"Es ist nicht leicht und nicht angenehm in diese tiefe
Abscheulichkeit hineinzuschauen, aber ich glaube wir müssen es tun, denn was
immer gestern geschehen konnte, kann wieder morgen geschehen, vielleicht uns
oder unseren Kindern."
Primo Levi
Nobelpreis für Elfriede Jelinek:
In die "Neue Kronenzeitung" hineingeschaut
Von Karl Pfeifer
Es ist wirklich nicht leicht und angenehm, die Neue
Kronenzeitung (NKZ) zu lesen. Auch dann nicht, wenn sie in letzter Zeit auf
expliziten Antisemitismus im großen und ganzen verzichtet und wenn ihr
Herausgeber Hans Dichand vom Wiener Rabbiner Prof. Jacob I. Biderman
(Chabad) zu Rosch Haschana die Zusicherung seiner "Verbundenheit" erhielt,
die er in Faksimile in der NKZ am 19. September veröffentlichte.
Ein paar Wochen später geschah etwas, was der NKZ peinlich
war, die stets von ihr geschmähte Schriftstellerin Elfriede Jelinek erhielt
den Nobelpreis für Literatur. Zunächst gab es da in der Muthgasse eine
Schreckminute, dann aber hat man doch beschlossen, eine kleine Meldung auf
der ersten Seite zu bringen. Die steirische Ausgabe der NKZ hingegen titelte
groß "Obersteirerin erhielt Nobelpreis", wurde doch Elfriede Jelinek in der
Steirermark geboren.
Elfriede Jelinek schrieb in einem langen 2003 in
juedische.at publizierten Artikel u.a. über die mangelnde Hilfe der
österreichischen Bundesregierung an die mit finanziellen Schwierigkeiten
kämpfende jüdischen Gemeinde Wien:
"Das jüdische Leben soll sich entfalten, nachdem es einst
zusammengefaltet, zerknüllt und weggeschmissen worden ist. Die Lebenden
gleich hinterher. Entweder ausgelöscht oder weggeschmissen. Bitte, beides
hat sich prinzipiell bewährt, außer wenn einer von den Weggeschmissenen
später einen Nobelpreis bekommt, dann wollen wir ihn natürlich wiederhaben,
der darf, den zerren wir dann aus dem Müll der Geschichte wieder hervor, auf
den wir ihn damals geworfen haben. Auf dieser Halde müssen wir viel im Dreck
wühlen."
Sie kritisiert damit, wie Österreich nach dem "Anschluss"
weggejagte Menschen, die Nobelpreisgewinner geworden sind, wieder
"verösterreichert", ja wie man in Wien den 1905 in Russe, Bulgarien
geborenen britischen Staatsbürger Elias Canetti, der nie ein Österreicher
war, einen "Österreicher" machte.
Doch die NKZ wäre nicht das was sie ist, wenn sie zur
österreichischen Nobelpreisträgerin schweigen würde. Sie ließ am 10.10.04
ihren Haus- und Hofpoeten Wolf Martin folgendes "Gedicht" zusammenbrauen:
"Stets sah Elfriede Jelinek
in Österreich den letzten Dreck
Doch jetzt ist dieser stolz auf sie
Verstört sie das nicht irgendwie?"
Hans Dichand ist ein feiner Herr, lesen wir also
was er in der Rubrik "Briefe an den Herausgeber" "zum Nobelpreis der Frau
Jelinek" veröffentlicht:
"Liebes, armes Österreich –
du kannst nichts dafür!
Dr. Wolfgang Kiesl, Graz
Reaktionen auf Jelinek
Die heutige Zeit:
Ihr Pegasus ist hassbeflügelt,
ihr Geist nur Mist ausklügelt.
Oh Menschheit, was ist bloß
aus dir geworden?
In dieser Endzeit voll mit
Wort- und echten
Morden!
Edda Liner, per E-Mail
Der Preis
Es ist doch wirklich wie
verhext:
Wer Österreich beschimpft,
bekleckst,
bekommt – wie man
inzwischen weiß -
im "hohen Norden" einen
Preis!
Die Chancen sind auch
riesengroß,
geht man mit Hass auf
Männer los!
Nun denn, Poeten, schickt
euch an,
und prangert scharf die
Heimat an.
Vergesst nicht auf charmante
Weise anzuführn das
Wörtchen "Sch..."!
Schon werdet ihr geliebt –
wen wurdert's
seid doch die "Dichter des
Jahrhunderts"!
Willibald Zach, Krems"
Diese hasserfüllte Tonart der NKZ stört die
verschiedenen geistliche Würdenträger genauso wenig, wie die Tatsache, dass
in der "Neuen Kronenzeitung" Prostitution seitenlang beworben wird.
Die "Neue Kronenzeitung" bleibt, auch wenn
Würdenträger verschiedener Religionen und verschiedener Parteien sich um
einen Segen und Unterstützung von Herausgeber Hans Dichand bemühen, das
Zentralorgan der Gegenaufklärung und des hasserfüllten Kleingeists in
Österreich.
Es geht auch anders
Eine andere Haltung nimmt die zweitgrößte Wiener
Tageszeitung "Kurier" ein, da können wir am 10.10.04 einen Artikel "Rote
Karte für Rassisten am Fußballplatz" lesen und eine kleine Dokumentation
über "Rassismus in Österreichs Stadien". Ein Auszug aus dem FairPlay-Report
über Vorfälle der letzten Zeit:
1. August 2004
In der Nacht vor dem Wiener Derby Austria gegen Rapid sprühen Unbekannte
"Franz Strohsack Synagoge" auf die Westtribüne des Horr-Stadions.
Während des Spiels kommt es zu antisemitischen Bekundungen: "Judenschweine"
und "Wir bauen eine U-Bahn von hier bis nach Auschwitz"! ist von einer
Gruppe Rapid-Anhänger zu hören.
12. August 2004
Beim UEFA-Cup Spiel GAK gegen Ajax Amsterdam sind aus den Sektoren 24 und 25
Sieg-Heil-Rufen einiger GAK-Fans zu hören.
Florian Plavec berichtet im oben genannten
Artikel, dass sich die Lage in den letzten Jahren ein wenig gebessert hat,
dennoch gibt es noch genug zu tun. "Nicht nur in Ländern wie Polen oder
Ungarn, in denen es regelmäßig offene Formen von Rassismus in den Stadien
gibt, sondern auch hier in Österreich." Siehe auch
www.farenet.org.
hagalil.com
10-10-2004 |