Frankfurter Buchmesse:
Schmökern gegen Israel
Mit der Einladung der arabischen Welt als
kultureller Gastregion schreibt die Frankfurter Buchmesse 2004 ein weiteres
Kapitel ins Schwarzbuch deutsch-arabischer Verständigung. Denn verständigen
kann man sich vor allem auf eines: den Feind Israel.
Von Markus Ströhlein
So verhält es sich nun mal mit Freundschaften: Im Kern
steht ein Konsens, der auch den größten Dissens an den Rändern überdecken
kann. Streiten werden sich die Teilnehmer der Buchmesse bei Symposien bzw.
"heißen Eisen" wie "Unterstützt die Arabische Welt den Terrorismus?" oder
"Reformen und Menschenrechte in der Arabischen Welt".
Doch mit Themen wie "Wechselseitige Missverständnisse
zwischen der Arabischen Welt und Europa" oder "Die Globalisierung und ihre
sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Arabische Welt" lässt es
sich schnell wieder in Gefilde gleicher Geisteshaltung zurückkehren, in der
die Unmenschlichkeiten des Terrors zu instinktiven Reaktionen auf
Globalisierung, Verwestlichung und den staatgewordenen "Stachel im Fleisch
des arabischen Volkes", Israel, naturalisiert werden können. Dass im üppigen
Veranstaltungskatalog aus Lesungen, Vorträgen, Diskussionen und Symposien
das "heißeste Eisen", nämlich die Haltung der arabischen Welt zum Staat
Israel, zu Antizionismus, Antisemitismus und der aus ihnen erwachsenen
Vernichtungslust, nicht thematisiert wird, könnte man vordergründig als
Taktik zur Vermeidung eines Eklats bei allzu deutlichen Worten auslegen. Da
der Skandal beim geladenen Kaleidoskop antiisraelischer Organisationen und
Personen aber bereits in der Veranstaltung selbst liegt, kann der blinde
Fleck "Wie haltet ihr es mit Israel?" nur eines bedeuten: Der
augenzwinkernden Konsens gegen Israel ist eine Klarheit, die keiner Klärung
mehr bedarf.
Zu solcher Klärung im Vorfeld hat die
Friedrich-Ebert-Stiftung, Schirmherrin z.B. der Symposien zu Globalisierung
und den Missverständnissen zwischen Europa und Arabien, entscheidend
beigetragen. SPD nah und somit auf der Linie des regierungsoffiziellen
Engagements in der arabischen Region, organisierte die Stiftung noch im
Februar eine Veranstaltung unter dem Titel "The Islamic World and Europe;
From Dialogue towards Understanding" in Beirut, auf dem Hizbollah- und
Hamas-Sympathisanten und weitere Djihadisten ihren vernichtungswilligen Hass
auf Israel in den Diskurs mit deutschen Nahost-Experten verpacken durften.
Den Schirm über das gesamte Kulturprogramm hält die dazu
von den Machern der Buchmesse beauftragte Arabische Liga. Die Veranstalter
übergeben somit die Definitionsgewalt über die arabische Kultur einem Klub
autoritärer Regime, von denen der ebenfalls in Frankfurt vertretene Sudan
gerade durch den Massenmord an der schwarzafrikanischen Bevölkerung im
Darfour demonstriert, was es mit dem Symposium "Die Toleranz in der
arabischen Kultur" auf sich haben könnte.
Ansonsten von Rivalitäten und Animositäten desintegriert,
gibt die Feindschaft gegenüber Israel der Arabischen Liga den Kitt, der die
reale Stiefgeschwisterlickeit zur Bruderschaft im Geiste leimt, die sich
bereits zur Gründung Israels als Waffenbruderschaft manifestierte. "Dieser
Krieg wird ein Vernichtungskrieg sein und zu einem furchtbaren Massaker
führen", bließ am 14.05.1948 der Generalsekretär der Arabischen Liga, Abd
ar-Rahman Assam, zum Angriff auf den neu gegründeten Staat. Nach der Abwehr
der geplanten Fortsetzung der Endlösung und weiteren Beweisen der
Verteidigungsfähigkeit der israelischen Armee klingen die Verlautbarungen
der Liga moderater im Ton, nicht in den Zielen. Wenn ein Staatenbündnis sich
in seinem Geschichtsverständnis wahlweise als Reaktion auf die zionistische
Bedrohung, israelische Bedrohung oder die von einem jüdischen Staat
ausgehende Gefahr begreift, schillert auf, dass es nur um eines geht: die
Juden. Wenig verwunderlich war also der Kommentar des aktuellen
Generalsekretärs der Arabischen Liga, Amr Mussa, zu den Anschlägen auf
Istanbuler Synagogen letzten Jahres. Israels Politik sei schuld, weitere
"Unfälle"(Originalzitat) werden folgen – Juden werden also gemäß des
antisemitischen Denkmusters zu den Urhebern ihres Leides. Und wo der
antizionistisch getarnte Antisemitismus noch peinlich auf die begriffliche
Unterscheidung "Jude" – "Zionist" achtet, machte Mussas Einlassung klar,
dass hinter aller differenzierter Phraseologie die immer gleiche
antisemitische Formel steckt: Was sich gegen Israel richtet, richtet sich
gegen alle Juden, was sich gegen Juden richtet, richtet sich auch gegen
Israel.
Beklatschen dürfte Mussas Äußerung eine weitere am
Programm beteiligte Organisation: die World Islamic Call Society. Was sich
hinter dem karitativ-kulturellen Mäntelchen der von "Bruder Oberst" Muammar
Gaddafi, dem mittlerweile reuigen Auftraggeber von Flugzeug- und
Diskothekenattentaten und Staatschef Libyens, gegründeten Gesellschaft
verbirgt, verrät ein Blick auf ihre Direktiven: Herzensanliegen der sich als
regierungsunabhängig bezeichnenden Organisation ist die Verbreitung der
Lehre des Koran "mit allen Mitteln", die Reinhaltung des Islam von
"westlicher Verseuchung" und das Einwirken auf alle islamischen Staaten, den
Koran als Quelle der Rechtsprechung einzuführen. Was Israel betrifft, treibt
die NGO-Djihadisten zunächst die Befreiung Jerusalems um. Das Kampfmittel:
Ein "Islamisches Büro für den Boykott Israels".
Verteidigen mussten sich die Veranstalter der Frankfurter
Buchmesse für ihre Gastfreundschaft für Feinde Israels bislang nicht, weil
die deutsche Öffentlichkeit generell wenig Anstoß an derlei interkulturellem
Engagement findet. Die aufkommende Kritik über die Nutzung der Messe zu
Propagandazwecken mittels regimetreuer Autoren seitens der Arabischen Liga
wiegt da schon schwerer, ist aber dennoch leicht abgeblockt. Denn die mit
der endgültigen Koordination des Auftritts auf der Buchmesse betraute
Arabische Verlegerunion hat schriftstellernde Rebellen an Bord, wie ihr
Vorsitzender, Ibrahim al-Moallem, von seinem Triumph über die
Entscheidungsinstanzen der Liga zu berichten weiß: "Und wir haben uns
durchgesetzt. Wir haben die Autoren für die Buchmesse ausgesucht – und wir
haben auch viele Oppositionelle dabei."
Einer dieser Oppositionellen ist der Ägypter Sonallah
Ibrahim. Im Oktober 2003 verweigerte er die Annahme des vom ägyptischen
Kulturministerium verliehenen Preises "Autor des Jahres". Ibrahims
Begründung: Die katastrophale Lage des Landes in Form einer den USA hörigen
Regierung und der ständigen Bedrohung der ägyptischen Ostgrenze durch
Israel. Verweigern dürfte ohnehin die zweitliebste Beschäftigung Ibrahims
nach dem Schreiben sein. Bereits 2002 entschied sich der Schriftsteller
gegen eine Teilnahme am Berliner Literaturfestival, da dieses finanziell von
der israelischen Botschaft unterstützt wurde, und bediente sich zur
Untermauerung im Schlagwortkatalog aller Holocaust-Relativierer, die mit der
Formel einer "Politik der Vernichtung des Staates Israel gegen die
palästinensische Bevölkerung" den Beweis führen wollen, dass die schlimmsten
Nazis Juden selbst sind. Verweigert hat Ibrahim auch die Übersetzung seiner
Bücher ins Hebräische und so seinen Beitrag zum von ihm strikt befürworteten
Boykott Israels geleistet. Und auch wenn er von der Normalisierung der
Beziehungen der arabischen Staaten zu Israel nichts hält, scheint ihm die
Normalisierung der Beziehung der Deutschen zu ihrer Geschichte sehr am
Herzen zu liegen. Im Übertragen der deutschen Täterschaftsbegriffe
"Vernichtung" und "Barbarei" auf Israel bereits geübt, verortete sich
Sonallah Ibrahim, nach der geringen Teilnahmebereitschaft arabischer Autoren
für die Messe gefragt, instinktiv auf der "richtigen", nämlich nazideutschen
Seite der Bombenkriegsdebatte: "Würde sich ein deutscher Schriftsteller
Gedanken über eine Buchmesse machen, während gerade Dresden bombardiert
wird?"
Bewunderung brachte dem ägyptischen Schriftsteller seine
Haltung beim palästinesischen Kollegen Mahmud Darwisch ein, der gern in der
selben Diktion vom "barbarischen Krieg gegen die Palästinenser" spricht.
Dabei ist Darwisch eher Experte im Krieg gegen Israel, war er doch im
Zeitraum von 1987 bis 1993 Mitglied des Exekutivkommitees der PLO. Sein
Engagement in Arafats Terrortruppe beendete Darwisch anlässlich der
Unterzeichnung der Osloer Friedensverträge, weil er, wie es die Jüdische
Allgemeine formulierte, "eine Aussöhnung mit Israel ablehnt".
Einem weiteren schreibenden Sternchen der Frankfurter
Buchmesse liegt die palästinensische Sache am antiisraelischen Herzen: der
Ägypterin Ahdaf Soueif. In ihrer journalistischen Nebentätigkeit verfasste
sie im Oktober 2003 für den GUARDIAN einen Reisebericht aus der Westbank und
dem Gazastreifen, in dem sich hinter authentizistischer Augenzeugentümelei
eine klare Weltsicht auftut: die antisemitische Sicht vom modernen
parasitären Juden und dem schollenverwurzelten palästinensischen Volk, die
aus dem gesamten Text und vor allem aus einer Betrachtung zum
Sicherheitszaun spricht: "Brute technology hacking away at a living body of
land and people." Und auch ihre Lektion in Geschichtsrelativierung hat Ahdaf
Soueif bestens internalisiert, wenn sie mit entschlossener Feder Israel als
Gralshüter der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung entlarvt: "It is
Nuremberg all over again." Doch nicht nur die Nahost-, sondern auch die
Weltpolitik steht im Fokus ihrer gnadenlos enthüllerischen Schreibe. Was die
Autorin in ihrem Aufsatz "The Israelisation of America" im Betroffenheitston
der Globalisierungsgegner darlegt, wusste der Deutschen einziger und soeben
wieder millionenfach im Streifen "Der Untergang" bewunderter Superstar
jedoch bereits lange vor ihr: dass die USA in Medien und Politik
unterwandert seien, zum zionistischen Marionettenstaat degradiert,
hoffnungslos "verjudet" eben.
Sollte, was vernunftfähige Menschen erwarten würden, in
Deutschland aber nicht zu erwarten ist, sich am Tenor des
Buchmessen-Spektakels Kritik entzünden, haben die Organisatoren vorgesorgt.
Flankiert werden die Präsentationen und Auftritte der Autoren und
Organisationen nämlich von den Herrschaften, denen die Er- beziehungsweise
Verklärung der arabischen Welt als autochthonem und daher unantastbarem
Kulturraum Hauptberuf ist: den deutschen Nahostexperten.
Zum Beispiel Volker Perthes, der Leiter des Programms
"Mittlerer Osten" der regierungsnahen "Stiftung Wissenschaft und Politik":
Noch im Februar 2004 Teilnehmer der eingangs erwähnten Konferenz in Beirut,
hatte er sich im September 2001 als Mitautor eines parteiübergreifenden und
in der englischsprachigen Ausgabe der FAZ veröffentlichten Papiers zur Rolle
Deutschlands im Mittleren Osten hervorgetan. Das gegen Perthes und die
Mitformulierenden von CDU/CSU und SPD sprechende Papier spricht für sich:
"Deutschland muss klarmachen, dass es den vorrangig arabischen Charakter des
Mittleren Ostens anerkennt und dass seine Beziehungen zu der arabischen Welt
nicht vom Friedensprozeß (mit Israel) abhängen". Bei den beschworenen
besonderen Beziehungen zum Iran und zu Palästina liegen denn auch Prämissen
wie die folgende nicht weit: Ein Hauptinhalt der deutschen Politik "in
dieser Region ist die Unterstützung für den Aufbau eines palästinensischen
Staates. Die finanzielle Hilfe, die die Palästinenser auf direktem oder
indirekten Wege von Deutschland erhalten, übersteigt die Hilfe jedes anderen
Staates." Eine weitere Forderung: "Das Rückkehrrecht der palästinensischen
Flüchtlinge (nach Israel) muß grundsätzlich anerkannt werden."
An den Rechten der Palästinenser ist auch einem weiteren
Teilnehmer der Buchmesse gelegen: Udo Steinbach, dem Leiter des von Fischers
Außenministerium finanziell alimentierten Deutschen Orient-Instituts. Anfang
2003 plauderte aus ihm der ideologische Schulterschluss Deutschlands mit der
palästinensischen Sache mittels Verharmlosung des Holocaust: "Wenn wir
sehen, wie israelische Panzer durch palästinensische Dörfer fahren und sich
die verzweifelten Menschen mit Steinen wehren, dann müssen wir im Blick auf
Warschau und im Blick auf den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto auch
fragen dürfen, war das dann nicht auch Terror?" Den Beweis, wie ein mit
Steinen bewaffneter Widerstand vollbesetzte Busse zur Detonation bringen
kann und wo sich die israelischen Vernichtungslager befinden, ist Steinbach
bislang schuldig geblieben. Denn wo ohnehin Zustimmung herrscht, braucht der
Wahn keine Rationalisierung mehr.
Da bislang nur ein verschwindend kleines Bündnis an
Gruppen Proteste gegen die Kulturveranstaltung der Frankfurter Buchmesse
angekündigt hat, steht dem reibungslosen Plausch oder so genannten
"kritischen Dialog" der sich als alles andere, nur nicht als Antisemiten
gerierenden Antisemiten nichts im Weg. Unfreiwillig auf den Punkt gebracht
hat es der Titel eines Beitrags der Deutschen Welle zur Buchmesse: "Keine
Angst vor Kontroversen". Feinde Israels kann nichts entzweien.
Aussagen wird deshalb der Auftritt der arabischen Welt
nicht nur einiges über sie selbst, sondern vor allem alles über die
Verfasstheit des Gastgeberlands Deutschland, dem der Handschlag mit allen
Personen, Organisationen und Nationen, deren Hass auf Israel so tief sitzt
wie der eigene, immer wieder aufs Schlafwandlerischste gelingt.
hagalil.com
27-09-2004 |