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Als Folge der Terror-Anschläge:
Israels Chirurgen sind Experten für Explosions-Opfer-Behandlung

von Ulrike Putz, kh-jornal (pdf)

Sirenen, schreiende Verletzte, panische Angehörige: Minuten nach jedem Terroranschlag bricht im Jerusalemer Hadassah-Hospital die Hölle los. Krankenwagen liefern Dutzende Anschlagopfer an, die Notfall-Ärzte arbeiten unter Hochdruck. Der Bombenterror der Intifada hat sie zu Experten für Explosionsverletzungen gemacht.

Jerusalem – „Pigua!" Bei diesem Wort lässt Yoram Weiss alles stehen und liegen. Minuten, nachdem im Radio aufgeregte Moderatoren das hebräische Wort für Terroranschlag hervorstießen, Minuten, nachdem per SMS die Nachricht auf Handys im ganzen Land verschickt wurde, sitzt der Anästhesist in seinem Auto und rast nach Ein Kerem. Hier im Westen Jerusalems liegt das Hadassah-Hospital, Weiss’ Arbeitsstätte. Hier werden Israels Terroropfer behandelt, hierher werden sie mit jaulenden Sirenen auch an diesem Morgen gebracht, an dem ein Selbstmordattentäter einen Bus in die Luft sprengte.

Fast immer kommt Weiss nur kurz vor den ersten Schwerverletzten in der Klinik an – Israel ist ein kleines Land, und so bringen Hubschrauber und Krankenwagen die Verletzten extrem schnell ins Krankenhaus.

„Wenn ich eintreffe, ist die Notaufnahme bereits komplett geräumt, alle unwichtigen Operationen wurden abgebrochen, die OPs neu vorbereitet. Minütlich treffen Ärzte und Schwestern ein und versammeln sich vor der Tür der Notaufnahme. Dann kommen die Schwerstverletzten. 50, 60 Menschen mit schrecklichen Wunden, abgerissenen Gliedern, Nägeln und Schrapnell im Körper", beschreibt Yoram Weiss die Ausnahmesituation, die im Hadassah-Hospital zur traurigen Routine geworden ist – in den vergangenen dreieinhalb Jahren der Intifada gab es Dutzende Selbstmordanschläge und mehr als 2400 Terror-Opfer.

In den zwei Komplexen des Klinikums werden alle behandelt, die eingeliefert werden. Israelis und Palästinenser, Juden, Christen und Muslime, Opfer und Täter - ohne Ansehen der Nationalität oder Religion, wie es die Satzung der amerikanisch-zionistischen Frauenorganisation „Hadassah" vorschreibt, die Israels größtes Krankenhaus seit 60 Jahren gemeinnützig betreibt.

Auch Nathan Sandak kämpfte mit dem Tod, als er am 4. September 2001 in einem Krankenwagen lag, der die kurvige Straße zum Hadassah-Hospital hoch raste. Um sieben Uhr abends hatte in Jerusalems Fußgängerzone eine verängstigte Frau den jungen Soldaten angesprochen: Der Passant dort vorne trage etwas unter der Jacke, er sei ein Attentäter.

Sandak rannte los und hob sein Gewehr. „Es war zu spät. Ich war etwa sechs Meter von ihm weg, da drehte er sich um, lächelte und zog an einem Draht." Die Explosion tötete den Attentäter und verbrannte 50 Prozent von Sandaks Haut. Nägel aus der Bombe durchschlugen seine Beine und zerfetzten Teile seiner Lunge.

Anästhestist Weiss: Experte für Terror-Medizin.
(Ulrike Putz)

„Als ich Nathan Sandak in der Notaufnahme sah, wusste ich, dass es sehr schwer werden würde", sagt Yoram Weiss. Zwei Wochen lag der damals 19-Jährige im Koma, vier Monate dauerte die Rehabilitation. 22 Mal wurde der junge Mann, der als Kind mit seinen Eltern aus Äthiopien eingewandert war, bislang operiert.

„Die Verbrennungen werden immer ein Problem bleiben, aber schlimmer noch sind die seelischen Schäden." Noch heute sieht er, wenn er nachts wach liegt, im Dunkeln das Lächeln des Attentäters.

Dass Sandak überlebt hat, verdankt er ironischerweise der Tatsache, dass es in Israel so viele Selbstmordattentate gibt: „Ich lebe, weil die Ärzte so viel Gelegenheit haben zu üben, wie man Terroropfer rettet", sagt er. Yoram Weiss stimmt zu. „Wir behandeln so viele Explosionsverletzungen, dass wir mittlerweile als die international führenden Experten gelten." Seit Terroristen sich ihre Ziele auch außerhalb des Nahen Ostens suchen, ist das Fachwissen der Israelis gefragter denn je. „Bei den Anschlägen in Istanbul standen wir im ständigen Kontakt mit den Ärzten vor Ort. Und die Amerikaner holen sich bei uns Tipps für den Umgang mit den Bombenopfern im Irak." Zudem haben er und seine Kollegen ein Fachbuch verfasst: „Terror-Medizin".

In den vergangenen dreieinhalb Jahren haben Weiss und seine Kollegen einen neuen medizinischen Kanon entwickelt, wie mit den Opfern von Bombenanschlägen umzugehen ist. „Die meisten haben extreme Blutungen in Bauchraum und Thorax, Lunge und Herz wurden von der Druckwelle schwer beschädigt", sagt der Mediziner. Früher seien viele Patienten an diesen inneren Blutungen gestorben, heute habe man dieses Problem im Hadassah-Klinikum weitgehend im Griff.

„Wir sind weg von dem Prinzip ‘Stay and Play’ (Bleiben und Handeln), das rettet vielen Verletzten das Leben", sagt der Anästhesist. „Früher haben die Notfallteams der Krankenwagen versucht, die Patienten vor Ort mittels erster Hilfe zu versorgen. Das war ein fataler Fehler." Inzwischen werde nach dem Prinzip ‘Scoop and Run’ (Rein und Weg) gearbeitet. „Dadurch haben wir die Patienten oft schon 30 Minuten nach dem Attentat auf dem Operationstisch und können die Blutungen rechtzeitig stoppen."

Die Ärzte haben gelernt, dass es sinnvoller ist, Operationen selbst an schweren Brüchen und Schrapnell-Verletzungen um Tage oder Wochen nach hinten zu verschieben. „Erst dann ist der Kreislauf und Blutdruck der Patienten wieder stabil genug für eine solche Belastung", sagt Weiss.

Doch die glücklichen Momente, die den Ärzten beschert sind, wenn sie einen Schwerverletzten retten, dauern nur kurz. „Danach kommen die dunklen Nächte der Frustration, in denen es so aussieht, als werde es nie wieder einen Fortschritt geben", sagt Weiss. „Viele Verletzte verbringen Monate bei uns, erst auf der Intensivstation, dann in der Reha." Dabei kommt es vor, dass sich Opfer und Täter im selben Zimmer wieder finden.

Die Klinik habe zwar 1000 Betten, aber meistens seien die Zimmer trotzdem überfüllt. Einmal habe der Vater eines Selbstmordattentäters am Tag nach dem Anschlag einen Herzinfarkt erlitten. „Wir mussten ihn in einem Zimmer unterbringen, in dem ein Mädchen lag, dass bei dem Anschlag seines Sohnes schwer verletzt wurde", berichtet Weiss. „Das war für beide Familien sehr schwer, aber sie sind höflich miteinander umgegangen."

Das ist nicht immer der Fall. Einige Verletzte wollen nicht von den arabischen Ärzten und Schwestern des Klinikums behandelt werden, sind verbittert und zornig. Das Hospital jedoch legt Wert darauf, dass es Personal aus beiden israelischen Volksgruppen beschäftigt.

Viele der Hadassah-Patienten, deren Leben durch einen Selbstmordanschlag für immer verändert wurde, haben psychische Probleme. Oft finden Terror-Opfer nicht wieder zurück in den Alltag, trauen sich nicht mehr an belebte Plätze, vereinsamen.

Nathan Sandak sagt, dass es ihm heute gut geht. „Ich bin froh, dass ich durch mein Opfer das Leben anderer retten konnte. Wäre ich nicht dazwischen gegangen, hätte der Terrorist ein Dutzend Menschen mit in den Tod reißen können." Doch der Anschlag hat ihn zum Invaliden gemacht, bevor sein Leben richtig begonnen hat. Nie wird er arbeiten können, sein Leben lang von der Rente abhängig sein, die ihm das israelische Militär zahlt. Das ist noch schlimmer als die entstellenden Narben, die die Explosion in seinem Gesicht, an den Armen, am ganzen Körper hinterlassen hat. „Nein, bloß keine Fotos", sagt Nathan, nachdem er geduldig alle Fragen beantwortet hat. „Die Zeiten sind vorbei."

von Ulrike Putz, kh-jornal (pdf)
Jerusalems Hadassah-Hospital wird auch durch KH-Spenden gefördert

hagalil.com 10-09-04

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