Kärnten:
Ein Abend mit Nazis
Die
rechtsextreme "Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik" tagte in
Kärnten. Die Politiker waren hilflos, die Medien wenigstens dabei.
Von Bernhard Torsch
"Ich würde viel lieber über
Stadtentwicklung reden", seufzt Robert Strießnig, der sozialdemokratische
Bürgermeister von Feldkirchen in Kärnten, in sein Bierglas. Resigniert
blickt er aus dem Fenster eines Lokals, das sich gegenüber dem Hotel
"Germann" befindet, auf die Gendarmen, die das dort stattfindende Treffen
der rechtsextremen "Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik" (AFP) vor
rund 200 wütenden Demonstranten schützen.
"Nazis raus, Nazis raus",
skandieren die vorwiegend jungen Antifaschisten lautstark am Abend des 15.
Oktober, dem Beginn der AFP-Veranstaltung. Das hat die
10.000-Einwohner-Stadt noch nicht erlebt, das hätte man dort auch lieber nie
erlebt. "Tourismuswerbung ist das keine", erkennt der Regionalpolitiker.
Niemand will dafür verantwortlich
sein, dass die hochrangigen Neonazis in Kärnten einen Kongress abhalten
können. Bürgermeister, Bezirkshauptmannschaft, Exekutive,
Staatsanwaltschaft, sogar der Landeshauptmann - zwar distanziere man sich
ausdrücklich von dem Treffen, aber man habe einfach keine rechtliche
Handhabe gegen die AFP, tönte es unisono. Erst jetzt will das Amt für
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Ermittlungen einleiten, haben
doch die Journalisten des Kärntner Büros der Austria Presse Agentur, die
sich trotz polizeilicher Absperrung und Skinhead-Saalschutz unter die Neo-
und Immernoch-Nazis mischen konnten, die faschistoiden und antisemitischen
Absonderungen der "Kameraden" öffentlich gemacht.
In der Gaststube des Hotels
Germann erlebten die Agenturjournalisten eine Zeitreise in den rassistischen
Wahn. Während die aus Deutschland angereisten Extremisten aggressiv klar
machten, dass sie "mit der verjudeten Presse nicht reden", machten ihre
Österreichischen Kameraden aus ihren Herzen keine Mördergruben und
schwadronierten munter vom "ewigen Juden", der "ausgemerzt" gehöre, vom
"verjudeten Amerika", das "den Dritten Weltkrieg" beginnen wolle und von
"soldatischer Ehre und Pflichterfüllung". Der steirische Altnazi Herbert
Schweiger, dessen Manifest "Deutschlands neue Idee" die Attraktion des
Abends war, suchte aktiv das Gespräch mit der Presse und legte seine Sicht
der Dinge dar.
"Die Juden haben ja beim 11.
September ihre Hände im Spiel gehabt", verbreitete der mehrfach wegen
Wiederbetätigung Vorbestrafte absurde Verschwörungstheorien. Je mehr Wein
der ehemalige Freiwillige in der SS-Leibstandarte Adolf Hitler" intus hatte,
desto tiefer gewährte er Einblick in sein ideologisches Wahngebäude. Nur
eine "großrassige Zusammenarbeit der weißen Völker" könne die Welt vor der
Unterjochung durch "Amerika und Israel" retten, die "Zinsknechtschaft"
gehöre abgeschafft und die "biologische Substanz des deutschen Volkes" müsse
um jeden Preis erhalten werden. Und wieder und immer wieder die Warnung vor
"dem ewigen Juden", der sein "parasitäres Unwesen" treibe. Stundenlang
erbrach der 80-jährige Faschist solcherlei Unsäglichkeiten, sekundiert von
seinen Fans, die ihm an den Lippen hingen, als wollten sie ihn küssen.
Das "Manifest", erschienen im
Nazi-Verlag "Volk in Bewegung", ist eine wirre Ansammlung von
wirtschaftspolitischer Ordinärtheorie und rassistischem Unsinn. Die neuen
Nazis bejubeln das Machwerk als "hochinteressante Lektüre für den an Theorie
interessierten Aktivisten". Auf dem Buchumschlag sieht man die Umrisse
Eurasiens, über die die Statue eines nackten germanischen Kriegers wacht.
Nazismus und unterdrückte Homosexualität in Reinkultur.
Zurück zum Faschisten-Treffen.
Eine absurde Zwischeneinlage lieferte der Betreiber eines Feldkirchner
Bordells, der die AFP-Leute empört darauf hinwies, dass ihr Treiben "den Ruf
der Stadt" und damit sein Geschäft schädige, welches, das nur am Rande,
ohnehin kürzlich durch einen Grantwerferangriff in Mitleidenschaft gezogen
worden war. Als die Journalisten, denen ob der massiven Konfrontation mit
menschenverachtender Ideologie die Köpfe brummten, das Hotel verließen,
wurden sie beinahe von einer Gruppe von "Antifaschisten" zusammengeschlagen,
da diese sie für Nazis hielten. "Auf solche Treffen können wir verzichten",
meint Bürgermeister Strießnig. Wir auch.
Für alle, die es nicht wissen:
Die AFP ist einer der militantesten Arme des neonazistischen Untergrunds mit
Verbindungen zu Terrorgruppen wie der "Nationalistischen Front" oder der
"Wehrsportgruppe Süd", bei denen Waffenlager ausgehoben wurden, mit denen
ganze Garnisonen versorgt werden hätten können. Seit Jahrzehnten liefert die
AFP die ideologische Unterfütterung der Alt- und Neunazis, indem sie
regelmäßig Symposien abhält und eine einschlägige Schriftreihe herausgibt
("Kommentare zum Zeitgeschehen"). Nach dem jüngsten Treffen ermitteln nun
endlich die Staatspolizei und das Amt für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung gegen die "Kameraden".
Ein Nachspiel hat die Sache auch
für das Hotel Germann, das den Neonazis so bereitwillig Quartier gab: Das
Gästebuch auf der Internetseite des Lokals wurde mit dermaßen vielen
Protestmails überschwemmt, das es vom Netz genommen werden musste.
hagalil.com
19-10-2004 |