Prozessbeginn:
Ein
Globalisierungsgegner
Heute beginnt ein Prozess gegen einen
mutmaßlichen Neonazi-Schläger in Stadthagen. Sicherheitsstufe: hoch
Von Andreas Speit
Die Geschehnisse bei der
Kundgebung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in
Rotenburg an der Wümme entsetzen viele. Mit voller Wucht schlug am
13. März vergangenen Jahres der Neonazi Arwid S. mit einem hölzernen
Plakatträger auf einen Gegendemonstranten ein. Am Kopf schwer
verletzt fiel der 20-jährige Demonstrant auf dem Pferdemarkt
zusammen.
Einige Gegendemonstranten
leisteten erste Hilfe, andere schrien den Namen des Täters mit
Ordnerbinde, da die Polizei nicht sofort einschritt. Knapp zehn
Monate nach der NPD-Kundgebung beginnt heute der Prozess vor dem
Jugendschöffengericht Stadthagen. "Unter besonderen
Sicherheitsmaßnahmen", betont das Amtsgericht.
"Die Verzögerung ist
alleine einem Anwaltswechsel geschuldet", beteuert die
Staatsanwaltschaft Bückeburg. "Na ja, der hätte mich wohl erst
totschlagen müssen, damit schneller gehandelt wird", meint indes das
Opfer, dem erst ein halbes Jahr später aus seinem Jochbein eine
stabilisierende Stahlplatte entfernt werden konnte.
Statt Klaus Kunze, einem
renommierten Anwalt der rechten Szene, vertritt jetzt ein lokaler
Rechtsbeistand den Beschuldigten. Der Wechsel dürfte der
Verteidigungsstrategie des 19-Jährigen geschuldet sein: sich als
nicht voll überzeugter Neonazi zu gerieren.
Bereits in einem Verfahren
gegen die taz, die
den Namen des Schlägers veröffentlicht hatte, versuchte Kunze seinen
Mandanten als bloßen "Globalisierungsgegner" darzustellen. Ohne
Erfolg, das Oberlandesgericht hielt die Namensnennung in der
taz für rechtens.
Sein Mandant, hatte Kunze
ausgeführt, sei nur wegen der "multinationalen Konzerne", die "die
sozialen Anliegen der Arbeitnehmer" und "die Existenz der Völker"
gefährdeten, der NPD-Jugendorganisation "Junge Demokraten" (JN)
beigetreten. Die Behauptungen des Anwalts widerlegen auch die
weiteren Aktivitäten seines Ex-Mandanten nach der Gewalttat. Kaum
eine NPD-Großveranstaltung in der Bundesrepublik, die der
Stadthagener nicht besucht haben soll. Mit der "Kameradschaft Weser
Ems" wollte er offensichtlich gar eine Bürgerversammlung in
Dörverden gegen das Neonazizentrum "Heisenhof" stören. Die Aktion
misslang. Auf dem Gelände des Neonazi-Anwalts Jürgen Rieger haben
Anwohner den Jugendlichen schon oft gesehen. Er ist allerdings nicht
der einzige "Heisenhofer", der sich vor Gericht wegen Gewalttaten
verantworten muss. Am 21. Dezember fuhr Sascha Jörg S. auf dem
Parkplatz der Berufsbildenden Schule in Dausen bei Verden gezielt
einen Fotografen an, der schwer am Knie verletzt wurde. Zuvor hatte
der Fotograf den NPDler mit weiteren Kameraden abgelichtet, wie sie
Propagandamaterial verteilten. Noch am Abend stellte die Polizei auf
dem "Heisenhof" das Auto des Täters sicher und entzog ihm die
Fahrerlaubnis. "Offensichtlich ist das Auto als Waffe eingesetzt
worden", erklärt der Verdener Polizeichef Axel Rott. Die
Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Unfallflucht
sind noch nicht abgeschlossen.
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18-01-2005 |