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Von neuen Selbstbewusstsein der liberalen jüdischen Gemeinden
Lateinamerikas:
Sternstunden in Brasilienvon Charles Steiman
(Rio de Janeiro)
Nord und Süd, Vergangenheit und Gegenwart, Erfolge und Perspektiven
kamen in Säo Paulo zwischen dem 29. April und 2. Mai 2004 bei der
"Conference of Jewish Communities of the Americas" zusammen: zu kreativer
Zusammenarbeit, Erfahrungsaustausch, geistiger Begegnung, zu Gebet und
Feiern.
Über 350 Gemeindenvertreter zahlreicher südamerikanischen Länder trafen
sich in der brasilianischen Metropole mit dem Vorsatz, sich von den
Delegierten der World Union for progressive Judaism aus Israel und den USA
inspirieren zu lassen, sich mit Gleichgesinnten aus fünfzig Gemeinden
auszutauschen, um die Zusammenarbeit mit der Union zu intensivieren und ein
Netzwerk in der Region zu bilden.
Das Ergebnis allerdings geriet im besten Sinne außer Kontrolle und schoss
zur Überraschung aller weit übers Ziel hinaus: Nicht nur dass die
engagierten und hochmotivierten Teilnehmer den WUPJ-Repräsentanten bewiesen,
wie lebendig, einzigartig und kreativ im "Süden" gearbeitet wird, um
regionale Probleme zu lösen - es wurde den Gemeindevertretern auch klar, wie
wichtig die Zusammenarbeit im Netzwerk ist, um die eigene Bindung zum
Judentum und zu Israel zu verstärken und weiterzuentwickeln.
"There
was electricity in the air", resümierte WUPJ-Direktor Uri Regev
Emotionaler Höhepunkt des von Miriam Vasserman sorgfältig
abgestimmten und in schönster Harmonie verlaufenden Tagungsprogramms
war die Übergabe eines aus Nazi-Deutschland geretteten
Sefer Torah, das die 1936 gegründete Israelitische Liberalen Gemeinde von
Säo Paulo "CIP" an die WUPJ überreichte, um diese Torah rolle der die 1997
gegründete Jüdischen Gemeinde Bad Pyrmont zur Verfügung zu stellen. Die
historische jüdische Gemeinde von Bad Pyrmont wurde in der Schoa vernichtet;
heute sind es 135 Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion, die für die
Erneuerung jüdischen Lebens im niedersächsischen Kurort stehen.
Vergangenheit und Gegenwart trafen aufeinander, als Rabbiner Henry I. Sobel
während des Kabalat-Schabbat-Gottesdienstes die Torahrolle in die Arme von
WUPJ-Vizepräsident ]e/ry Tannenbaum legte.
Noch
einmal, wie schon in vergangenen Jahren bei kleineren Konferenzen in
Lateinamerika, wurde bestätigt, dass sich das liberale Judentum im diesen
Teil der Welt kräftig entwickelt und auch wichtige Wurzeln geschlagen hat.
Und Südamerika bietet für das Judentum viele Bezugspunkte-im Nordosten
Brasiliens wurde in Recife die erste jüdische Gemeinde der Neuen Welt im 16.
Jahrhundert von holländischen Juden gegründet, die später New Amsterdam bzw.
New York gegründeten. Nach Brasilien wurden auch zwei von Lady Montague
(1873-1963) unterstützte Emissäre geschickt, erst Rabbiner Dr. Fritz
(Federico) Pinkuss und dann
1942 Rabbiner Dr. Heinrich (Henrique) Lernte, beide Absolventen der
Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums - und aus dieser
Initiative sind die zwei größten jüdischen Gemeinden in Südamerika
entstanden: die "Congregacao Israelita Paulista" in Säo Paulo, die
zweitausend Familien zählt, und die "Asso-ciacäo Religiosa Israelita" in Rio
de Janeiro mit gut tausend Familien.
Wenn
man bei dieser Konferenz gewesen ist, braucht man sich um die Aussichten gar
keine Sorgen machen. Auch die Jugend wurde u. a. durch Netzer Olami und
Chasith haNoar vertreten und haben großes Engagement bewiesen.
25 Rabbiner und auch die erste Gemeinde-Rabbinerin von Lateinamerika, Sandra
Kochmann von der "ARI", haben den Teilnehmern geistigen Beistand und
spirituelle Förderung vermittelt. "There was electricity in the air",
resümierte WUPJ-Direktor Uri Regev.
Die WUPJ-Führung, Rabbiner Uri Regev, Rabbiner JoelOseran und Jerry
Tannenbaum, war über Teilnehmerzahl und Tagungsverlauf sichtlich erstaunt
und ließ ihrer Begeisterung freien Lauf - ein wichtiger Schritt hin zur
Kenntnis und zur Anerkennung der Stärken des Südens. Lateinamerika kann mit
seiner besonderen Problematik und seiner speziellen Art, diese Probleme zu
lösen, definitiv zum weiteren Wachstum der World Union for Progressive
Judaism und ihrer "Abrangencia" beitragen. 2005 ist dann Buenos Aires
Gastgeberin der Regionalkonferenz "Untilthen. We hopeto Start a culture of
acceptance for Liberal Judaism and things that Latin American chauvivism
rejects, like the opening for women in rites that were once exclusive to
men", sagt Miriam Vasserman, die WUPJ-Repräsentantin für/in Südamerika.
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22-08-2004 |
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