Zwischen 1. Dezember und 9. Januar präsentiert das Filmmuseum Wien das
Gesamtwerk eines der großen Originale des Kinos. Mit dieser Schau wird
erstmals in Österreich eine integrale Lubitsch-Retrospektive vorgestellt –
und zugleich eine weltweit einmalige Versammlung wiederentdeckter, neu
restaurierter Filme und rarer Kopien aus den USA und Europa.
Der gebürtige Berliner Ernst Lubitsch (1892-1947) ist vor allem für seine
meisterhaften, delikaten Komödien aus den zwanziger, dreißiger und vierziger
Jahren bekannt – der legendäre "Lubitsch Touch" ist nach wie vor unerreicht.
"Wenn wir Glück hatten, gelang es uns manchmal, einen Film wie von Lubitsch
zu machen. Wie von Lubitsch, kein echter Lubitsch", so der Bewunderer Billy
Wilder, über dessen Bürotür ein Schild mit der Aufschrift prangte: "How
Would Lubitsch Have Done it?"
Die berühmten Hollywood-Komödien, vom menage à
trois-Meisterwerk Trouble in Paradise (1932) bis zur klassischen
Nazi-Farce To Be or Not to Be (1942), gelten mit ihrer Leichtigkeit,
eleganten Verdichtung und technischen Brillanz als Inbegriff des
Lubitsch-Werks, doch in seiner Kunst lässt sich ein noch viel weiteres Feld
entdecken: die frechen Stummfilm-Komödien (Die Puppe oder Die
Austernprinzessin); die großen Historienspektakel, die ihm zu
internationalem Ruhm verhalfen (etwa Madame Dubarry); die mühelos
zwischen Witz und Schmerz schwebenden amerikanischen Stummfilme der 20er
Jahre, darunter die "Wiener Komödie" The Marriage Circle und die
definitive Oscar-Wilde-Adaption Lady Windermere's Fan; und
schließlich der leichtfüßig vollzogene Wechsel zum Tonfilm mit einem Zyklus
bestechender Musicals rund um Maurice Chevalier und Jeanette McDonald. Diese
beständige Entwicklung und Verfeinerung der unvergleichlichen
Lubitsch-Ästhetik kulminiert in den schwerelosen (und zugleich
hochartifiziellen) Klassikern der 30er und 40er Jahre – in Filmen wie
Ninotchka, The Shop Around the Corner oder Heaven Can Wait.
To Be or Not to Be, 1942
Der Sohn eines jüdischen Schneiders kam während seiner
Gymnasialzeit mit der Bühne in Kontakt und war schnell begeistert. Als die
Familie auf einer gutbürgerlichen Tätigkeit bestand, begann Lubitsch ein
Doppelleben: Buchhalter im elterlichen Betrieb bei Tag, Cabaret-Auftritte in
der Nacht. 1911 ging er zu Max Reinhardt, ab 1913 trat er auch – meist als
vorwitziger Lehrling – in Filmkomödien auf. Seine rasche Popularität
erlaubte ihm die Gründung einer eigenen Filmfirma und den Wechsel zur Regie.
"Schauspieler" blieb er jedoch bis zuletzt: Oft spielte er seinen Akteuren
am Set ganze Szenen selbst vor.
Der Erfolg seiner Komödien verschaffte Lubitsch
Großfilmprojekte, meist mit Pola Negri und Emil Jannings. Die üppigen
Kostümfilme besitzen trotz Massenaufgebot starke, für Lubitsch
charakteristische Momente der Intimität – sein Credo: "meine Filme entopern
und meine historischen Gestalten vermenschlichen". Dies gilt auch für die
musikalischen und komödiantisch-erotischen Filme, die er ab 1923 in den USA
drehte. Es sind – obwohl meist in Europa angesiedelt – Satiren über die
amerikanische Faszination für Sex und Geld.
Bei Paramount entstand in der Folge der größte Teil von
Lubitschs Tonfilmen, hier übernahm er zeitweise auch die Rolle des
Produktionsleiters für das Gesamtstudio. Seine angegriffene Gesundheit
verringert in den 30er Jahren zwar sein Arbeitstempo, doch die Filme mit
Marlene Dietrich (Angel), Gary Cooper (Design for Living),
Greta Garbo (Ninotchka), James Stewart (The Shop Around the Corner)
oder Charles Boyer und Jennifer Jones (Cluny Brown) zeigen noch
einmal – mehr als alles andere im Hollywoodkino – zu welchen Höhenflügen das
"Starsystem" in der Lage war, wenn es sich mit einer herausragenden
künstlerischen Intelligenz hinter der Kamera verbündete. Das Kino von Ernst
Lubitsch ist äußerst bewandert in Dingen der Psychologie, Soziologie und
Politik; es besitzt Romantik, Schärfe und Melancholie; es ist zeitnah und
zeitlos zugleich.
Marlene Dietrich in Angel
Einige Vorstellungen der Stummfilme von Ernst Lubitsch werden
von Gerhard Gruber auf dem Klavier begleitet. Am 14. Dezember präsentiert
Stefan Drössler (Filmmuseum München) in Wien einige besondere Raritäten und
Fragmente aus Lubitschs Werk. Die Retrospektive wird durch den Fachverband
der Film- und Audiovisionsindustrie unterstützt und findet in Partnerschaft
mit der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (Wiesbaden) statt.
Weitere Informationen und Programm:
http://www.filmmuseum.at