an, "noch heute"
Strafanzeige gegen die Redaktion von 'Le Monde' zu erstatten, wegen
"Manipulation" und angeblicher "Verzerrung" seiner dort wieder gegebenen
Äußerungen.
Zu seiner skandalisierten Einstufung der Periode der Besatzung durch
NS-Deutschland erklärte Le Pen, sich halbwegs geschickt hinauswindend: "Wenn
man die deutsche Besatzung in Frankreich mit der in anderen europäischen
Ländern vergleicht, dann war sie, proportional betrachtet, in Frankreich am
wenigsten schmerzhaft." Das trifft insofern zu, als die Besatzungspraxis in
Polen und den besetzten Teilen der Sowjetunion, deren Bewohner durch die
Nazis als "slawische Untermenschen" betrachtet wurden, zweifelsohne zu
Anfang härter ausfiel. Le Pen weiter: "Das hat die Deutschen nicht daran
gehindert, ihre Politik zu betreiben und rassische Deportationen, politische
Verfolgungen, den Kampf gegen die Résistance durchzuführen." Über die
Komplizenschaft von Franzosen im Rahmen des Vichy-Regimes äußerte Le Pen
sich hingegen selbstverständlich nicht, was auch verwundert hätte, da einige
"Übriggebliebene" jener Zeit vor allem in der Gründungsphase des (1972
entstandenen) Front National eine wichtige Rolle spielten.
Zum Massaker von Oradour-sur-Glane hingegen erklärte Le Pen, er habe dem von
ihm Geäußerten "nichts hinzuzufügen". Denn: "Ich kann (es) nicht sagen, denn
in Frankreich hat man heute nicht das Recht zu denken, nicht das Recht zu
reden."
Im Gegensatz zu "den meisten Anderen, die heute reden" habe er selbst die
deutsche Besatzung erlebt, betonte Le Pen (Jahrgang 1928). Seine damalige
politische Rolle ist nicht wirklich klar, möglicherweise spielte er auch gar
keine; nachdem sein Vater, der bretonischer Fischer war, 1942 auf eine Mine
aufgelaufen war, kümmerte Le Pen sich wohl vor allem um das Haus.
"Ich bin ein Verteidiger der Denk- und Urteilsfreiheit", so stellte Le Pen
seine eigene Rolle dar. Und fügte hinzu: "Es ist ziemlich skandalös, dass
man sich 60 Jahre danach nicht auf logische und ruhige Weise zu diesen
Themen äußern kann und dass man kein freies Urteil über die Tatsachen der
Besatzung fällen kann." Es sein eine "wirkliche politische
Gedankenkontrolle" zu beklagen.
Innerparteiliche Reaktion: Jacques Bompard
Aus den Reihen des Front National selbst kam am Donnerstag (13. Januar) eine
erste Reaktion, die freilich eher kurios anmutet. Sie gehorcht vor allem den
Gesetzesmäßigkeiten des innerparteilichen Machtkampfs.
Jacques Bompard, der FN-Bürgermeister des südfranzösischen Orange (er kam
1995 ins Amt und wurde 2001 mit 60 Prozent der Stimmen wieder gewählt),
äußerte sich im Interview mit Radio France Info. Er spreche Le Pen das Recht
ab, so Bompard, sich zu solcherlei Themen zu äußern, "die auf keinem
Kongress diskutiert worden sind" und die Gegenstand keinerlei
Parteibeschlusses seien. Vor diesem Hintergrund habe Le Pen sich einer
öffentlichen Darstellung seiner privaten Meinung zu enthalten. Jedoch danach
befragt, was er selbst, Bompard, inhaltlich zu diesen Aussagen denke,
verweigerte dieser jede Stellungnahme: "Ich denke, dass Sie hier nicht (die
Privatperson) Jacques Bompard befragen, sondern den Bürgermeister von Orange
sowie das ehemalige und hoffentlich zukünftige Mitglied des Politischen Büro
des FN". (Le Pen hat Bompard für einige Monate aus diesem obersten
Führungsgremium des FN ausgeschlossen, wegen dessen öffentlicher Kritik am
Parteichef.) Genau wie für Le Pen gelte auch für ihn, Jacques Bompard, dass
er seine private Auffassung zu solchen Fragen erst nach seinem Rückzug aus
einem öffentlichen Parteiamt äußern dürfe.
Mit absoluter Sicherheit wäre die
"Privatmeinung" Jacques Bompards zu diesem Thema mindestens ebenso
grauenhaft ausgefallen, wie jene seines (Noch-)Parteichefs. Denn in den
letzten beiden Jahren versuchte Bompard, innerparteilich vor allem die
Hardliner und Altkader gegen die "zu modernistische und zu sehr auf die
bürgerlichen Medien orientierte" Le Pen-Tochter Marine zu sammeln. Doch in
der derzeitigen Situation bietet der Skandal um Le Pens Äußerungen die
Gelegenheit zu einer wohlfeilen, taktisch motivierten Kritik. So monierte
Bompard, mit seinen Äußerungen erwecke Jean-Marie Le Pen in der
Öffentlichkeit den Eindruck, dass der FN sich "vorwiegend mit der
Vergangenheit beschäftige" statt "mit den Problemen der Gegenwart"; dies sei
"schädlich". Im Radiointerview forderte Bompard nun "die Einberufung eines
außerordentlichen Parteikongresses" angesichts des angeblichen Fauxpas Le
Pens, denn "dann werden wir sehen, wer die Modernen (Anm.: ironische
Anspielung auf die Le Pen-Tochter und ihre Getreuen) und wer die
Rückwärtsgewandten sind". Bestimmt nicht, um den FN in antifaschistische
Fahrwässer zu transportieren...
hagalil.com
13-01-2005 |