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Religion und Schoa:
Wie erklären Ultraorthodoxe die Schoa?

Von Karl Pfeifer

1999 veröffentlichte ich (mit Dr. Theodor Much) "Bruderzwist im Hause Israel/Judentum zwischen Fundamentalismus und Aufklärung". Ich empfehle das von mir geschriebene Kapitel "Schoa", das ich hier auszugsweise wiedergebe, zu lesen. Leider ist es immer noch aktuell.

 Und was wäre das für ein Gott, der Auschwitz zugelassen hätte?
Nun? Würden Sie nicht seinen Namen beflecken, wenn Sie einräumen
würden, dass er das zugelassen hat? Und wäre es nicht frömmer
(jawohl) frömmer, ich sage: frömmer) zu sagen, kein Gott hätte das
zugelassen? Und wäre es nicht ehrfürchtiger (jawohl, ich sage:
ehrfürchtiger) einzuräumen, dass es ihn nicht gebe,
weil so unbarmherzig ein Gott, vor allem ein Gott
der Liebe, nicht hätte sein können?
Günther Anders, Ketzereien

Viele tausende Bücher wurden über die Schoa (das hebräische Wort für Katastrophe) geschrieben. Und wenn auch in unseren Breitengraden schon seit Jahrzehnten der Ruf nach dem Schlussstrich laut wird, zeigen gerade die Ereignisse der letzten Zeit, wie sogar Politiker, die sich diesen Schlussstrich sehnlichst wünschen, immer wieder die Schoa zur Rechtfertigung bestimmter Handlungen heranziehen.

Der Umgang der Juden mit der Schoa wurde ebenfalls von vielen Autoren beleuchtet und bis heute immer wieder diskutiert...

In seinem Buch "Der Gottesbegriff nach Auschwitz" meinte Hans Jonas, Gott sei entweder allmächtig oder gütig. Derartige Zweifel und Fragen plagen die Ultraorthodoxen nicht. Sie allein glauben den Sinn der Schoa erkennen zu können. Die Heftigkeit, mit der sie die Assimilation der Juden bzw. die Reformbewegung oder gar den Zionismus für die Schoa verantwortlich machen, kann nur verstanden werden, wenn man weiß, dass einige ihrer wichtigsten Rabbiner – oft auch noch während der nationalsozialistischen Herrschaft – predigten, Gott zu vertrauen und ja nicht den Weg zur Flucht zu beschreiten, selbst aber ihre Herden im Stich ließen und flüchteten...

Wie erklären Ultraorthodoxe die Schoa? Allen gemeinsam ist, dass sie einfach und entschieden behaupten, diese sei eine Strafe des Himmels, die aufgrund einer direkten Entscheidung Gottes erfolgte. Laut ihrer Auffassung können solche gewaltigen Taten nicht lediglich von Menschen initiiert und durchgeführt werden. Alle Versuche, diese Taten nicht einer direkten Intervention Gottes zuzuschreiben, werden der Ketzerei gebrandmarkt. Selbstverständlich wird deswegen nicht die Verantwortung der Bösen aller Nationen beziehungsweise das Maß des Verbrechens herabgemindert. Vom ultraorthodoxen Standpunkt aus zeigt dieses Verbrechen nicht nur den "Hass der Völker gegen Israel", sondern –  vor allem – eine bösartige Leugnung Gottes und eine Revolte gegen seine Lehre. In der Schoa sehen sie die Idee der Erwählung Israels und einen absoluten Gegensatz zwischen Israel und den anderen Völkern bestätigt. In ihren Augen gibt es keinen Widerspruch zwischen dem Verständnis der Schoa als Folge einer direkten göttlichen Interventionen und gleichzeitig als das schlimmste Verbrechen gegen das Volk Israel. Die Tatsache, dass dies eine göttliche Entscheidung war, befreit die Nazis und ihre Helfer nicht von ihrer Verantwortung für ihre furchtbaren Verbrechen. Es ist eine weit verbreitete ultraorthodoxe Auffassung, dass die Schoa eine Strafe für die seit der Aufklärung und Emanzipation der Juden erfolgte Säkularisierung und Assimilierung ist. Die Schoa beweist den Ultraorthodoxen einerseits, dass die jüdischen Richtungen, die nach der Emanzipation auf den Humanismus bauten, lediglich Betrug und Falschheit waren, welche die heidnische Bosheit hervorbrachten; andererseits bezeugt die Schoa, dass Gott auf sein Volk achtet und sich in dessen Schicksal einmischt.

Ein Beispiel für dieses Erklärungsmuster finden wir in der hebräischsprachigen Broschüre "Glaube und Wissenschaft" (1976/77), in der "seine Heiligkeit, unser Herr, Lehrer und Rabbiner aus Lubawitsch" zur Schoa befragt wird. Hier eine Zusammenfassung des Dialogs:

"Wie konnte die schreckliche Vernichtung von sechs Millionen Juden geschehen; wenn Gott bestraft, dann doch 'Maß gegen Maß'?

Wenn man Gott als 'Richter der ganzen Welt' anerkennt, das heißt, dass er die Taten von Millionen Menschen beurteilt und leitet, dann akzeptiert man damit, dass der einzelne Mensch nicht immer die Logik seiner Urteile verstehen kann.

Aber wenn wir davon ausgehen, dass Gott gerecht ist – auch wenn wir ihn nicht verstehen –. wie kann man die Schoa erklären?

Bei allem Schmerz in dieser Tragödie ist es klar, dass 'Nichts Schlechtes von oben herunterkommt' und im Schlechten und im Leid ein geistiges Gut und Erhabenes verborgen ist. Man muss verstehen, dass Körper und Seele verschieden sind. Was den Körper verletzt, muss nicht unbedingt die Seele berühren. Im Gegenteil, es existiert die Möglichkeit, dass eine physische Verletzung gut und eine Rettung für die Seele ist. Beispielsweise wird jeder Chirurg ein vergiftetes Glied amputieren, wenn Gefahr besteht, dass der ganze Körper vergiftet wird. 'Gott weiß, war er vor sich hat, und er will den Vorteil Israels, es ist doch klar, alles, was er getan hat, hat er gut getan.'

Warum – wenn das so ist – wurden dann aber auch die Besten des haredischen Judentums ermordet?

Am Anfang versucht man mit einer leichten Strafe einen Zögling zu bessern. Wenn diese aber nicht hilft, dann ist der Erzieher genötigt, härter zu strafen. Damit die Strafe effektiv ist, wird der Mensch ins Gesicht geschlagen, wo das Wesentliche des Menschen ist, auch wenn er die Tat mit den Händen begangen hat. So ist es auch mit dem Volk Israel geschehen, 'außer dass es von der quantitativen Seite schwer bestraft wurde [6 Millionen Opfer], war die Strafe siebenmal so schwer, als sie eine Gemeinde traf, welche die beste der Generation war...'"...

Viele Ultraorthodoxe kehren also den Spieß um und machen den "Zionismus" für die Schoa verantwortlich. Während Humanisten aus der Schoa ganz andere Konsequenzen ziehen, sehen sich ultraorthodoxe Kreise in ihrer Ideologie bestätigt. Anstatt sich mit den wirklichen Problemen des Judentums zu beschäftigen, beschränken sie sich auf rituelle Kulthandlungen und lehnen alles "Fremde" und "Neue" konsequent ab. Aber diesbezüglich kann man unterscheiden zwischen konservativen Ultraorthodoxen, die sich nicht in die Tagespolitik mischen und auf die Erlösung durch den Himmel warten, und den ultraorthodoxen Bewegungen, die sich nicht nur gegen die Nachbarn Israels, sondern auch gegen die "assimilierten" Ketzer innerhalb des Judentums wenden.

Keine Frage, dass der leider unter Juden ebenfalls stärker werdende religiöse Fanatismus dazu führt, dass aus den reichen Ländern des Westens in gesteigertem Maße Ultraorthodoxe einwandern. Doch je mehr sich der Fanatismus in Israel breit macht, umso weniger wird dieses Land attraktiv für die Einwanderung säkularer Juden, die ja in der Mehrheit sind. Und wenn diese Fanatiker vorgeben, sie möchten durch ihr Beispiel gegen die Assimilation wirken, so erreichen sie genau das Gegenteil, denn eine solche Religion ist für den durchschnittlichen Juden im Ausland nicht akzeptabel, und mancher, der kein anderes Judentum wahrnimmt, löst dann alle seine Verbindungen mit dem Judentum, d.h. er schüttet das Kind mit dem Bade aus.

Manche Politiker versuchen in ihren Reden, der Schoa nachträglich einen Sinn zu geben. Diese Katastrophe kompensieren sie mit der Entstehung des jüdischen Staates. Das Instrumentalisieren der Schoa und hochtrabende Phrasen von "der Erlösung des jüdischen Volkes" sollen nur von der Realität ablenken, dass der jüdische Staat sich in der Praxis mit ähnlichen Problemen auseinandersetzen muss wie auch andere kleine Staaten, Probleme, die nicht im Sinne eines freiwilligen Ghettos – das sich im permanenten Krieg mit seinen Nachbarn befindet – gelöst werden können. Die weit verbreitete Auffassung, dass jedes Volk seine Lebenskraft nur durch Gewaltanwendung beweisen kann und muss, ist nur zu erklären, weil das jüdische Volk viele Jahrhunderte bar jeder Macht war und in den wenigen Jahrzehnten seine selbstständige Existenz nur mit Waffen verteidigen konnte.

Seit einigen Jahren diskutieren Orthodoxe, was denn Priorität hat, Menschenleben oder geheiligtes Territorium. Und auch in dieser Diskussion wird einem mit dem Trauma der Schoa belasteten Volk von Extremisten vorgegaukelt, dass jeder Kompromiss, jeder Verzicht auf einen Quadratzentimeter der 1967 eroberten Gebiete einer Schoa gleicht.

Bestellen?Theodor Much, Karl Pfeifer: Bruderzwist im Hause Israel, Verlag Kremayr & Scheriau

 

Eine Klage gegen G'tt:
A Din-Tojre mit G't

...haKadosch barukh hu!

Zur Jahrzeit - Emil Fackenheim:
Das 614. Gebot - Das jüdische Volk muß überleben

Der Philosoph und Rabbiner Emil Fackenheim war einer der letzten Vertreter des liberalen deutschen Vorkriegsjudentums...

Photographien und Interviews:
Emil Fackenheim
Heimat, das gibt es nicht mehr. Ich kann das Wort nicht mehr benutzen. Die Nazis haben das Wort zerstört. Sie haben soviel zerstört...

hagalil.com 22-09-2004

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