EU-Beitritt der Türkei:
Rote Linien der Türkei und Syrien
Von Haydar Isik
Nachdem die Türkei mit Erfolg den
Termin für die Beitrittsverhandlungen zur EU erhalten hat, fiel von
Ministerpräsident Erdogan eine große Last. Die Erleichterung hat ihm
geholfen, seinen Blick nach Syrien zu wenden. Nach einem triumphalen
Auftritt in Ankara, als ob er die Schlacht vor Wien gewonnen hätte, ließ
Erdogan sich auch in Syrien feiern.
Das ganze Land fiel ihm zu Füßen und er fand plötzlich eine Freundlichkeit
in Syrien, die es seit 80 Jahren nicht gab. Der syrische Staat, der am
liebsten den Staat Israel in einem Glas Wasser ertränken möchte, der seit
Jahrzehnten als Besatzungsmacht im Libanon ist, und dort die Palästinenser
und Schiitischen Milizen für seine Zwecke instrumentalisiert, der im Irak
einen Stellvertreter-Krieg gegen die USA durch eingeschleuste Terrorbanden
führt, und wie im damaligen Saddamregime ein rassistisch-
faschistoides Baath-Regime hat, verbündet sich mit der Türkei
strategisch.
Im türkischen sagt man: Es ist weder eine Hochzeit noch ein Fest, warum
küsst der Schwager? Welche Interessen haben diese Länder, die plötzlich
jetzt, in dieser Zeit diese Freundschaft gefunden haben?
Obwohl die Türkei im Jahre 1998 ihre Truppen an der Grenze konzentrierte, um
einen Krieg gegen Syrien zu beginnen, und der türkische Stabchef
sagte, wenn wir früh morgens marschieren, werden wir zum Mittagsessen
in Damaskus sein. Damals war die rote Linie der Türkei der Kurdenführer
Abdullah Öcalan gewesen. Öcalan wurde mit Hilfe der USA, Israel und anderer
Mächte aus "Liebe" zur Türkei festgenommen und der Türkei serviert. Er lebt
seit sechs Jahren vollkommen isoliert auf der Insel Imralli am
Marmarameer vor Istanbul als einzelner Gefangener.
Die Türkei war und ist Nato-Mitglied, Syrien hat sich aber an die
Sowjetunion und jetzt Russland angelehnt. Seit der Gründung der Türkei im
Jahre 1923 hatten beide Länder viele Probleme allerart. Sie waren
immer Feinde gewesen. Was hat sich geändert, dass der syrische
Ministerpräsident Itri nach dem Besuch von Erdogan in der letzte
Woche bekannt gab, dass zwischen der Türkei und Syrien eine
strategische Allianz beginnt. Gleichzeitig hat die Türkei eine strategische
Allianz mit Israel und den USA.
Aus welchen Gründen kreuzten die Interessen dieser Länder? Ich denke, es ist
selbstverständlich, dass das Kurdenproblem eine primäre Rolle spielt. Weil
diese diktatorischen Militärregime den Kurden ihre Rechte nicht gewähren
wollen. In der Türkei warten 20 Millionen Kurden vergeblich auf ihre
Bürgerrechte, auf die Identität, Sprache, Kultur und Verwaltung. Die Türkei
hat bis jetzt keine grundlegenden Änderungen für Kurden unternommen. Was sie
bis jetzt geändert hat, was die EU als Fortschritt sieht, ist nur Makulatur.
Erdogan spricht einmal von der Kurden als Brüder, dann sagt er wiederum
"Wenn sie in Argentinien ein Kurdistan gründen wollen, werden wir auch dort
gegen sie kämpfen." Mal spricht er davon, dass Kurden und Türken wie Nagel
und Fleisch untrennbar sind, dann schimpft er die EU Delegationen, die die
Kurdenstadt Diyarbakir besuchen, um die Menschenrechte vor Ort zu
recherchieren. Dann spricht er von Brüderlichkeit zwischen Türken und
Kurden, aber im gleichen Atemzug definiert er die türkische Politik so, dass
die Gründung eines Kurdenstaates in Südkurdistan (Nordirak) ihre Rote-Linie
sei.
Da der syrische Staat ähnliche Probleme mit Kurden hat, glauben diese
Länder, wenn sie gemeinsam gegen Kurden vorgehen, können sie die
Unterdrückung der Kurden besser meistern. Deshalb gründen sie eine
strategische Allianz gegen Kurden. Auch der syrische Ministerpräsident Itri
hat sich geäußert, dass die Gründung eines kurdischen Staates im Nordirak
als eine "Rote Linie" des syrischen Staates zu betrachten ist.
Außer der Kurdenfeindlichkeit gibt es auch andere Interessen. "Wenn das Dorf
zu sehen ist, braucht man keinen Wegführer." Die USA, EU und viele
vernünftig denkende Menschen glauben, wenn die Türkei in die EU kommt, kann
man den Islam demokratischer gestalten und als Beispiel auch in andere
arabo-islamische Länder transportieren.
Wir, die Kurden und Alleviten, kennen diesen türkisch-sunnitischen
Islam genau, der in der Türkei als türkisch-islamistische Synthese für
Türkentümelei und Rassenideologie staatlich gefördert wird.
Wenn die Türkei dieses rassistische und faschistoide Islamverständnis, das
die Staatsideologie der Türkei ist, welches die Kurden und Alleviten nicht
anerkennt, modernisieren und zivilisieren könnte, wäre das für die Welt ein
Problem weniger, aber es ist für mich noch eine große Frage.
Das Kemalistische, und syrische Baath Regime sind sich sehr ähnlich. Man
kann sie sogar als Zwillinge betrachten. Wenn diese rassistischen Regimes
eine strategische Allianz bilden, gefährden sie andere Völker in der Region.
Erdogan träumt vom osmanischen Reich, der syrische Präsident Asad
träumt von der Vernichtung Israels. Beide wollen auch die Zerschlagung der
Kurden. Außerdem versucht diese Türko- und Arabo-Islamische Allianz mit
allen Mitteln gegen die Stabilisierung Iraks zu stehen. Die Türkei hetzt
ihre Turkmenen im Irak und über Syrien sickern die El Qaida Banden ins Land
um dort die USA zu treffen. Diese Allianz zeigt, dass in der Region
die Karten erneut verteilt werden könnten.
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29-12-2004 |