Von Karl Pfeifer
Das Wiener Bildungszentrum der SPÖ veranstaltete am 19.
Januar eine Diskussionsveranstaltung über die politische Situation im Irak.
Am Podium saßen: GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi (SPÖ), Integrationsbeauftragter
der muslimischen Glaubensgemeinschaft, Prof. Dipl.-Ing. Diyar Bajalan,
Verein für Menschenrechte in Kurdistan/Irak, Fritz Edlinger (SPÖ),
Österreichisch-Arabische Gesellschaft (GÖAB), Mag. Thomas Schmidinger,
Wadi-Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit,
Uni Wien.
Am nächsten Tag erschien eine von rab/za gezeichnete Meldung,
die einen Podiumsdiskutanten lediglich mit folgendem halben Satz erwähnt:
"neben den drei oben genannten Teilnehmern saß auch Thomas Schmidinger vom
Wadi-Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit auf
dem Podium."
Hier ein Auszug aus dieser APA-Meldung: "Skeptisch gegenüber
den anstehenden Wahlen im Irak am 30. Jänner hat sich der Generalsekretär
der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen (GÖAB), Fritz
Edlinger, geäußert. "Wenn Wahlen stattfinden, wo die Wähler an bewaffneten
Soldaten einer fremden Macht vorbeidefilieren müssen, ist das keine freie
Wahl. Das ist eine Erpressung", sagte Edlinger [...]
Der irakische Regierungschef Iyad Allawi werde nach den Wahlen
nicht über mehr Legitimation verfügen als jetzt, sagte Edlinger weiter. "Er
wird sich seine Legitimation durch Arbeit und durch einen nationalen Dialog
erarbeiten müssen, und nicht durch amerikanische und britische Waffen."
Pessimistisch zeigte sich auch der gebürtige Iraker Omar Al-Rawi, Unter
diesen Umständen Wahlen abzuhalten, sei "unverantwortlich". Eine
Verbesserung der Situation erwartet er sich durch den Urnengang nicht, im
Gegenteil. Ihm fehle bei allen antretenden Parteien zudem die Klarstellung,
dass die Wahl auch das Ende der Besatzung herbeiführen solle.
Positiver äußerte sich Diyar Bajalan vom Verein für
Menschenrechte in Kurdistan/Irak zum anstehenden Wahltermin. Möglicherweise
stelle die Wahl einen Schritt in Richtung Demokratie dar, auch wenn diese
nicht von einem Tag auf den anderen entstehe. "Man weiss nicht, welches Ende
diese Wahl nehmen wird, aber ich glaube, es hilft den Irakern. Das ist wie
eine Grippe, das muss sein," erklärte er gegenüber der APA. (APA007
2005-01-20/01:09 200109 Jän 05)
Die APA wirbt für sich: "APA-Basisdienst - Information Pur:
Unabhängig, verlässlich, schnell und ausgewogen". Oft genug konnte ich
APA-Meldungen über den Nahen Osten lesen, die jegliche journalistische Ethik
vermissen lassen und auch an diesem Beispiel merken wir, wie wenig
informativ, unabhängig, verlässlich und ausgewogen gelegentlich berichtet
wird. Denn einen Podiumsteilnehmer gänzlich wegzuzensurieren ist vielleicht
bei gewissen Parteipressediensten üblich, dürfte jedoch nicht bei einem sich
"unabhängig" nennenden Medium vorkommen.
Da ich bei dieser Veranstaltung anwesend war, kann ich einiges
von den Inhalten berichten, die von der APA unterdrückt wurden. Doch damit
nicht genug, auch die Art wie diese Veranstaltung abgehalten wurde,
kommentiere ich.
Zunächst war ich beeindruckt von der Einladung, die versprach:
"Aus völlig unterschiedlichen Perspektiven wird den Fragen der politischen
Entwicklung des Irak nach dem Ende der Ba[a]th-Herrschaft nachgegangen und
damit Raum für eine durchaus kontroversielle Debatte geschaffen."
Hier ein paar Eindrücke von dieser Debatte:
Prof. Dipl.-Ing. Diyar Bajalan:
"Auch wenn Herr Edlinger etwas anderes behauptet: das sind die ersten freien
Wahlen im Irak, und ich als Iraker, der ich unter der Diktatur Saddam
Husseins leiden musste: mir kann niemand das Gefühl der Freude nehmen, dass
es nun erstmals Wahlen geben wird. Das ist wohl legitim! Den Wunsch, dass es
nun erstmal eine Demokratie in unserem Land geben wird, den darf jeder
Iraker und jede Irakerin spüren. Ich kann zwar nicht sicher sein, ob die
Demokratie wirklich kommen wird, aber ich es hoffe es. Und dass wir jetzt
zum ersten Mal sagen können, was wir denken, ohne das uns die Regierung
ermorden lässt und die ganze Welt dabei zusieht und nichts unternimmt, dass
ist für uns der Ausgangspunkt für unsere Hoffnung."
Thomas Schmidinger: "Die Situation im Irak ist schwierig und in
einigen Gebieten katastrophal, vor 2 Jahren war sie jedoch hoffnungslos. Wir
dürfen nicht vergessen, dass die Situation im Irak heute das Resultat einer
Geschichte von 35 Jahren ba´thistischer Diktatur ist. Einer Dikatur, die 4
Millionen Iraker ins Ausland vertrieben hat und die rund 1,5 Millionen
Irakerinnen und Irakern das Leben gekostet hat. Es gibt da verschiedene
Zahlen. Da viele Menschen verschwunden sind, weiss man heute nicht einmal
genau wie vielen Menschen diese Diktatur wirklich das Leben gekostet hat.
[...]
Der Irak hat tatsächlich ein massives Problem und das heißt Terrorismus.
Die US-Truppen haben tatsächlich einige schwere Fehler gemacht. Hätten die
Amerikaner etwa Falluja nicht den Terroristen überlassen, dann hätten sie es
nicht zurückerobern müssen."
Schmidinger antwortete Al Rawi: "Sie hätten es gern gehabt,
dass Falluja weiter islamistischen Warlords überlassen bleibt, die dort ein
Taliban artiges Regime errichtet haben? Wissen Sie wie es dort ausgesehen
hat, nachdem sie die Amerikaner zurückgezogen hatten? In Falluja wurden
Frauen gesteinigt und Leute ermordet und geköpft, die nicht in die
gesellschaftlichen Vorstellungen der radikalen islamistischen Banden gepasst
haben.
Edlinger reihte vor allem beispielhaft gebrachte Geschichtchen
aneinander; so plauderte er vom Spital in Südirak, das "noch immer" keine
Medikamente habe, von einem Wartenden vor einer Tankstelle, der "einfach so"
von einem Nationalgardisten erschossen wurde, oder über Babylon, von dem
Edlinger gar nicht sagen wolle, was dort polnische und US-Truppen alles
angestellt hätten.
Die gebrachten allgemeinen Aussagen, basieren auf solche Geschichtchen oder
er verurteilte kategorisch tatsächliche und angebliche US-Politik. Eher ging
es ihm um den juristischen Aspekt des Krieges.
Edlinger rang sich selten zu konkreten Bewertungen der aktuellen Situation
im Irak durch, die über das Wort "katastrophal" hinausgingen. Wenn er
präziser wurde, kam er vom Thema ab, so nannte er Saddam ein "American Baby"
und stellte die USA als wichtigsten Waffenlieferanten des irakischen
Baathregimes hin. In der Realität stehen die USA nicht einmal unter den Top
10 der Waffenlieferanten Saddam Husseins: Laut dem Stockholmer Institut
SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute, www.sipri.org ,
rangieren die Vereinigten Staaten abgeschlagen auf Rang 12 (0,4%) und
lieferten ausschließlich Helikopter. Tatsächlich führen dabei die UdSSR
(rund 56%) und Kriegsgegner Frankreich (12%) und VR China (11%) diese Liste
an.
Fritz Edlinger versuchte sich als Gegner der geschlagenen
Baath-Diktatur hinzustellen, das wurde von Thomas Schmidinger so
kommentiert: "Herr Edlinger, es ist für mich ganz klar, woher Ihre
Positionen kommen. Ich nehme Ihnen nämlich nicht ab, dass Sie wirklich froh
darüber sind, dass Saddam gestürzt worden ist. Ich glaube Ihnen deshalb
nicht, Herr Edlinger, weil Sie seit Jahren im Irak beste Beziehungen zum
Regime unterhielten, beste Beziehungen zur Botschaft hatten, dort bei
Feierlichkeiten ein- und ausgegangen sind und nicht zuletzt deshalb, weil
der Name Ihrer "Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen" vor
ca. einem Jahr auf einer Liste der irakischen Zeitung Al Madda
veröffentlicht worden ist, unter den Empfängern von Ölgutscheinen, die
Saddam Hussein an eine Reihe von Persönlichkeiten und politischen Parteien
vergeben hat. Einzelne Personen sind mittlerweile in den Ländern verurteilt
worden. In Österreich hat es meines Wissens nach keine Ermittlungen in diese
Richtung gegeben. Sie haben von diesem Regime profitiert. Nun versuchen Sie
die Kurve zu kratzen und sagen, dass Sie froh sind, dass dieses Regime weg
ist, weil Sie vielleicht auch mit den neuen irakischen Machthabern Geschäfte
machen wollen. Sie machen nämlich Geschäft mit allen autoritären Regimen in
dieser Region. Sie waren auch im Jahr 2001, wie Sie selbst stolz in Ihrer
Zeitung geschrieben haben, am Jahrestag der Feiern des Militärputschs im
Sudan, Sie haben Omar al Bashir, den islamistischen Militärdiktator im Sudan
zu seiner Machtübernahme gratuliert. Sie sind ein Lobbist arabischer
Diktaturen, der Geschäfte macht."
Auf den Vorwurf Ölgutscheine von Saddam genommen zu haben, antwortete
Edlinger: "Das hat die Staatsanwaltschaft untersucht und hat nichts
gefunden. Sie hat die Ermittlungen eingestellt. Da hab ich persönlich dafür
gesorgt"....- [Lachen im Publikum] "also, äh, dass sie untersucht hat."
Schmidinger an Herrn Al Rawi, der sich gegen die Beteiligung
von Auslandsirakern an den Wahlen ausgesprochen hat:
"Ich bin sehr froh darüber, dass die irakische Regierung diese Frage anders
handhabt als Österreich nach 1945 und die ExilirakerInnen in den politischen
Prozess einbindet.
Ich bin froh, dass die irakische Regierung sich um jene Exiliraker und
Exilirakerinnen bemüht, die vom Ba'th-Regim vertrieben wurden: das sind
immerhin 4 Millionen Menschen! Das sind jene Menschen, die zu den
gebildesten, intellektuellsten, und politischsten Köpfen des Irak gehören.
Diese Leute vom Prozess der Demokratisierung auszuschließen, wie das Herr Al
Rawi fordert, wäre eine fatale Vorgangsweise.
Herr Al Rawi wiederholte hier am Podium genau das, was Islamisten und
arabische Nationalisten immer sagen, wenn etwas nicht so läuft wie sie sich
das vorstellen: Israel ist schuld. Der Vorwurf an die Kurden, sie seien die
"5. Kolonne Israels" hat bereits Saddam Hussein als Legitimation für den
versuchten Genozid an den Kurden mitbenutzt."
Zu Falluja: "Es war ein Fehler der Amerikaner sich aus Falluja überhaupt
zurückgezogen zu haben und somit die Stadt den islamistischen Warlords
überlassen zu haben, die dort z.B. Frauen, die nicht in ihr Konzept gepasst
haben, gesteinigt haben."
Ein Exiliraker, der vor Jahrzehnten fliehen musste:
"Herr Edlinger, ich kann mich erinnern wie Sie in der irakischen Botschaft,
zu Saddams Zeiten, ein und aus gingen. Wir, die Exilirakis, diejenigen die
Saddam vertrieben hat, standen vor der Botschaft und protestierten. Und
jetzt reden Sie, Herr Edlinger, vom "Diktator Saddam"? Genieren Sie sich
nicht? Fühlen Sie keine Scham mir gegenüber? Können Sie sich an mein Gesicht
erinnern, Herr Edlinger? Sie gingen damals in Hotel Intercontinental zur
Feier zu Ehren Saddams Geburtstag. Ich stand vor dem Eingang und
protestierte. Können Sie sich erinnern? Schämen Sie sich wirklich nicht?
(...)
Sie haben gute Geschäfte mit dem Regime gemacht und nun behaupten Sie, Sie
wissen nicht, warum der Name ihrer "Gesellschaft für
Österreichisch-Arabische Beziehungen" – GÖAB – als Bezieher von
Ölgutscheinen auf jener in einer irakischen Zeitung veröffentlichten Liste
aufschien? Wer kennt Sie denn im Irak, wer sollte Sie denn dermaßen
diffamieren, im Irak?"
[Edlinger antwortet nicht darauf]
Ein anderer Exiliraker: "Herr Al Rawi, Sie behaupteten im
"Standard" und auch heute am Podium, dass ihr Onkel als "Regimegegner" von
Saddam "zum Tode verurteilt" wurde. Das ist eine Lüge, und Sie wissen das!
Ihr Onkel, ein General, war für die Planung des sogennanten und allen
Irakern in ewiger Erinnerung bleibenden "Zug des Todes" mitverantwortlich,
der damals nach dem ersten Ba´thisten-Putsch von 1963 (bei dem über 10.000
Kommunisten abgeschlachtet wurden, Anm. des Verfassers) gefüllt mit
Ba´th-Gegnern in die Wüste geschickt wurde. Im Irak kennt man deshalb des
Namen Ihrer Familie, Herr Al Rawi, niemand vergisst ihn. Ihr Onkel wurde
nicht vom Regime ermordet, mit dem er sich später überwarf. Ihr Onkel, der
General, lebt heute in Saudiarabien. Wieso lügen Sie? Ihre Familie ist kein
Opfer des Regimes!"
[Al Rawi antwortet nicht darauf]
Der explizite Vorwurf von Al Rawi, die Kurden würden sich von
Israel unterstützen lassen und seine Behauptung vom Plan B der Israelis, die
angeblich in den Kurdengebieten operieren wollen, führt zu heftigem
Widerspruch im Publikum. Ein Kurde antwortet Al Rawi, dass doch eine Reihe
von arabischen und islamischen Ländern mit Israel gute Beziehungen haben und
es nicht verständlich sei, weshalb die Kurden nicht das gleiche tun sollten.
Moderiert wurde die Diskussion von GR Ernst Woller (SPÖ),
Bildungsvorsitzender der SPÖ Wien, der in dem Maß, wie es klar wurde, das
die Mehrheit der aus dem Publikum diskutierenden Personen den Positionen
seiner beiden Genossen, Al-Rawi und Edlinger kritisch entgegentrat, die
Nerven verlor.
Als Herr Tarafa Bagajathi sich aus dem Publikum zu Wort meldete und Thomas
Schmidinger heftig und unqualifiziert angriff, wurde dies vom Moderator
geduldet. Als dann ein irakischer Diskutant, der einen bemerkenswerten
Beitrag zur Diskussion leistete, sich mit Wollers Genossen kritisch
auseinandersetze, unterbrach er ihn zornig und drohte ihm das Wort zu
entziehen. Der junge Mann sagte: "Das einzige wo sie Recht haben, die Herren
Edlinger und Al Rawi, ist in ihrer Feststellung, dass der Irak heute enorme
Probleme hat. Doch das Problem sind nicht die Amerikaner, wie es von den
beiden Herren dargestellt wird, denn die Amerikaner haben den Irak von der
grausamen Ba'th-Diktatur befreit. Das Problem im Irak hat einen Namen:
Terrorismus. Terrorismus, der von Syrien, Iran, Saudiarabien, usw.
unterstützt wird und der täglich Opfer unter der irakischen Zivilbevölkerung
fordert. Man darf dieses Land nicht den Terroristen, die täglich Irakerinnen
und Iraker abschlachten, überlassen. (...)
Ständig werden die Amerikaner angeklagt, die Probleme nicht in den Griff zu
bekommen, z.B. die Stromversorgung. Tatsache ist, solange die Terroristen
jeden neu errichteten Stromgenerator in die Luft jagen, wird auch die
Stromversorgung nicht so funktionieren, wie wir uns das für die Bevölkerung
wünschen. (...)
Ich war gerade in Bagdad, und sah wie die Leute unter den Terroristen
leiden. Ich lade Sie ein, Herr Edlinger, das nächste mal mit mir, z.B. nach
Basra zu fahren. Auch wenn mir das enorme Schwierigkeiten bereiten würde.
Sie sollen sehen, welche die wirklichen Probleme des Irak sind. Denn was Sie
uns hier erzählen, sind Beschreibungen eines anderen Landes. Ich lade Sie
ein, mit mir zu kommen, wenn Sie sich trauen, denn als blonder Ausländer
kann es leicht passieren, dass Sie entführt werden und dass Sie Ihren Kopf
verlieren. Es sind aber nicht die Amerikaner, die Zivilsten entführen und
köpfen."
Als die Kritiker seiner Genossen, die zumeist Exiliraker waren,
für seinen Geschmack zu zahlreich wurden, erklärte der Moderator, GR Woller,
dass er nur noch ihm bekannte Personen im Publikum das Wort erteilen wolle.
Kurz darauf brach er willkürlich die Diskussion ab und er ließ nicht einmal
die am Podium sitzenden Personen ein Abschlussstatement machen.
Diese Art der Diskussion ist vielleicht üblich, wenn in der SPÖ
interne Diskussionen durchgeführt werden. Es spricht aber nicht für die SPÖ
und für den Moderator, wenn Zuhörer den Eindruck gewinnen, dass in der
sozialdemokratischen Partei Österreichs bei der Auseinandersetzung mit
Andersdenkenden autoritäre Methoden angewandt werden. Zumal ja viele dieser
Exiliraker, die sich so kritisch gegen Al Rawi und Edlinger wandten, sich
zur SPÖ bekennen.