Karl Brozik, Auschwitz-Überlebender, der fast zwanzig Jahre
lang Verhandlungen mit Deutschland für die Entschädigung von
Holocaust-Überlebenden anführte, verstarb am Mittwoch, den 18. August 2004,
während eines Aufenthalts in Prag. Er war 78 Jahre alt.
Brozik war seit 1987 Repräsentant der Conference on Jewish Material
Claims Against Germany (Claims Conference). Von Frankfurt aus führte er eine
Belegschaft, die in der letzten Dekade auf 90 Personen angewachsen war und
auch Mitarbeiter in Berlin umfaßte. Verhandlungen, an denen er teilhatte,
haben rund 8.7 Milliarden Dollar an Entschädigungs- und
Restitutionszahlungen für Holocaust-Überlebende und deren Erben erbracht.
"Wir haben einen erfolgreichen Kämpfer für Gerechtigkeit für
Holocaust-Überlebende verloren und einen Menschen, der sich engagiert für
die Weitergabe der grundlegenden Lektionen der Shoah an nachfolgende
Generationen eingesetzt hat," sagte Saul Kagan, Claims Conference Executive
Vice President Emeritus, der mit Karl Brozik mehr als 30 Jahre
zusammengearbeitet hat.
Brozik widmete sich unermüdlich dem Ziel, ein Mindestmaß an Gerechtigkeit
für Nazi-Opfer und deren Erben zu erreichen. Er spielte eine führende Rolle
bei Verhandlungen mit Deutschland, die zur Etablierung des Artikel 2-Fonds
und des Mittel- und Osteuropa-Fonds (CEEF) der Claims Conference führten,
aus denen bis heute über 80.000 Holocaust-Überlebende monatliche Beihilfen
in Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden US $ erhalten haben. In beiden
Programmen gab es über die Jahre aufgrund andauernder Verhandlungen mit
Deutschland über eine Liberalisierung der Kriterien, bei denen Herrn Karl
Brozik eine Schlüsselrolle zukam, beträchtliche Erweiterungen.
Brozik war auch maßgeblich beteiligt an Verhandlungen mit der deutschen
Regierung und Industrie, die zu der Vereinbarung über 10 Milliarden DM für
die Entschädigung ehemaliger Sklaven- und Zwangsarbeiter führte. Bis heute
hat die Claims Conference 1.1 Milliarden $ aus diesem Fonds an über 140.000
Überlebende ausbezahlt.
1990 leitete Brozik darüber hinaus Verhandlungen der Claims Conference,
die es Juden nach der Wiedervereinigung ermöglichten, Ansprüche für
Vermögenswerte auf dem Gebiet der früheren DDR, die unter den Nazis
enteignet worden waren, zu stellen. Diese Verhandlungen bestimmten die
Claims Conference als Rechtsnachfolgerin für ehemaliges jüdisches Vermögen
in der ehemaligen DDR, das von Holocaust-Überlebenden und deren Erben nicht
beansprucht wurde. Die Claims Conference hat einen Großteil der Erlöse aus
diesen unbeanspruchten Vermögenswerten darauf verwendet, Hilfsprojekte für
jüdische Nazi-Opfer in aller Welt zu finanzieren.
Salomon Korn, für die Claims Conference zuständiges Mitglied des
Präsidiums des Zentralrats der Juden in Deutschland, würdigte Karl Brozik
als weltoffenen, tatkräftigen Menschen, der sich mit großer Professionalität
und Einfühlungsvermögen für die Holocaust-Überlebenden eingesetzt habe. "Ich
habe einen guten Freund verloren", so Korn.
Karl Brozik wurde am 4. Februar 1926 in Teplitz-Schönau (jetzt Teplice,
Tschechische Republik) geboren. 1939 floh seine Familie nach Prag; von dort
wurde sie ins Ghetto Lodz in Polen verbracht, als er 15 Jahre alt war. Sein
Vater, seine Mutter und sein Bruder verhungerten dort. 1944 wurde Brozik in
das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er sich der
geheimen Widerstandsbewegung anschloß. Im Januar 1945 wurde er auf den
Todesmarsch zum Konzentrationslager Mauthausen geschickt, wo er im Mai 1945
befreit wurde. Er war der einzige Überlebende von 26 Familienmitgliedern.
Nach seiner Rückkehr nach Prag machte er das Abitur, studierte Jura und
arbeitete als Jurist und Ökonom in einer Außenhandelsfirma und im
Tschechoslowakischen Außenministerium. Als die Sowjets 1968 einmarschierten,
um den "Prager Frühling" niederzuschlagen, war Brozik mit seiner Familie auf
einer Urlaubsreise nahe der deutschen Grenze. Sie kehrten nicht mehr nach
Hause zurück, sondern flüchteten nach Westdeutschland.
In Deutschland arbeitete Brozik als Rechtsanwalt für die United
Restitution Organization (URO) und für die Claims Conference. 1987 wurde er
Repräsentant der Claims Conference in Deutschland und leitete dort die
Aktivitäten der Organisation.
1997 erhielt Karl Brozik die Wilhelm Leuschner-Medaille des Landes
Hessen, 1999 die Medaille für Widerstand gegen den Faschismus der
tschechischen Regierung, 2002 wurde er mit der Ehrenplakette der Stadt
Frankfurt am Main ausgezeichnet.
Karl Brozik hinterlässt zwei Söhne. Seine Beerdigung wird in Frankfurt
stattfinden.