Durch Zwangsarbeiter und Steuerflucht:
Flick-Collection
Von Inge Schott
Am Dienstag, den 21. September 04 wird die
Kunstsammlung von Friedrich Christian Flick mit einem Teil der 2500 Exponate
zeitgenössischer Künstler in einem umgebauten Speditionsgebäude des
Hamburger Bahnhofs, Museum für Gegenwart, in Berlin eröffnet. Bundeskanzler
Gerhard Schröder wird bei den Eröffnungsfeierlichkeiten anwesend sein. Die
Ausstellung ist zunächst für sieben Jahre geplant.
Bereits im Juli dieses Jahres hatte sich der
Zentralrat der Juden in Deutschland gegen diese Ausstellung ausgesprochen,
doch Flick, der in seiner Heimatstadt Zürich mit seiner Kunstsammlung wegen
der NS-Vergangenheit seiner Familie abgelehnt wurde, wird morgen seine Schau
eröffnen.
Berlins regierender Bürgermeister Wowereit
(SPD), der sich nach eigenen Angaben mit Mitgliedern jüdischer Gemeinden
ausgetauscht hat, plädiert für die umstrittene Ausstellung. Er habe seine
Stimme von diesen Gesprächen nicht abhängig gemacht, wie er erklärte.
Der Präsident der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz, Lehmann, der die Ausstellung für seine Stiftung als Leihgabe
erhält, will zwar die Geschichte der Familie Flick als Rüstungslieferanten
der Nationalsozialisten und Ausbeuter von Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeitern untersuchen lassen, wies aber die Kritik des Zentralrats als
"polemisch" zurück. Ob die Ergebnisse dieser Untersuchung jemals
veröffentlicht werden, ließ Lehmann offen. Sicher ist allein, dass die
Untersuchung für den Steuerzahler nicht kostenlos sein wird.
Um der Kritik an der Ausstellung
entgegenzutreten, soll nun jeder Besucher eine Zeitung mit einer
Stellungnahme des Flickerben zu seiner Familiengeschichte erhalten. Im
Gegenzug dürfe das Thema Kriegsgewinn und Zwangsarbeiterausbeutung innerhalb
der Ausstellung keinen Raum mehr nehmen, wie der Spiegel berichtet.
Ebenfalls für die Ausstellung, die mit Geldern
aus der NS-Zeit und Steuerflucht durch Übersiedlung des Flickerbes in die
Schweiz finanziert wurde, sprach sich die parteilose Kulturstaatsministerin
Christina Weiss aus. Sie plädiert bereits heute für eine Verlängerung der
zunächst auf sieben Jahre befristeten Ausstellung.
Alles diese künstlerischen und politischen
Befürworter und Mitläufer scheint es nicht zu stören, dass Flick sich bis
heute weigert, in den Entschädigungsfond für Zwangsarbeiter einzuzahlen und
"seine" Millionen lieber für zeitgenössische Kunstwerke ausgibt, mit denen
er sich stellvertretend einen großen Namen machen will. Da tröstet es
keineswegs, dass der Flickerbe auf "eigene" Kosten die Ausstellungshalle für
sieben Millionen Euro renovieren ließ, angesichts dessen, woher das Geld
stammt und dass der Betrag für ihn eine wirkliche Kleinigkeit ist. Die
Verantwortlichen, vor allem die Politiker, sehen nur den Glanz, den diese
Ausstellung hoffentlich international auf sie werfen lassen wird. Wenn sie
sich da mal nicht vertun und der Schmutz der Gleichgültigkeit gegenüber
millionenfacher Ausbeutung und Tod an ihnen haften bleibt.
Aber es gibt auch Gegenstimmen, die nicht zu
überhören sind. "Die Zeit" veröffentlichte in der vergangenen Woche
Stellungnahmen bekannter Künstler, so zum Beispiel die des Aktionskünstlers
Hans Haacke: "Es ist Sklavenarbeit, die seine Sammlung finanziert hat." Oder
Marcel Odenbach, Videokünstler, sagte: "Mich stört an dieser Sammlung vor
allem, dass sie ein Steuerflüchtling aufgebaut hat, der nun in Berlin groß
gefeiert wird. Und dass sich dieser Steuerflüchtling über Jahrzehnte nicht
darum geschert hat, woher sein Vermögen stammt und was aus den
Zwangsarbeitern seines Großvaters geworden ist."
Frieder Schnock und Renata Stih kleben seit
Freitag im Bereich Lehrter Bahnhof/ Hamburger Bahnhof Plakate mit der
Aufforderung "Freier Eintritt für alle ehemaligen ZwangsarbeiterInnen!"
hagalil.com
21-09-2004 |