Als der Albtraum begann
Im Oktober 1994, eines Morgens, vor 10 Jahren, erwachte Israel in eine
völlig neue Realität. Ein Selbstmordattentäter, der sich in dem Bus Nr. 5 in
Tel Aviv in die Luft sprengte, tötete 22 Menschen und versetzte den ganzen
Staat in einen Schockzustand. Schulen wurden geschlossen, eine Woche lang
waren im Radio nur traurige Lieder zu hören.
Dieser Anschlag, gemeinsam mit den Anschlägen in Hadera und Afula, die
ihm vorausgegangen waren, bildeten den Startschuss für eine lange Kette von
Selbstmordanschlägen in Bussen, die bis heute andauert.
As a result of a terror bomb at
Dizengoff
Center, Tel Aviv, on March 4, 1996, at which he found himself as a
passerby unexpectedly taking pictures, art-photographer Yoel Harel has
returned to journalistic photography...
Ja, es ist schon zehn Jahre her, dass der erste Anschlag auf einen Bus im
Stadtzentrum tagelang die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich konzentriert
hat, und in Jedioth achronoth fragt Jael Gewirtz sich und ihre Leser, wann
wir das Gefühl verloren haben.
Damals fühlten wir mit den Opfern, als wären sie unsere eigenen
Angehörigen. Zahlreiche Bürger strömten in die Krankenhäuser, um die
Verletzten zu besuchen. Kinder schrieben ihnen Genesungskarten. Der
Staatspräsident, der Ministerpräsident, Minister – sie alle eilten an die
Krankenlager.
Seither gab es Hunderte Anschläge. Unzählige Tote und Verletzte. Ganze
Familien wurden ausgelöscht. Wer weiß, wer erinnert sich, wen kümmert es?
Ich erinnere mich sogar an Tage mit zwei direkt aufeinanderfolgenden
Anschlägen. Berichte mit den Namen der Opfer. Die Sendungen kamen zwischen
den Berichten über die Anschläge kaum zum Verschnaufen.
Für die persönliche Katastrophe, das familiäre Unglück blieb kein Raum mehr.
Das Mitgefühl ist verschwunden, immer weiter weg.
Es ist schwer zu sagen, wann genau wir dieses Mitgefühl verloren haben.
Seit wann der Schmerz zu einer undefinierten Information wurde. Wann wir
aufgehört haben zu empfinden, was sich nicht mehr ausdrücken lässt. Wann und
wie wir uns mit dem unerträglichen Begriff "Anschlagsroutine" abgefunden
haben.
Psychologen neigen dazu zu sagen, der beste Weg, sich mit einem Trauma
auseinanderzusetzen, sei es, zum Ort des Geschehens zurückzukehren. Wir sind
zurückgekehrt, unfreiwillig, von Anschlag zu Anschlag, von Rache zu Rache.
Und anstatt das Trauma zu bewältigen, hat das Trauma unsere Gefühle
überwältigt.
Es hat sie zermalmt, in Blut versenkt. Nur ein einzelner Anschlag, der einen
ganz besonderen Platz einnimmt, wie der vor zehn Jahren auf der
Dizengoff-Straße, kann in uns noch die im Gedächtnis verborgenen Gefühle
wachrütteln. Er erinnert uns nicht an die Opfer, jedoch zumindest daran, was
wir einmal waren. Die traurigen Bürger eines trauernden, jedoch
lebenswilligen Landes.
Bilder vom Terror
April 1994