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Interview mit Sam Garbarski:
Was ist eigentlich ein "Mensch"?

Sam Gabarski wurde in Krailing bei München geboren und ging in München zur Schule und später zur Uni. Mit 22 Jahren hat Deutschland verlassen und ist nach Belgien ausgewandert, nachdem er sich im Urlaub in eine Belgierin verliebt hatte. In Belgien arbeitete er dann in der Werbung, hat seine eigene Agentur gegründet und die nächsten zwanzig Jahre sehr erfolgreich in der Branche gearbeitet. Vor zwei Jahren realisierte er seinen ersten Spielfilm. Seine Werbeagentur hat er inzwischen aufgegeben.

Auf welchem Weg sind Sie Filmemacher geworden ?

Ich habe in einem früheren Leben in der Werbung gearbeitet, und dort hat es mich frustriert zu sehen, wie meine Ideen von anderen realisiert wurden. Bei einigen Projekten fand ich nach der Umsetzung nicht mehr viel von meinen Ideen wieder. Deshalb habe ich mich entschlossen, den nächsten Werbespot selber zu drehen. Andere folgten, dann haben mich Freunde ermutigt, auch Kurzfilme zu drehen, und dann kam mein erster Langspielfilm.

In der Geschichte geht es um eine jüdische Familie, aber die Themen, die der Film behandelt, kann jeder nachvollziehen: der Verlust eines geliebten Angehörigen, die Suche nach den eigenen Wurzeln, die Sehnsucht nach Traditionen, etc.
Ich fände es sehr schön, wenn der Film in dieser Weise wahrgenommen wird. Ich glaube, dass man nicht in Hongkong geboren sein muß, um asiatische Filme verstehen zu können! Für alle Familien kann der Verlust eines Angehörigen, wie der geliebten Großmutter, ein schwieriger Moment sein, eine unerwartete Erschütterung. Man fühlt sich wie ein entwurzelter Baum, dessen Äste sich in den Himmel strecken, aber jeder Ast seine Wurzeln zu finden versucht, um Halt zu bekommen. Indem sie ihre Großmutter Rosa beerdigen, legen die Rashevskis ihre Wurzeln frei.

Eine Stärke Ihres Films ist es, dass er bei jedem seiner Charaktere die Komplexität der Frage sehr präzise herausstellt.

Das Paradox ist so jüdisch! Das Thema des Films ist gerade die Toleranz, die unverzichtbare Offenheit gegenüber der Komplexität der verschiedenen Sichtweisen. Es gibt so viele mögliche Interpretationen der Torah im Talmud. Man kann sagen, es gibt so viele verschiedene Interpretationen der Torah, wie es Rabbis gibt, die sie lesen. Das ist das schöne am jüdischen Denken. Diese Vielfalt hält die Religion lebendig, aber dann: Warum sollte es nur eine einzige Art und Weise geben, diese Religion zu praktizieren? Die Orthodoxen müssten das anerkennen. Nach meiner Meinung darf keine Religion in ihrem Extrem gelebt werden, ich kann nicht glauben, dass der wahre Judaismus ein ultra-orthodoxer ist. Ein liberaler Rabbi wird vom Konsistorium nicht anerkannt, er existiert für die Orthodoxen nicht, und da wird es absurd!
Die Beerdigung der Großmutter Rosa zwingt jedes Familenmitglied, sich mit seiner Identität auseinanderzusetzen.

Jeder von ihnen wird mit einer Realität konfrontiert, die er vergessen oder verdrängt hat, bewußt oder unbewußt.
Rosa war das Band, das diese Familie zusammengehalten hat, die Bewahrerin der Tradition. Wir können uns die Vergangenheit von Rosa vorstellen. Eine junge Frau, aufgewachsen in einem Dorf in Mitteleuropa, in den 30er Jahren in Frankreich angekommen, die Verfolgung während des Krieges. Nach diesen Dramen, nachdem sie fast ihre gesamte Familie verloren hat, hat sie ihren Glauben verloren. »Wo war Gott während des Zweiten Weltkrieges?«, das ist die Frage, die sich viele gestellt haben. Ihr Ehemann Shmouel dagegen flüchtete in die Religion. Die Ehe konnte nicht mehr funktionieren. Shmouel ging nach Israel. Und Rosa hat alleine die Kinder aufgezogen - in diesem Widerspruch, nicht mehr zu glauben und diesen Glauben nicht mehr zu praktizieren, und gleichzeitigg den eigenen Wurzeln verbunden zu bleiben und die Traditionen lebendig zu halten.

Ein Widerspruch den Sie mit Rosa teilen.

Ich glaube, es ist kein Widerspruch, die Religion abzulehnen und an den Traditionen festzuhalten. Die Religion, wenn man sie getreu der Schriften praktiziert, ist heute die Ursache von vielem Schlechten. Wir sollten uns dabei an die Tradtionen halten, diese teilen und uns öffnen. Es ist gut, die Kulturen zu mischen und die Traditionen zu übersetzen. Die Traditionen sind das schönste, das wir teilen können. Mit meinem Sohn, der auf eine sehr offene jüdische Schule geht, feiern wir Weihnachten mit Tannenbaum und Geschenken. In meinem Film ist es der Tango, der die Rashevskis zusammenschweißt. Wenn jeder eine Art Tango hätte, wie die Rashevskis, es lebte sich vielleicht ein wenig einfacher in unser Welt. Das wollte ich erzählen.

Stellen Sie uns kurz die Familienmitglieder vor. Zunächst Onkel Dolfo.

Sein ganzes Leben hat er Rosa, die Frau seines Bruders Shmouel, heimlich geliebt Vor dem Krieg
war er sehr religiös gewesen, nach dem Krieg aber konnte er wie Rosa an nichts mehr glauben, ihm blieb nur noch die Tradition. Dolfo ist die Inkarnation des »mensch«. Dolfo ist ein großherziger Mensch, der die Vaterrolle für Rosas Kinder übernommen hatte. Er ist immer noch da, um alles zu
arrangieren.

»Das ist das erste Mal, dass ich mich wirklich als Jude fühle«, sagt David nach der Beerdigung seiner Mutter.
David gehört zu dieser Generation, die kurz nach dem Krieg geboren wurde, er wurde nicht beschnitten. Die Eltern sagten sich: »Wenn die Nazis wiederkommen...«. Um ihre Kinder zu unterrichten, haben sie eine selektive Mischung aus Tradition und Geschichte praktiziert. Das ist der Widerspruch dieser Generation - jüdisch zu sein und es nicht zu wagen, jüdisch zu sein. Diese Menschen haben Angst. Daraus ergeben sich Identitätsprobleme.

Simon, der Ehemann von Isabelle, ist am liberalsten von allen.
Aber was meint »liberaler Jude«! Im Prinzip gibt es sie nicht, und dennoch sind die meisten Juden liberal. Noch ein schönes Paradox. Simon wird mit einem Problem konfrontiert: Wenn seine Frau konvertieren würde, müsste er unter anderem mit ihr in die Synagoge gehen. Aber er hat überhaupt keine Lust, in die Synagoge zu gehen, und erst recht nicht, ein praktizierender Jude zu werden. Vor die Wahl gestellt, würde er auch nicht als Jude bestattet werden wollen, aber natürlich neben seiner Frau...

Isabelle hat das Gefühl, in der Familie Rashevski niemals akzeptiert worden zu sein. Sie hatte sich sehr gewünscht, Jüdin zu werden, nicht nur wegen ihres Mannes. Sie kennt die Traditionen und Bräuche besser als die anderen Mitglieder der Familie. Aber das ist es genau, was Simon stört und was Dolfo irritiert. Ein weiteres Paradox!

Nina ist eine junge moderne Frau, die von diesen Widersprüchen im besonderen Maße berührt wird.

Nina ist hysterisch im psychoanalytischen Sinne. Sie ist immer unzufrieden. Weil sie noch nicht ihr wahres Glück gefunden hat, glaubt sie, es mit Hilfe der jüdischen Religion zu finden. Sie glaubt sehr stark und sehr aufrichtig daran. Aber wie sagt ihr Bruder: »Macht euch keine Sorgen, in zwei Jahren wird sie Buddhistin oder Vegetarierin...«

Jonathan eträngt sein Leid in Alkohol, und Ric, der jüngste Sohn, will sich mit Khadija, einer Muslimin, verheiraten.
Jonathan ist sich klar, wie allein sie ohne Rosa sein werden, »...von nun an sind wir keine Familie mehr«, sagt er. Ric ist ein echter Rashevski, bei denen die Intuition, die Emotionen, die Gefühle stärker sind als die Vernunft.

Sie haben Schauspieler gewählt, die aus ganz verschieden Bereichen kommen. Von der Genauigkeit des Castings her ist »Papa ist auf Dienstreises« von Emir Kusturica ein Film, der mich über lange Jahre begleitet hat.

Zunächst hatte ich zwei Schauspieler im Kopf: Tania Gabarski, meine Tochter, für die Rolle der Nina, die ich auch schon ein wenig für sie geschrieben habe, und Jonathan Zaccai, der den Jonathan spielt. Für die anderen habe ich Nathaniele Esther, die das Casting betreute, gesagt, dass ich Schauspieler aus allen Ländern akzeptieren -werde, unter der einen Bedingung, dass sie Französisch sprechen. Als ich Ludmila Mikael ankommen sah, habe ich sofort gewußt, das sie Isabelle ist. Sie hat mir noch in der Nacht zugesagt, in der sie das Drehbuch gelesen hat. Was wirklich wunderbar war, als sich alle zum ersten Mal trafen. Ich sah, dass meine Familie existierte. Ich mußte nichteinen Schauspieler austauschen.

Die Musik ist sehr präsent in Ihrem Film.

Die Musik ist für mich unverzichtbar, wie für die Rashevskis der Tango. Diana Elbaum, meine Produzentin, fragte mich, wer die Musik komponieren soll. Ich habe geantworte, mein Traum wäre, ohne dass ich daran wirklich geglaubt habe, wenn wir den Komponisten von »In the Mood for Love« bekämen. Eine Woche später hatte ich ein Treffen mit Michael Galasso! Er hat mich sofort verstanden, und wir konnten zusammen einen echten »jüdischen Tango« gestalten.

Übrigens, was ist eigentlich ein »mensch«?

Ah...wie Dolfo es gesagt »Für die Torah ist jeder Jude zuallererst ein Mensch. Schließlich ist mensch ein jiddisches Wort, und die Torah ist nicht in jiddisch.« Wenn man eine Definition geben müßte, er wäre ein menschliches Wesen im tiefsten Sinne des Wortes.

Ich werde ihnen eine Geschichte erzählen. Der kleine Mose kommt zum Rabbi und fragt ihn: »In meinem Streit mit Jacob haben sie mir gesagt, dass wir beide recht haben. Meine Frau behauptet, dass das nicht möglich ist, dass der eine und der andere recht hat.« Der Rabbi überlegt einen Moment und antwortet: »Weißt du, deine Frau hat auch recht.« Dieser Witz fasst sehr gut den Film zusammen. Alle haben recht, jeder hat das Recht auf seine Wahrheit.... wenn er ein mensch ist.

Die Rashevskis:
Tango

Die Rashevskis sind das, was man eine sehr liberale jüdische Familie nennen könnte. Doch als die Großmutter Rosa 81jährig verstirbt, sind ihre Kinder und Enkelkinder alles andere als vorbereitet...

Überraschungserfolg Frankreich 2004:
Tango beim Seder
Dolfo Rashevski ist nach Israel gereist, um seinen Bruder Shmouel zu besuchen, der als Rabbiner einer orthodoxen Gemeinde in der Wüste vorsteht...

100 Minuten Familienwirrwarr:
Der Tango der Rashevskis
Der Film von Sam Garbarski zielt auf Tango-Fantasien und Tango-Interesse und trifft daneben. 100 Minuten Familienwirrwarr, das dadurch nicht besser wird, daß es in jüdischem Milieu angesiedelt ist...

hagalil.com 16-01-2005

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