Zu den Ursachen der Intifada:
Ein katholischer Geistlicher und der moralische
NihilismusVon Karl Pfeifer
Wenn unsere Justiz keinen Unterschied machen würde
zwischen einem unabsichtlichen Verkehrsunfall mit einem Toten und einen
geplanten Mord, dann würde unser Justizsystem zerfallen. Ein katholischer
Geistlicher kann diesen Unterschied nicht wahrnehmen.
Am 25. September, dem höchsten jüdischen Feiertag Yom
Kippur fand in Wien eine Demonstration gegen den israelischen
Sicherheitszaun, gegen die Checkpoints sowie gegen die Besatzung Iraks
statt. Während die Veranstalter von 4000 Teilnehmern sprechen, meinen
nüchterne Beobachter, dass es zwischen 400 und 1000 Demonstranten gab. Bei
der Demonstration wurden Bilder von Arafat und Scheich Yassin gezeigt. Mit
keinem Wort wurde an den gerade im Sudan stattfindenden Völkermord erinnert,
der von der österreichischen Friedensbewegung einfach nicht wahrgenommen
wird.
Der EU-Parlamentarier Hannes Swoboda (SPÖ) versicherte,
"seine Stimme weiterhin gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu erheben,
dass nicht nur der Terrorismus, sondern auch die Ursachen des Terrorismus
bekämpft werden müssen." (zitiert aus
www.mund.at, 27.9.04) Da aber die Hamasmitglieder als Ursache ihres
Terrors die Besetzung Palästinas angeben und darunter auch das Gebiet des
Staates Israel verstehen, bedeutet diese Haltung in der Praxis Verständnis
für diejenigen, die einen existierenden Staat delegetimieren wollen.
Die Nationalratsabgeordnete Elisabeth Hlavac (SPÖ) glaubte
erzählen zu müssen, "dass die zweite Intifada durch den Besuch von Sharon am
"Haram Alscharif"- "Al-Aksa Moschee" ausgelöst wurde." Die Wahrheit sieht
ganz anders aus.
Imad Faluji, der Kommunikationsminister der
Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) gab Monate nach dem Besuch Sharons
zu, dass diese Ausschreitungen bereits im Juli, lange vor der so genannten
"Provokation" Sharons geplant gewesen waren. "Es [die Unruhen] war seit der
Rückkehr des Vorsitzenden Arafat aus Camp David David geplant, als dieser in
den Gesprächen mit dem damaligen amerikanischen Präsidenten [Clinton] den
Spieß umdrehte und die Bedingungen der Amerikaner ablehnte." (Jerusalem
Post, 4.3.2001)
Die Ausschreitungen begannen bereits vor dem Besuch
Sharons am 28. September 2003 auf dem Tempelberg. Am Tag zuvor war bei der
Explosion einer Bombe am Grenzübergang Netzarim ein israelischer Soldat
getötet worden. Am nächsten Tag erschoss ein palästinensischer Polizist, der
sich mit einem israelischen Kollegen auf einem gemeinsamen Patrouillengang
befand, in der Stadt Kalkilia seinen Begleiter. Die offiziellen Medien der
PA riefen die Palästinenser zum Aufstand auf. Am 29. September forderte die
"Stimme Palästinas", das offizielle Radio der PA "alle Palästinenser" auf,
"sich aufzumachen und die Al-Aksa-Moschee zu verteidigen". Die Behörde
schloss ihre Schulen und beförderte palästinensische Schüler mit Bussen auf
den Tempelberg, damit sie dort an den organisierten und geplanten
Ausschreitungen teilnehmen konnten. Unmittelbar vor Rosch Haschana (30.
September), dem jüdischen Neujahrsfest, als Hunderte Israelis an der
Westmauer beteten, begann eine weit höhere Zahl arabischer Demonstranten,
die israelische Polizei und die betenden Juden mit Ziegeln und Steinen zu
bewerfen. Das war nicht das erste Mal, dass Moslems von dem höher gelegenen
Tempelberg betende Juden mit Steinen bewarfen. Ich kann mich nicht erinnern,
dass das jemals in Österreich kritisiert wurde.
Danach breiteten sich die Unruhen über ganz Israel, die
Westbank und den Gazastreifen aus. Der Minister für Innere Sicherheit
Schlomo Ben-Ami (Arbeiterpartei) hatte Sharon gestattet, den Tempelberg zu
besuchen, nachdem er zuvor mit dem palästinensischen Sicherheitschef Jabril
Rajoub Rücksprache genommen und die Zusicherung erhielt, dass alles ruhig
bleiben würde, wenn Sharon die Moscheen nicht beträte. Erst als Rajoub
später erklärte, dass die palästinensische Polizei nichts unternehmen würde,
um gewalttätige Ausschreitungen während des Besuchs zu unterbinden, entstand
die Notwendigkeit, Sharon zu schützen.
Sharon machte keinerlei Versuch, eine Moschee zu betreten.
Sein 34 Minuten dauernder Besuch auf dem Tempelberg erfolgte während der
Tagesstunden, in denen die Stätte auch für Touristen geöffnet ist.
Palästinensische Jugendliche – deren Zahl sich am Ende auf etwa 1500 belief
– skandierten Slogans um die Stimmung aufzuheizen. Etwa 1500 israelische
Polizeibeamte sicherten das Areal, um Gewalttätigkeiten zu verhindern.
Während Sharons Besuch kam es zu einigen geringfügigen Zwischenfällen, meist
Steinwürfen. Für den Rest des Tages wurden auf dem Tempelberg und in seiner
unmittelbarer Nachbarschaft immer wieder Steine geworfen. Dabei wurden 28
israelische Polizeibeamte verletzt; drei von ihnen mussten ins Krankenhaus
eingeliefert werden. Es gibt keine Angaben über Verletzte auf
palästinensischer Seite an diesem Tag.
Warum eine SPÖ-Politikerin eine palästinensische
Propagandalüge wiederholt, ist schwer zu erklären.
Den Vogel schoss der katholische Kaplan Franz Sieder ab,
der sagte: "Für mich sind diese tausenden Menschen, die in Tschetschenien,
Afghanistan, Irak und Palästina durch die Waffen der Militärs ermordet
wurden, auch Opfer eines Terrorismus." "Mit Gewalt können und dürfen die
Konflikte nicht gelöst werden", so Kaplan Sieder.
Ich hätte nie gedacht, dass ich einem katholischen
Geistlichren Nachhilfeunterricht in Moralkunde geben werde müssen.
Die katholische Lehre kennt den Begriff eines gerechten
Krieges. Sich gegen Terror zu wehren ist gerecht, denn jeder Staat hat die
Aufgabe seine Bürger gegen Terror und Terroristen zu schützen. Terror ist
gesetzwidriger Gebrauch von Zwang oder Gewalt gegen Personen oder Eigentum
zur Einschüchterung oder zur Nötigung einer Regierung, der Zivilbevölkerung
oder irgendeines Teiles davon zur Förderung bestimmter politischer oder
gesellschaftlicher Ziele.
Die palästinensischen Terroristen argumentieren, dass sie
wirkliches oder angebliches Unrecht, das ihnen von Israel und Israelis
zugefügt worden ist, rächen müssen. Die Opfer des Holocausts und von anderen
Völkermorden haben keine Rache genommen, indem sie Kinder mordeten, auch
nicht die Kinder der Verbrecher, die einen Völkermord durchgeführt haben.
Doch Israels Feinde – von den Palästinensern bis zu den Iranern und
neonazistischen Gruppen die mit sich mit ihnen verbündeten, haben nicht
gezögert Kinder oder andere, Juden oder Nichtjuden, umzubringen. Wenn also
Kaplan Sieder den Versuch Israels dies zu stoppen gleichsetzt mit den
mörderischen terroristischen Aktionen, dann verwischt er den wesentlichen
Unterschied zwischen den beiden: Während die Terroristen sich zum Ziel
setzen, so viel Zivilisten als möglich zu töten, haben die israelischen
Sicherheitskräfte strikten Befehl Zivilisten zu schonen.
Schauen wir uns an, was die katholische Lehre dazu sagt:
die "New Catholic Encyclopedia" definiert das Prinzip des "doppelten
Effekts" als Regel für das Verhalten in der Moral-Theologie oft benützt um
zu entscheiden, wann eine Person eine Aktion rechtmäßig durchführt, aus der
zwei Effekte resultieren, ein böser und ein guter. Es gibt dann das folgende
Beispiel, welches Israels Politik des Kampfes gegen Terrorismus perfekt
beschreibt:
"In modern warfare the principle of the double effect is
frequently applicable. Thus, in waging a just war a nation may launch an air
attack on an important military objective of the enemy even though a
comparatively small number of noncombatants are killed. This evil effect can
be compensated for by the great benefit gained through the destruction of
the target. This would not be true if the number of non-combatants slain in
the attack were out of proportion to the benefits gained…. Furthermore, if
the direct purpose of the attack were to kill a large number of
non-combatants so that the morale of the enemy would be broken down und they
would sue for peace, the attack would be sinful… It would be a case of the
use of a bad means to obtain a good end."
Um es auf den Punkt zu bringen, wenn unsere Justiz keinen
Unterschied machen würde zwischen einem unabsichtlichen Verkehrsunfall mit
einem Toten und einen geplanten Mord, dann würde unser Justizsystem
zerfallen. Wenn jemand keinen Unterschied machen kann, zwischen dem Töten
eines Kämpfers und der geplanten Tötung von friedlichen Zivilisten, dann
heißt das, er lebt in einer Welt des moralischen Nihilismus. In einer
solchen Welt wird alles auf die gleiche graue Farbe reduziert und es können
keine Unterschiede gemacht werden, die uns helfen unser politisches und
moralisches Verhalten zu bestimmen.
hagalil.com
28-09-2004 |