Frankfurter Buchmesse:
Meister der Zweideutigkeiten
Der umstrittene
Islamwissenschaftler Tariq Ramadan zu Gast in Frankfurt
Von Ralf Balke, Jüdische Allgemeine
"Orient und Okzident – Ein neuer Anfang" – unter diesem
Motto lädt die Frankfurter Buchmesse vor Messebeginn Intellektuelle und
Literaten aus Deutschland und der Gastregion arabische Welt zum "kritischen
und offenen Dialog" in den Frankfurter Römer. "Es war uns wichtig, vor
Beginn der Buchmesse einen Moment der Besinnung zu schaffen", so Volker
Neumann, Direktor der Frankfurter Buchmesse. Gesponsert wird das Symposium
unter anderem von der Prince Sultan Foundation, deren saudi-arabische
Herkunft in der Einladung gar nicht erst erwähnt wird - kritischer Dialog
und Saudi Arabien erscheinen vielleicht doch nicht ganz kompatibel.
Auf einen Referenten jedenfalls freuen sich die
Veranstalter wie die Schneekönige, wurde er doch erst im April vom Time
Magazine zu einem der weltweit einhundert bedeutendsten Denker unserer Zeit
erklärt: Professor Dr. Tariq Ramadan, seines Zeichens Dozent an der
Universität im schweizerischen Freiburg. Angekündigt wird er als Verfechter
eines modernen Islams. Nun ist Tariq Ramadan nicht nur irgendein Schweizer
Akademiker. In der Welt des modernen Islamismus und Dschihadismus verkörpert
er so etwas wie den islamistischen Hochadel. Sein Großvater war niemand
Geringeres als Hassan al-Banna, der Gründer der ägyptischen
Muslimbruderschaft, die ideologisch die Basis von al-Qaida, Hamas & Co.
bilden. Bereits in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts
halluzinierten die Muslimbrüder nach den Worten des Politikwissenschaftlers
Matthias Küntzel nicht nur alles Jüdische zum Bösen, sondern alles Böse auf
der Welt als jüdisch. Tariqs Vater, Said Ramadan, musste Ägypten in den
fünfziger Jahren verlassen und fand in der Schweiz eine neue Heimat, wo er
dank saudischer Finanzspritzen das ideologische Erbe seinen Schwiegervaters
weiterpflegte.
Said Ramadans Söhne setzten die Familientradition fort.
Während Tariqs Bruder Hani eher der Mann fürs Grobe ist und öffentlich die
Steinigung als "läuternde" Strafe von Ehebrecherinnen fordert, was ihn vor
zwei Jahren seine Lehrerlaubnis in der Schweiz kostete, hat sich Tariq sehr
erfolgreich ein Image als moderater Vertreter eines europäischen Islams
aufgebaut. Er gilt als eloquent, hat Charisma und ist Dauergast im
französischen TV. All das hat ihm unter den moslemischen Jugendlichen in
Frankreich Kultstatus beschert. Und Tariq Ramadan ist sehr produktiv:
Zwanzig Bücher, über 700 Artikel und 170 Audiokassetten gehen auf sein
Konto.
Im September 2003 sorgte Tariq Ramadan dann doch für einen
handfesten Skandal, als er Frankreichs führende Intellektuelle attackierte:
Bernhard-Henri Lévy, Alain Finkielkraut, Bernard Kouchner, Alexandre Adler,
Andre Glucksmann und Pierre-André Taguieff unterstützten die Politik Israels
und den Irak-Krieg allein deshalb, weil sie Juden seien. Mit ihrer
kommunitaristischen Herangehensweise an den Nahostkonflikt würden die "Neuen
Philosophen" laut Tariq Ramadan die universellen und humanitären Traditionen
Frankreichs verraten. Sie seien sektiererisch und so auch mitverantwortlich
für die Gewalt gegen Juden durch Moslems, die er natürlich pflichtgemäß
nicht gutheißt. Anders ausgedrückt: Diese Intellektuellen seien nicht länger
französische Männer des Wortes, sondern in allererster Linie Juden. Dass die
genannten Personen mitunter sehr unterschiedliche Standpunkte vertreten, ist
ihm egal, als Juden werden sie in einen Topf geworfen. Auch ist Pierre-André
Taguieff kein Jude, aber als Autor des Buches "La Nouvelle Judéophobie" fiel
er unter Generalverdacht und wurde kurzerhand eingemeindet. Sowieso werde,
so Tariq Ramadan, viel zu viel über die angebliche Judenfeindschaft in den
arabischen Gesellschaften geschrieben. Die Tatsache, dass alle genannten
Intellektuellen sich für die Moslems in Bosnien und im Kosovo eingesetzt
hatten, interessiert Tariq Ramadan nicht wirklich. Kein Wunder, dass Bernard
Kouchner, Mitbegründer der Hilfsorganisation "Médecins sans Frontières", ihn
als einen "sehr gefährlichen Mann" bezeichnete und zahlreiche französische
Politiker gegen diese Kategorisierung von Franzosen gemäß rassischer
Kriterien Protest erhoben.
Tariq Ramdans Aktivitäten und Publikationen sind nicht
einfach einzuordnen. Er selbst ist der Meister der Zweideutigkeiten. Mal
bezieht er Stellung gegen den Terror von Islamisten, mal erklärt er die
brutale Politik des sudanesischen Staatschef Hassan al-Turabi zur "Zukunft
des Islams". Einerseits arbeitet er am Entwurf eines europäischen Islam, der
mit den westlichen Werten vereinbart werden kann, andererseits möchte er die
Gedankenwelt der Muslimbrüder weiterentwickeln: "Fundamentalisten sind ein
Teil der Familie." Und das meint er wörtlich. Unter keinen Umständen will er
sich von seinem Großvater distanzieren, ja er erklärt diesen gar zum Helden
im Kampf gegen Kolonialismus und Zionismus.
Die US-Einreisebehörden zogen kürzlich ein ursprünglich
bereits für Tariq Ramadan ausgestelltes Visum zurück – ein einmaliger
Vorgang für einen Schweizer Staatsbürger. Ramadan sollte einen Lehrauftrag
an der University of Notre Dame in Indiana wahrnehmen. Doch seine
Verbindungen zur Islamistenszene machten ihn zur persona non grata für die
Amerikaner. Dafür bietet man dem soften Islamisten in Frankfurt ein Podium,
um über den Islam und den Westen plaudern. Besinnliche Atmosphäre wird
garantiert aufkommen.
Frankfurter Buchmesse:
Schmökern
gegen Israel
Mit der Einladung der arabischen Welt als kultureller Gastregion schreibt
die Frankfurter Buchmesse 2004 ein weiteres Kapitel ins Schwarzbuch
deutsch-arabischer Verständigung. Denn verständigen kann man sich vor allem
auf eines: den Feind Israel...
hagalil.com
29-09-2004 |