Ein etwas anderes Ferienerlebnis:
Peacecamp 2004
Ein Friedensprojekt von Hadassah Austria und
drei SchülerInnengruppen aus Israel und Österreich
Deutsch -
English -
?????
Von Evelyn Böhmer-Laufer
Vom 26.7. - 5.7.04 trafen sich, fernab von Stress und
Alltag, in der Einsamkeit der kärntnerischen Kommende Rechberg, drei Gruppen
von Jugendlichen - eine jüdisch-israelische, eine arabisch-israelische und
eine österreichische Gruppe. 26 Kids, die zusammengekommen waren, um
miteinander Aspekte ihrer persönlichen und ethnischen Identität zu
besprechen, um einander besser kennen zu lernen und um sich und die jeweils
Anderen besser zu verstehen.
Gemeinsame Sprache am Camp war Englisch, für niemanden der
Beteiligten Muttersprache, doch oft wurden die Gespräche emotionaler und man
fiel in die eigene Sprache zurück. Kreuz und quer wurde debattiert,
übersetzt und vermittelt; nicht immer war klar, ob die Schwierigkeiten
sprachlicher Natur waren oder nicht eher die Verständigungsschwierigkeiten
zwischen den so unterschiedlichen Kulturkreisen widerspiegelten, aus denen
die Jugendlichen kamen.
In diversen kreativen Workshops - Malen, Musik, Drama,
Basteln - sowie in einer Reihe von Outdoor-Aktivitäten wurden die
Jugendlichen vor Aufgaben gestellt, bei denen es darum ging, für ein
gemeinsames Problem eine gemeinsame Lösung zu finden, oder das eigene -
kulturell "gemischte" - Team im Wettkampf gegen andere Teams zum Sieg zu
bringen. So mussten etwa 26 Kids eine Decke umdrehen, die 26 Paar Hände
nicht auslassen durften, einen Teppich umdrehen, von denen 26 Paar Füße
nicht hinunter treten durften, oder aber - als gemischtes Team "gemeinsam in
einem Boot" - am schnellsten über den See zu rudern, um das Rennen zu
gewinnen.
All diese Aktivitäten wurden hinterher diskutiert und
boten Gelegenheit, mit Charakter, Wesensart, Eigenschaften der verschiedenen
Teilnehmer vertraut zu werden, aber auch sich selbst und Andere in
unterschiedlichsten Problemsituationen zu erleben. "Warst du mit deiner
Rolle zufrieden?" hieß es dann oft, und die Kids sollten sich überlegen, ob
sie an die Problemstellung mit genügend Initiative, Fantasie und Engagement
herangegangen waren, ob sie passiv geblieben, ungeduldig oder impulsiv
geworden sind und wie sich dies auf die Möglichkeit, die gestellte Aufgabe
zu lösen, ausgewirkt hat. Diese Nachbearbeitung von Situationen ermöglichte
es, über die Art und Weise nachzudenken, in der sich Menschen Problemen
stellen und nachzuvollziehen, wie sich Rivalisieren, Kämpfen, Kooperieren,
zusammen- oder gegeneinander Arbeiten etc. auf die Möglichkeit, Probleme zu
lösen, auswirken.
Es ging um das Erproben gemeinsamer, gewaltfreier Lösungen
für gemeinsame Probleme, so wie um das Kennen lernen und Respektieren der
Position des "Anderen" und ein gewaltloses Herangehen an zwischenmenschliche
Konflikte. In zahlreichen Gesprächen hatten die Jugendlichen Gelegenheit,
Aspekte ihrer jeweiligen sozialen, religiösen, kulturellen sowie
individuellen Identität zu ergründen und einander ihr sozio-kulturelles Erbe
zu vermitteln.
In den Monaten vor dem Peacecamp hatten alle drei Gruppen
im Rahmen ihrer gesamten Schulklassen zu diesen Themen Vorarbeit geleistet,
ein "Family Album" erstellt und in Interviews und Recherchen Informationen
und Dokumente zusammengetragen, die die eigene Familie und deren
Lebensgeschichte veranschaulichten. So konnten Gemeinsamkeiten aber auch
Unterschiede in den diversen Lebensgeschichten von Familien entdeckt und
besprochen sowie auch Verstrickungen zwischen den drei beteiligten
Volksgruppen diskutiert werden.
Viele der Gespräche erfuhren eine dramatische Bearbeitung
und wurden am letzten Abend als Show einem etwa 60-köpfigen Publikum
vorgeführt. Hier machte sich im Publikum oft große Betroffenheit breit, z.
B. als aufgezeigt wurde, wie sehr Vorurteile und gegenseitiges Misstrauen
der Eltern - Resultat ihrer traumatischen Lebensgeschichte - eine
friedliche, freundschaftliche Annäherung von Menschen der jungen Generation
erschweren:
"Was, nach Kalanswa, Mohammeds Familie besuchen?", sorgen
sich Moshes Eltern, "Das ist furchtbar gefährlich, du weißt doch, dass die
uns hassen."
"Zu Moshe nach Petach Tikwa!" entsetzen sich Mohammeds
Eltern, "Nein, die mögen dich dort nicht, man wird dich dort ablehnen." Und
so suchen die beiden Jungs nach einem Ort, an dem sie sich wie Gleichaltrige
begegnen und befreunden könnten, und finden keinen. Selbst der geplante
gemeinsame Kinobesuch scheitert, weil die Sicherheitskontrolle am
Kinoeingang - für jeden der beiden Jungs so unterschiedlich und für Mohammed
so beschämend - den Burschen die Lust dazu nimmt.
Es war vom Holocaust die Rede und davon, dass "Hatikwa"
nicht für alle Menschen in Israel Hoffnung und Frieden bedeutet. Einige
hörten zum ersten Mal das Wort "Nakbah" und erfuhren, dass es auch auf
arabischer Seite Vertriebene, Entwurzelte, auseinander gerissene Familien
gibt. Man weinte und tröstete einander und verstand, dass man etwas
gemeinsam hatte mit dem Anderen, dem Fremden: die Erfahrung großen Leides
und das Erkennen, dass man nicht nur Opfer und der Andere nicht nur Täter,
sondern dass jeder Einzelne Teil einer langen, überlieferten, schwierigen,
oft schmerzvollen Geschichte ist.
Es entstand auf diesem Camp auch irgendetwas Neues: eine
gemeinsam entworfene Friedensfahne, der in der österreichischen Schule
gepflanzte und die dort enthüllte Steintafel mit den Worten "Ich vertraue
dir" und dem Wort "Frieden" in deutsch, hebräisch und arabisch symbolisieren
die Hoffnung, dass eine Begegnung dieser Art einen Samen pflanzt, aus dem
Vertrauen und Frieden wachsen können.
Peacecamp 2004 wurde von
Nili Gross (Israel) und Evelyn Böhmer-Laufer (Wien) konzipiert und
unter der Patronanz von Hadassah Austria und ihrer Präsidentin Susanne
Shaked mit Hilfe von Spenden aus dem Freundeskreis realisiert.
hagalil.com
23-08-2004 |