Täter fordern Dank statt Vorwurf:
Das aggressive Selbstmitleid stören!
Am 12. September haben im Frankfurter Stadtteil Bornheim gut
70 Menschen gegen die Politik des Bundes der Vertriebenen (BdV) und dessen
Vorsitzende Erika Steinbach demonstriert. Anlaß war die Feier des "Tag der
Heimat" im dortigen Bürgerhaus. Anbei der
Redebeitrag der Gruppe "sinistra!":
"In den letzten wochen war der sogenannte „bund der
vertriebenen“ aufgrund der debatte um entschädigungen und
rückgabeforderungen in den schlagzeilen. Wir möchten diesen anlass nutzen,
um einen blick zurück zu werfen.
Die brd als rechtsnachfolgerin des „dritten reiches“ gründet wesentlich in
den profiten, die den arisierungen und dem raubkrieg entstammen, sowie der
durch den nationalsozialismus vorangetriebenen technischen modernisierung.
Nach dem krieg verfügten die deutschen über ein verjüngtes und stärkeres
industriepotential als zuvor, was das – zumindest unbewusst vorhandene –
gefühl evozierte, für die vernichtung belohnt worden zu sein. So verlor
konrad adenauer in seiner ersten regierungserklärung 1949 denn auch kein
wort über die 6 millionen ausgelöschten juden, forderte jedoch eine revision
der entnazifizierung und gedachte der ausge-bombten und ausgesiedelten
deutschen. Von hochoffizieller seite wurde in der folge das „heimatrecht“
der umgesiedelten eingefordert und durch die staatliche finanzierung des
größten zeitgeschicht-lichen forschungsprojekts der 50er jahre, der
achtbändigen „dokumentation der vertreibung der deutschen aus
ost-mitteleuropa“, zementiert. Bereits 1965 bescheinigte ein soziologe der
literatur zu ebenjenem thema einen "außerordentlichen,kaum zu überblickenden
umfang“. Die heute so weitverbreitete rede vom sprechverbot über das eigene
leid dient also lediglich dem zweck des scheinbaren tabubruchs.
Zugleich war 1952 der lastenausgleich beschlossen worden, dessen leistungen
wesentlich den aus osteuropa umgesiedelten zukamen. Bis 1991 wurden ihnen
allein aufgrund dieser regelung 120 mrd. d-mark ausgezahlt. Zusätzlich
wurden 400 mrd. dm als pensionen und leistungen an deutsche kriegsverbrecher
und massenmörder überwiesen. Demgegenüber stehen insgesamt lediglich 100
mrd. dm an zahlungen für die überlebenden opfer der deutschen und an
reparationen für die überfallenen staaten.
Stets wurde den opfern nur auf auslän-dischen druck und
aufgrund strategischer überlegungen entschädigungen zuge-standen. der
berechtigtenkreis wurde dabei so klein, die antragsfristen so kurz und die
beträge so niedrig als möglich gehalten. Die meisten der mit dem verfahren
betreuten beamten waren zuvor in der ns-bürokratie tätig gewesen, so dass
die opfer oft ihren ehemaligen peinigerInnen oder zumindest deren
gedankengut gegenüberstanden, was in vielen fällen zu einer
retraumatisierung führte. Die definitionsmacht über den opferstatus blieb
stets in den händen der täternation.
juden, sinti und roma, kommunistInnen und andere wurden in die rolle von
bittstellern gedrängt, während sich die deutschen erneut als herrenmenschen
inszenieren konnten, etwa festlegten, dass ein kz-aufenthalt unter 6 monaten
nicht ausreichend für eine entschädigung sei.
Auch die vor wenigen jahren beschlossene auszahlung von 8 mrd. dm an
ehemalige zwangsarbeiter kam nur auf internationalen druck zustande. Es
handelt sich bei dem diktat, dessen entstehungsprozess kaum mit dem wort
verhandlungen bezeichnet werden kann, um ein almosen, stehen ihm doch immer
noch 230 mrd. d-mark allein an vorenthaltenem lohn aus der sklavenarbeit
gegenüber. Mittlerweile sind 90% der opfer gestorben, die meisten wurden nie
mit einer finanziellen zuwendung bedacht. Für die übrigen reichen die nun
überwiesenen raten oft gerade noch zum kauf eines sarges. Der verband der
tschechischen zwangsarbeiter etwa musste kürzlich seine arbeit wegen
überalterung der mitgliedschaft einstellen, obwohl nur ein zehntel der
600.000 von ihm vertretenen ehemaligen arbeitssklaven geld aus der brd
erhielt.
Demgegenüber stehen die mitgliedsstarken verbände des bdv, deren anliegen
seit einigen jahren dank günter grass, guido knopp, otto schily und anderen
walsern wieder in aller munde ist. Uneinigkeit besteht allerdings über den
zu beschreitenden weg bei der umsetzung der revanchistischen zielsetzung:
während initiativen wie die „preußische treuhand“ lautsprecherisch auftreten
und für die rückgabe ihres angeblichen vermögens bis vor den europäischen
gerichtshof zu ziehen drohen, befürchtet der deutsche mainstream in form von
gerhard schröder und erika steinbach dadurch gerade angesichts des geplanten
„zentrums gegen vertreibungen“ einen imageverlust und bietet den
nachbarstaaten großzügig eine „materielle nullösung“ an. Die scheinbar
liberale haltung entpuppt sich als heuchelei eingedenk nicht nur des auf der
massen-vernichtung basierenden bundesrepubli-kanischen wohlstands, sondern
auch der seit 1989 intensiv vorangetriebenen regermanisierung osteuropas via
kapital-expansion und volksgruppenrecht. Angesichts der ideologischen und
personellen kontinuitäten zwischen ns-regime und brd, angesichts des auf der
asche der ermordeten errichteten „sozialstaates“, angesichts der
fortwährenden exklusion und erniedrigung der opfer bei gleichzeitiger
protegierung von täterrepräsentationen wie dem bdv sagen wir: der bdv ist
der bund den es nicht mehr geben dürfte, deutschland ist das land das es
nicht mehr geben dürfte".
www.copyriot.com/sinistra
hagalil.com
12-09-2004 |