Ausstellung im Wurstmenschen Café:
Der Fall Leopold Hilsner
Unter obigem Titel läuft seit dem 16.9.2004 im
"Wurstmenschen Café" in Berlin-Prenzlauer Berg jene bereits 2001/2002 in
Wien (Aktionsradius Augarten), sowie im Juni 2002 im Goethe Institut Krakau
gezeigte Ausstellung, die sich mit dem antisemitischen Ritualmordwahn im
allgemeinen und der Causa Leopold Hilsner im besonderen befasst.
Im einleitenden Referat des Kurators Petr Vasicek, der
unter anderem auf Material des Hilsner-Archivs im tschechischen Polná, des
Museum for the History of the Jewish People in Jerusalem, sowie auf Bestände
des Jüdischen Museums Prag zurückgreifen konnte, wurde der Skandal von den
eher unspektakulären Anfängen über die klassischen Symptome einer
Massenpsychose, das Versagen der tschechischen, jüdischen und
österreichischen Eliten um die Jahrhundertwende bis zu peinlichen Analogien
in diversen arabischen Medien heute plastisch dargestellt, wo z. B. der Kopf
Ariel Sharons dem Körper Leopold Hilsners aufgestzt ist.
Eine interessante Diskussion des vorwiegend von
Intellektuellen aus verschiedensten Ländern besuchten polnischen
Literaten-Treffs dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Dabei zeigten sich
Kameruner Ärzte ebenso besorgt bis bestürzt über die Aktualität Hilsners wie
Friseure aus dem Libanon, polnische Germanistinnen und deutsche Pianisten.
Die Botschaften Tschechiens und Österreich hatten eine
Schirmherrschaft abgelehnt.
Die Besitzer des Wurstmenschen Cafés waren - im Gegensatz
zu mit einer einzigen Ausnahme allen anderen kontaktierten kulturellen
Organisationen im angeblich so liberalen und weltoffenen Berlin - bereit,
sich dieser spannenden, doch unerfreulichen Thematik zu widmen. Ganz
besonders befremdend und beschämend waren die Reaktionen (oder lieber:
Nicht-Reaktionen) so gut wie aller jüdischer Institutionen in der deutschen
Hauptstadt. Vielleicht haben die Veranstalter damit die Ängste der Herren
Korn und Spiegel vom Zentralrat der Juden Deutschlands demaskiert, mit dem
EU-Beitritt Polens würde eine neue Welle des Antisemitismus nach Europa
hereinschwappen.
Die Ausstellung läuft bis 8.10.2004 und ist täglich ab 14h
geöffnet.
Bei der Finissage am 8.10.2004 hält Benno Wagner
(Universität Siegen) einen Vortrag über die Reflexion der Causa Hilsner im
Leben und Werk Franz Kafkas.
Ort: Wurstmenschen Café. Choriner Str. 81. 10119 Berlin.
U-Bahnhof: Rosenthaler Platz.
www.wurstmenschen.de
hagalil.com
20-09-2004 |