Von Sch. Zahubi, Haifa
Der Versuch, etwas Klezmerkultur in Zefat wiederaufleben zu lassen,
ist nicht ganz daneben gegangen. Im polnischen Vorkriegsjudentum gab es
nicht immer Grund zur Freude. Die drückende Armut, der Antisemitismus,
Krankheiten, das vergebliche Warten auf den Messias, alles sorgte für
gedrückte Stimmung. Plötzlich ertönten Geigen- und Flötenklänge, die
Klezmorim waren im Ort, und eine kurze Zeit lang wurde der triste Alltag
vergessen.
Drei Tage lang war die nordisraelische Stadt Zefat in eben diesem
Ausnahmezustand. Es waren nicht nur die Klänge von Fidel und Flöte,
Ziehharmonika und Gesang zu hören, es war eine Form des Weckrufes aus der
Lethargie des frommen Alltages. Gleichwohl titulierte man diese
Veranstaltung "Klezmertage in Zefat" und lag nicht völlig falsch. Denn
Klezmer heißt in der Übersetzung nichts weiter als "Musikinstrumente". Aus
den Gassen der Altstadt ertönten verstärkte Israelpopklänge, zwischen den
Menschenmassen, den niedrigen Häusern, den Verkaufsständen und den
Synagogen.
Jedes Jahr um diese Zeit, gegen Mitte August, wird die Hochburg der
jüdischen Mythologie aus dem Schlaf gerissen. Die Künstler machen
Überstunden, um den Besuchern ihre Werke anzubieten. Denn, Künstler gab es
immer in Zefat. Neben den Orthodoxen genießen sie die Lage in den Hügeln des
Nordgalil und, bis auf wenige Ausnahmetage, die Abgeschiedenheit und Ruhe
dieses Ortes. Die Werke der Künstler von Zefat, hauptsächlich Gemälde und
Skulpturen, vereinzelt kümmern sich Dichter um das Auffüllen ihrer Zeilen
und noch seltener sind es Musikanten, die aus der Atmosphäre dieses Ortes
Kapital zu schlagen versuchen, finden in dieser Unruhe eher selten ihre
Liebhaber.
Auf einer aufbereiteten Bühne bestrahlen Hochenergielampen eine Gruppe
von Musikanten und etwa acht schrecklich bunt gekleidete Sängerinnen. Der
Kranarm schwenkt die Fernsehkamera, daneben flimmert das gesendete Bild über
eine Riesenleinwand. Die Sängerinnen hüpfen beinahe synchron, aus den
Verstärkern knallt die Musik. Vor der Bühne stauen sich die Massen auf
weißen Kunststoffstühlen, dahinter stehen dicht gedrängt glückliche Israelis
- die unglücklichen werden von den Sicherheitsleuten vor der Zugangsschranke
zurückgewiesen, doch dem akustischen Genuss entgehen sie dennoch nicht.
Jedes Jahr, gegen Mitte August also, findet dieser fröhliche Kampf statt.
Gekämpft wird um Stehplätze,P arkplätze, Sitzplätze und schließlich um einen
guten Platz im Stau zurück nach Hause. Für die Kinder gibt es Süßigkeiten
und Spielsachen. Für die Geschäftsleute einen Verkaufsstand, für die
Musikfreunde die Suche nach angenehmen Klängen - und, wirklich, zuweilen
kann man einen virtuos geführten Bogen über einen Geigenkörper sägen hören.
Dazwischen, unter den Massen der Besucher, völlig entgeistert, einige
Orthodoxe Ortsansässige, die gequält versuchen, dem Anblick von freigelegten
Mädchenbäuchen zu entkommen und an der Hand den Sohn hinter sich herziehen,
neben sich das Eheweib mit dem Kinderwagen, der sich kaum vorwärts rollen
lässt. Die Enge der Gassen und die Dichte der Massen, das eine kann das
andere kaum fassen. Mag man es ein israelisches "Oktoberfest" nennen, oder
ein koscheres Woodstock, es ist auf jedem Fall lohnend, sich dieses
Spektakel anzusehen.