Der Flut entkommen:
Die erleichternden Worte "Wir sind okay"
Von Eli Ashkenazi, Ha'aretz, 29.12.2004
Übersetzung: Daniela Marcus
"Jetzt, nach drei Tagen, können wir endlich erleichtert
aufatmen", sagte Itzik Fadida aus Kirjat Bialik, nachdem er nach drei Tagen
der Ungewissheit erfahren hatte, dass sein Bruder gerettet ist. Itzik und
seine zwei Schwestern Ruha und Batsheva hatten auf ein Lebenszeichen ihrer
Eltern Clara und Eli und ihres jüngeren Bruders Nir gewartet. Clara und Eli
hatten Urlaub in Thailand gemacht und Nir hatte sich auf den Andaman-Inseln
aufgehalten.
Nach langen sorgenvollen Stunden des hilflosen Wartens bekamen Itzik, Ruha
und Batsheva am Montag eine Nachricht von ihren Eltern, die auf der Insel
Koh Phi Phi in Thailand waren. Die 58jährige Clara und der 64jährige Eli
waren vor einer Woche in den Fernen Osten geflogen und hatten geplant, zwei
Wochen lang dort zu bleiben. Zwei Tage vor ihrem Abflug hatten sie ein Email
von ihrem jüngsten Sohn Nir erhalten, in dem er ihnen mitgeteilt hatte, dass
es ihm gut gehe und er seinen Aufenthalt genießen würde und dass er ihnen
einen schönen Urlaub in Thailand wünsche.
Die Eltern waren unter den Opfern der Naturkatastrophe, die die Küste von
Südostasien getroffen hatte. Doch es gelang ihnen, die Flutwelle zu
überleben. Das Schicksal des Sohnes blieb unklar.
Itzik Fadida erzählte, die gigantische Welle hätte seine Eltern
hinweggeschwemmt und sie hätten einander aus den Augen verloren. "Sie
wussten nicht, was dem jeweils anderen geschehen war. Beinahe 24 Stunden
vergingen, bevor sie sich wieder trafen", sagte Itzik.
Gestern sprachen die drei Geschwister mit ihren Eltern. Clara weinte viel.
Ihre Kinder sagten, sie sei traumatisiert. Sie habe gesagt, das Meer wollte
sie und ihren Mann mit sich nehmen, doch sie seien gerettet worden. Trotz
der schrecklichen Erfahrungen ihrer Eltern hatten die Fadida-Geschwister nun
eine Sorge weniger. Sie begannen, nach ihrem jüngeren Bruder zu suchen.
"Obwohl unsere Eltern traumatisiert waren und kaum verarbeiten konnten, was
sie erlebt hatten, machten sie sich große Sorgen um Nir", sagte Itzik. "Es
war unmöglich vor ihnen zu verbergen, dass Nir möglicherweise in
Schwierigkeiten steckte. Sie wussten, dass er auf den Andaman-Inseln war und
dass die Katastrophe die ganze Gegend heimgesucht hatte. Wir mussten ihnen
sagen, dass wir noch nichts von Nir gehört hatten."
Der 23jährige Nir Fadida hatte Israel vor dreieinhalb Monaten verlassen, um
mit seinem besten Freund aus Kirjat Bialik, Yaniv Jacques, durch Indien zu
reisen. Sie trafen sich mit einer größeren Gruppe junger Israelis und flogen
gemeinsam auf die Andaman-Inseln. Außer einem kurzen Aufenthalt in der
Türkei war dies Nirs erste große Auslandsreise seit der Entlassung aus
seinem Militärdienst bei der Luftwaffe.
"Er arbeitete hart, um sich das Geld für diese Reise zu verdienen", erzählte
sein Bruder Itzik. "Nir wollte in acht Monaten nach Israel zurückkehren, um
sein Studium zu beginnen."
Eine Liste mit Namen von Israelis, die man auf den Andaman-Inseln lebend
gefunden hatte, wurde gestern Nachmittag veröffentlicht. Der Name von Nirs
Freund, Yaniv Jacques, stand auf der Liste. Doch Nir Fadidas Name war nicht
dabei. "Wir müssen beten und das Beste hoffen", sagte Batsheva.
Einige Stunden später klingelte das Telefon und brachte die Nachricht, dass
Nir in Sicherheit war. "Eine Frau aus dem Landesinneren erzählte uns, ihr
Sohn sei mit Nir zusammen gewesen. Nir habe darum gebeten uns wissen zu
lassen, dass er okay sei", sagte Itzik Fadida voller Freude.
hagalil.com
29-12-2004 |