Zur Änderung der Route des Trennungszauns:
Eine seltene Entscheidung
Analyse von Ze’ev Segal, Ha’aretz, 01.07.2004
Englische Version:
haaretz.com
Die gestrige Anordnung des Obersten Gerichtshofes, nach der
entsprechende Organe der israelischen Verteidigung einen Teil der Route des
Trennungszauns noch einmal überprüfen müssen, repräsentiert eine bedeutende
und seltene Intervention in Sicherheitsaspekte über ein solch wesentliches
Thema.
Die Entscheidung basiert auf dem Prinzip der Proportionalität
– der Schaden eines Einzelnen darf gegenüber dem gewonnen Nutzen nicht im
Missverhältnis stehen. Die Richter, die sich der Sensibilität der
gerichtlichen Intervention in solchen Fällen bewusst sind, hoben hervor,
dass das Kabinett selbst entschieden hat, der Verlauf müsse
palästinensischen Bedürfnissen Rechnung tragen.
Im Oktober 2003 hatte das Kabinett entschieden, dass „jede Anstrengung
unternommen wird, um Störungen der palästinensischen Lebensweise so weit wie
möglich zu minimieren“. Es ist jedoch zweifelhaft, ob das Kabinett vom
Gerichtshof erwartet hat, diese Entscheidung zum Thema einer solch genauen
und detaillierten Überprüfung zu machen.
Der Gerichtshof bestätigte das Recht der Armee, den Zaun aus
Sicherheitsgründen zu bauen, jedoch nicht aus politischen Gründen. Der Zaun,
so sagte es, könne nicht genutzt werden, um Gebiet zu „annektieren“. Die
Feststellung des Gerichtshofes, dass der Zaun in der Tat aus
Sicherheitsgründen gebaut wird, ist für sich genommen wichtig, und sie wird
dem Staat außerdem helfen, diejenigen in Israel und im Ausland zu
widerlegen, die behaupten, der Zaun sei dazu bestimmt, eine politische
Grenze festzulegen.
Der Gerichtshof überprüfte außerdem die Legalität des genauen Verlaufs und
nahm den Standpunkt ein, dass das eigene Ermessen der Armee in Gebieten
unter „kämpferischer Besatzung“ nicht unbegrenzt ist.
Der Gerichtshof legte „großes Gewicht“ auf die Meinung der israelischen
Verteidigung über den notwendigen Verlauf. Doch er hob hervor, dass es eine
„angemessene Ausgewogenheit“ zwischen Sicherheitsbedürfnissen und den
Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung geben müsse, wobei er diesen
Beschluss sowohl auf internationales Recht wie auf eigene vorangegangene
Entscheidungen gründete.
Die Botschaft der Entscheidung lautet, dass Sicherheit kein „magisches Wort“
ist. Der Gerichtshof wird den Meinungen derjenigen, die für die Sicherheit
Israels verantwortlich sind, mehr Gewicht geben als außen stehenden
Experten, die diese Verantwortung nicht zu tragen haben, wird jedoch selbst
entscheiden ob eine vorhandene Sicherheitsmaßnahme im Verhältnis steht. Dies
gibt dem Gerichtshof die Macht, militärische Sicherheitsbetrachtungen zu
verwerfen.
Die Feststellung des Gerichtshofes, dass der Zaun in Teilen der überprüften
Gebiete das „empfindliche Gleichgewicht“ zwischen der Verpflichtung der
Armee, Sicherheit zu gewähren, und ihrer Verpflichtung, sich um die
Bedürfnisse der Palästinenser zu kümmern, verletzt, bedeutet nicht, dass der
Gerichtshof auch in anderen Gebieten den Verlauf des Zauns ablehnen wird.
In diesem Fall intervenierte er nur, weil er feststellte, dass die örtliche
Bevölkerung ernsthaften Schaden nahm und kein Versuch gemacht worden war,
ihr alternatives Land anzubieten – mit anderen Worten: der oberste
Gerichtshof stellte in diesem Fall groben Verstoß gegen Eigentumsrechte,
freie Beschäftigung und Bewegungsfreiheit fest. Damit garantiert diese
Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die in weiteren Anhörungen zwar
führend sein wird, dennoch nicht, dass es in anderen Klagen zu ähnlichen
Ergebnissen kommen wird.
Die Richter, die sich dessen bewusst sind, dass ihre Entscheidung Fragen
über die Grenzen der Intervention des Obersten Gerichtshofes aufwerfen wird,
hoben hervor, dass sie die Weisheit oder den Nutzen des Zaunes nicht
vorhersagen könnten. Sie könnten nur das Verhältnis des Schadens, den
örtliche Bewohner dadurch hätten, untersuchen.
Da die Entscheidung, die von großer Bedeutung ist, nur von drei Richtern
getroffen wurde, könnte der Staat nun eine Anhörung vor einem breiteren
Expertenteam über die Grenzen gerichtlicher Intervention in
Sicherheitsangelegenheiten fordern. Alternativ könnte die Knesset
juristische Entscheidungen über den Verlauf des Zauns untersagen. Dies ginge
jedoch nur durch die Verabschiedung eines Grundgesetzes zu diesem Thema.
Die gestrige Entscheidung geht dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes
über den Zaun voraus, doch es ist fraglich, ob der Internationale
Gerichtshof sie zur Kenntnis nehmen wird, obwohl die Frage, ob der Staat das
Recht hat, den Zaun zu bauen –eine Frage, die der Oberste Gerichtshof bejaht
hat- die gleiche ist, die der Internationale Gerichtshof auch untersuchen
wird.
hagalil.com
01-07-2004 |