Muhammad Salmawy:
Der Walser of Arabia
Muhammad Salmawy, Chefredakteur der
ägyptischen al-Ahram Hebdo, gibt sich aufgeklärt. Doch sein Weltbild ist
antisemitisch.
Von Götz Nordbruch
Jungle World 44 v.
20.10.2004
Die Kritik an der Hamas war deutlich: Sie benachteilige
die Frau in der palästinensischen Gesellschaft. Immer wieder hatte Sheikh
Ahmed Yassin, der ehemalige "geistige Führer" der Hamas, darauf hingewiesen,
dass eine Beteiligung von Frauen am bewaffneten Kampf gegen die israelische
Besatzung ausgeschlossen sei.
Aber ist eine Frau weniger nationalistisch als ein Mann?
Zeigt nicht schon ein Blick in die Geschichte des Islam, dass Frauen immer
wieder am Jihad teilnahmen und derart die Sache des Islam zu verteidigen
glaubten?
Muhammad Salmawy hält seine Kritik an der Hamas nicht zurück
und er tritt auch keineswegs wie ein religiöser Fanatiker auf. Als
Chefredakteur der französischsprachigen Wochenzeitung al-Ahram Hebdo und
international renommierter Literatur- und Filmkritiker brilliert er im
Gespräch mit Studenten der Amerikanischen Universität in Kairo genauso wie
auf Konferenzen in Paris. Die Académie Française nominierte ihn sogar für
die Grande Médaille de la Francophonie, eine der höchsten kulturellen
Auszeichnungen Frankreichs. Anfang Oktober schließlich eröffnete er, der als
Privatsekretär des ägyptischen Literaturnobelpreisträgers Nagib Mahfus tätig
ist, die diesjährige Frankfurter Buchmesse. In dessen Namen hielt er an der
Seite von Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Rede, in der der Humanismus
und die Liebe zum Leben in der arabischen Kultur gerühmt wurden.
Konnte man wissen, mit wem man es zu tun hat? Vor der
Buchmesse wurden immer wieder Bedenken laut, die dortigen Veranstaltungen
könnten von militanten Islamisten zur Selbstdarstellung missbraucht werden.
Die kulturalistische Identifikation von Islam und Terror und die
verzweifelte Suche nach Partnern für einen Dialog der Kulturen hat
allerdings fatale Auswirkungen. Muslime werden unter Generalverdacht
gestellt und der Wahnsinn, der von anderen gesellschaftlichen Gruppen
produziert wird, wird ignoriert.
Salmawys Teilnahme an der Buchmesse ist ein Beispiel dafür.
Sein Auftreten und seine öffentliche Abgrenzung von Islamisten machen ihn zu
einem akzeptablen Gesprächspartner, von dessen Überzeugungen man sich nicht
distanzieren zu müssen glaubt. Selbst seine leidenschaftlichen Berichte über
die palästinensische Selbstmordattentäterin Wafa Idriss, die im Januar 2002
einen 81jährigen Mann im Westteil Jerusalems ermordete, geraten ihm zu einer
Kritik des islamistischen Frauenbildes.
Wiederholt pries er in seinen Artikeln die Bereitschaft der
damals 28jährigen, im "Widerstand" zu sterben. "Wafa Idriss gehörte nicht
zur Hamas und trug keinen Schleier, aber sie war nicht weniger islamisch als
die Vorbilder aus der islamischen Geschichte. Selbstmordanschläge gehören
genauso wie der Boykott amerikanischer Produkte zu den Mitteln des
Widerstandes gegen die israelische Politik."
Trotz aller Distanzierungsversuche trifft sich Salmawys
Denken noch in weiteren Punkten mit den Vorstellungen, die islamistische
Bewegungen jeglicher Couleur propagieren. "Die Judaisierung der Erinnerung
ist gefährlicher als die Judaisierung des Landes", schrieb der Chefredakteur
in einem seiner zahlreichen Kommentare, in denen er eine jüdische
Verschwörung ausgemacht haben will. Angebliche Geschichtsfälschungen und
Manipulationen in den Medien und in der Justiz gehörten zum groß angelegten
Feldzug der Juden gegen Europa und die USA – so der Tenor. Der Holocaust, so
behauptete er wiederholt mit Hinweis auf David Irving, Roger Garaudy und
Norman Finkelstein, werde von den Juden instrumentalisiert, um die Welt
auszubeuten und von den Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung
abzulenken. Ob die Bitte von Johannes Rau um Vergebung in der israelischen
Knesset, die Lewinsky-Affäre in den USA oder die jährliche Verleihung der
Nobelpreise – immer intrigierten die Juden und erzwängen eine Unterwerfung
der westlichen Welt unter die Interessen Israels.
Mit diesen Ansichten steht Mahfus' Vertrauter in der
säkularen, nationalistischen arabischen Öffentlichkeit nicht allein. Unter
den zahlreichen offiziellen Gästen der Buchmesse fand sich auch Anis
Mansour, der ebenso wie Salmawy mit islamistischen Bewegungen nichts zu tun
hat. Der ägyptische Kolumnist, der als Institution der arabischen Medienwelt
gilt und dessen Artikel und Kommentare in verschiedenen arabischen Zeitungen
publiziert werden, spricht fließend Deutsch und hat neben verschiedenen
Erzählungen auch die Erinnerungen des deutschen Wehrmachtsgenerals Erwin
Rommel ins Arabische übertragen.
Ähnlich wie Salmawy ist auch Mansour eine Persönlichkeit mit
Ausstrahlung. Als Berater des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Anwar
al-Sadat war er nicht unwesentlich am Abschluss der Verträge von Camp David
beteiligt. Im Frühjahr dieses Jahres wendete er sich mit einem ebenso
unüblichen wie eindringlichen Appell an Yassir Arafat, endlich mit Israel
Verhandlungen aufzunehmen, um eine Verschärfung des arabisch-israelischen
Konflikts zu vermeiden.
Dennoch pflegt auch er die Wahnvorstellung, die Juden seien
das verkörperte Böse und die eigentliche Triebkraft der Geschichte.
"Megalomanie" und der Wunsch, an die "Lenkräder der Herrschaft in den USA
und Europa" zu gelangen, kennzeichne die Politik nicht nur der israelischen
Regierung, sondern sei typisch für die Mehrzahl der Juden überhaupt.
Die nationalsozialistische Geschichte ist auch für ihn immer
wieder ein Thema. Ähnlich wie andere arabische Beobachter nahm auch Mansour
in den letzten Jahren mit spürbarer Erleichterung eine neue Unbeschwertheit
im Umgang der deutschen Öffentlichkeit mit dem Nationalsozialismus wahr. So
berichtete er in einem Kommentar für die der Regierung nahe stehende
Tageszeitung al-Ahram über Jörg Friedrichs Studie "Der Brand". Das Buch gilt
ihm als Auftakt zu einer Diskussion um deutsches Leid und alliierte
Kriegsverbrechen. Die Darstellung zeige, dass "Churchill schlimmer war als
Hitler".
Nicht überraschend sind auch seine anerkennenden Äußerungen
über die Filmemacherin Leni Riefenstahl. Anlässlich ihres 100. Geburtstages
pries er ihre "künstlerische" Leistung. Trotz ihrer Bekanntschaft mit Hitler
habe sie sich stets fern der Politik bewegt. Ihre Werke zu verleugnen, sei
ein Fehler, den das "große deutsche Volk" leider begehe.
Interessant sind auch die Ausführungen des Leiters des
Manuskript-Museums der Bibliothek Alexandria, Youssef Ziedan, der in
Frankfurt die Aufsicht des Pavillons der Bibliothek übernehmen sollte. Er
geriet im Herbst 2003 in die Schlagzeilen, nachdem eine ägyptische
Wochenzeitung von einem Exemplar der "Protokolle der Weisen von Zion" in
einem Schaukasten der Bibliothek berichtet hatte. Die Zeitung al-Usbua
zitierte Ziedan damals mit den Worten, die Protokolle seien "den
zionistischen Juden vielleicht wichtiger als die Thora".
Nach Berichten in internationalen Medien entschuldigte sich
die Leitung der Bibliothek für die Ausstellung des Buches. In verschiedenen
Stellungnahmen warf Ziedan der al-Usbua vor, seine Aussagen entstellt und
verzerrt zu haben, und erklärte, dass es sich bei den Protokollen
selbstverständlich um eine Fälschung handele. Allerdings finden sich auf
seiner Homepage unter der Rubrik "Judaica" zahlreiche Artikel, in denen die
Theorie einer jüdischen Verschwörung in moderner Form wiedergegeben wird. In
einem mehrteiligen Beitrag zur "kulturellen Konfrontation mit Israel", der
ebenso wie die Artikel Mansours und Salmawys in der Tageszeitung al-Ahram
erschien, "entlarvt" Ziedan die israelische Sängerin Dana International als
Beteiligte an einer vermeintlichen jüdischen Unterwanderung der arabischen
Kultur. Von der transsexuellen Sängerin geht ihm zufolge die Gefahr einer
"Verwandlung" aus, die mit der postmodernen Kultur des Westens einhergehe.
Die Transformation der "authentischen" arabischen Kultur ist seiner Ansicht
nach die größte Bedrohung, die von jüdisch-zionistischen Medien und
Künstlern ausgehe.
Die Nähe zum politischen Mainstream in Ägypten ist diesen
Personen gemeinsam. Dass gerade Intellektuelle wie Mahfus oder der Leiter
der Bibliothek von Alexandria, Ismail Serageldin, die in der Vergangenheit
im arabisch-israelischen Konflikt vermittelnd wirkten und sich wiederholt
auch öffentlich kritisch zu den Entwicklungen in arabischen Ländern
äußerten, mit Leuten wie Salmawy und Ziedan zusammenarbeiten, mag
überraschen. Doch gerade in der Naivität, mit der die Einladung von Personen
wie Salmawy von den Organisatoren der Buchmesse gerechtfertigt wurde, zeigt
sich die Verkürztheit des Blicks auf die öffentlichen Auseinandersetzungen
um den Nahen Osten.
Vor sechs Jahren hielt ein Schriftsteller nicht weit vom
Frankfurter Messegelände eine Rede, deren zentrale Botschaft in den
Kommentaren Salmawys und Mansours widerhallt. "Zitternd vor Kühnheit",
formulierte Martin Walser seine Thesen vor einem Publikum, das schon damals
den Skandal, der aus der Mitte kommt, nicht wahrhaben wollte.
Proteste zur Frankfurter Buchmesse:
Regime Change statt
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Presseerklärung der Veranstalter und
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Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2004...
Keine Berührungsängste:
Holocaustleugner eröffnet
Buchmesse in Frankfurt
Salmawy, Herausgeber der französischsprachigen
staatseigenen ägyptischen Zeitung Al Ahram Hebdo, ist seit Jahren dafür
bekannt, den Holocaust zu leugnen und Selbstmordattentate in Israel zu
verherrlichen...
Frankfurter Buchmesse:
Schmökern
gegen Israel
Mit der Einladung der arabischen Welt als kultureller Gastregion
schreibt die Frankfurter Buchmesse 2004 ein weiteres Kapitel ins
Schwarzbuch deutsch-arabischer Verständigung. Denn verständigen kann man
sich vor allem auf eines: den Feind Israel...
Frankfurter Buchmesse:
Meister der
Zweideutigkeiten
Der umstrittene Islamwissenschaftler Tariq
Ramadan zu Gast in Frankfurt...
Frankfurter Buchmesse:
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Klischees
In der arabischen Welt streitet man darüber,
wie repräsentativ die Kultur ist, die auf der Buchmesse in Frankfurt am
Main vorgestellt wird... |
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21-10-2004 |