Von Schimschi Zahubi
Ein besoffen
umhertorkelnder Rabbi an der Klagemauer, der sich vergeblich bemüht, seinen
Beschwerdebrief in einen Mauerspalt zu klemmen, diesen Anblick kann man bis
heute nicht genießen. Woran mag das liegen? Ein tragender Aspekt in der
Praxis des Judentums ist, die Wünsche und Bedürfnisse des Menschen zu
respektieren. Nach einer Woche der Arbeit ist man verpflichtet, am
Sabbateingang den Segen über den Wein zu sprechen, und infolgedessen einen
guten Tropfen in sich hineinzukippen.
Jeder kennt das Bild
der beiden kräftigen Herren, die sich an einer übergroßen Weintraubenstaude
abschleppen. Das Mitbringsel aus der ersten Erkundung des versprochenen
Landes nach vierzig Jahren Wüstenwanderung. Während des Sederabends zum
Pessachfest ist der Genuss von vier vollen Bechern Wein die Vorschrift.
So ginge die
Aufzählung der Alkoholexzesse im praktizierten Judentum weiter, ohne jedoch
die negativen Folgen eines besoffenen Menschen hervorzurufen. Dies liegt
daran, dass der Weingenuss am Abend vor dem Zubettgehen befohlen wird, wohl,
um das angenehme Gefühl dieser warmen Schwere im weichen Bett auszukosten.
Es liegt eine Absicht dahinter, seine Mitmenschen vor den Betrunkenen zu
schützen.
Gleichzeitig soll der
gläubige Mensch belohnt werden, durch den Genuss der Dinge, die höchste
Empfindungen des guten Daseins hervorrufen.
Alkoholgenuss
außerhalb dieser halbliturgischen Anlässe ist verpönt und sollte an sich,
eben dadurch, dass der Alkoholgenuss vorgeschrieben wird, gar nicht mehr
nötig sein. Beachtet man aber auch noch die Lokalität der Gesetzgebung,
diese warme Ecke im Orient, dann erkennt man alsbald, dass ein Rausch in
Verbindung mit hoher Außentemperatur verheerende Folgen zeitigen kann. Zum
Purimfest kann bis zum Umfallen gesoffen werden, auf Familienfeiern wird
nach dem Alkohol ausgelassen getanzt und gesungen, immer wieder ist
festzustellen, dass es sehr weise Entscheidungen waren, die den Genuss von
Alkohol derart streng geregelt hatten.
Dass es dennoch zu
vereinzelten Alkoholexzessen in Israel kommt, liegt in der Regel an der
mitgebrachten Trinkkultur von frisch eingewanderten Neubürgern. Es bleibt zu
hoffen, dass deren Folgegeneration alsbald begreift, wie dieses
"Rausch"-Gift zur Verbesserung der Lebensqualität einzusetzen ist, um nicht
wie in den ehemaligen Staaten des Ostblocks zu einer alles beherrschenden
Geißel der Gesellschaft zu werden.
So bleibt noch der
weise Zusatz eines gelehrten Mitbürgers zu erwähnen, wonach nur derjenige
zum Rauschmittel zu greifen hat, der den berauschenden Effekt eines
gottesfürchtigen Lebens nach den Worten der Heiligen Schrift bis zuletzt
nicht verstanden hat.
Wegen Ärgers zum
Alkohol zu greifen, kann man tunlichst bleiben lassen, denn zur Erbauung des
gestressten Mitmenschen gibt es die Lektüre der Heiligen Schrift und die
klugen Worte ihrer vielen Kommentatoren.