Flick-Collection:
Chance oder mathematischer Versuch?
Von Inge Schott
Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnete bei der
Eröffnung der Flick-Ausstellung im Rieck-Haus am Hamburger Bahnhof in Berlin
die öffentliche Debatte als "produktiv und im besten Sinne lehrreich".
Gerade durch die Ausstellung sei diese Debatte in Gang gekommen und
verhindere so Geschichtsvergessenheit. Möglich, ja sogar einigermaßen
wahrscheinlich, dass dem so ist, aber war das auch das Ziel des
Kunsthändlers Friedrich Christian Flick?
Auf die Frage eines Journalisten, ob er die Debatte um
seine Familiengeschichte in die Ausstellung integrieren wolle, antwortete
Flick, er habe stets die Trennung zwischen der Kunstausstellung und seiner
Familiengeschichte angestrebt. Der Zusammenhang sei erst von anderen
hergestellt worden, er selbst wolle aber verhindern, dass die Ausstellung
durch seine Familiengeschichte belastet werde. Die Verantwortung für seine
Familiengeschichte könne ihm niemand abnehmen, aber auch niemand
vorschreiben. Ganz im Gegensatz hierzu steht die Stellungnahme Klaus-Dieter
Lehmanns, des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die
Stiftung habe von Anfang an die Flick-Geschichte in das Projekt aufgenommen.
Der eine will durch die Ausstellung den Wert seiner
Sammlung steigern, um sie dann gewinnbringend weiter verkaufen zu können (es
ist ein Verschleierungsspiel, wenn F.C. Flick sich einen Kunstsammler nennt,
er ist nichts anderes als ein Kunsthändler), der andere fordert um des
politischen Friedens Willen von ihm, dass die Familiengeschichte
thematisiert werden darf. Thematisieren ist keine Aufarbeitung, aber dennoch
ein hoher Preis für Flick, der sich, wie es scheint, gern von seinen
familiären Altlasten freikaufen würde.
Insgesamt jedoch scheint sich der Kunsthändler eine
positive Bilanz zu erhoffen, sonst wäre die Ausstellung heute sicher nicht
eröffnet worden. Ob seine Rechnung tatsächlich aufgeht, bleibt abzuwarten.
Auch mit der 5-Millionen-Euro-Investition bei der Gründung seiner
Dr.-Friedrich-Christian-Flick-Stiftung gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit
und Intoleranz hat er nicht die Anerkennung erreicht, die er mit einer
ebenso hohen Zahlung in den Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter
hätte erzielen können. Zwar hat er jetzt eine Stiftung, die seinen
kompletten Namen trägt und ihm so einen höheren Bekanntheitsgrad verschafft,
als jenen, die einfach nur ihren Pflichtteil in den Fonds einzahlten, doch
er befindet sich stets nur knapp an der Grenze zum Frieden mit sich und der
Welt.
hagalil.com
22-09-2004 |