4. Juli 1934, Thrazien/Westtürkei:
Die antijüdischen Ausschreitungen vor 70 Jahren
Von Corry Görgü
Zehn- fünfzehntausend jüdische Flüchtlinge erreichten am
4. Juli 1934 und den darauf folgenden Tagen Istanbul. Durch ein
organisiertes Pogrom, das sich zeitgleich in etwa zehn Städten der
"europäischen Türkei" ereignete, waren sie vertrieben, ihre Häuser und
Geschäfte geplündert worden.(1)
Am folgenden Tag verurteilte Ministerpräsident Inönü die
Ereignisse und verkündete, in der Türkei gäbe es keinen Antisemitismus, die
Juden sollten in ihre Wohnorte zurückkehren. Diese Ereignisse, die in der
Türkei als "Trakya olaylari" (die Vorfälle in Thrazien) bezeichnet werden,
werfen ein bezeichnendes Licht auf die nationalistische Politik jener Jahre,
die sich die gewaltsame Türkisierung der Minderheiten zum Ziel gesetzt
hatte. Eine weitere Rolle spielte die Ausstrahlung NS-Deutschlands, mit
teilweise direkter Unterstützung aus Deutschland erschienen antisemitische
Hetzblätter.
Begonnen hatten die Ereignisse am 21. Juni in Chanakkale (an
den Daradellen), wo türkische Nationalisten einen Boykott jüdischer Läden zu
organisieren versuchten, Mitglieder der örtlichen jüdischen Gemeinde wurden
attackiert, ausgeraubt, geschlagen; vor jüdischen Geschäften standen Posten,
um die Bevölkerung vom Betreten der Läden abzuhalten. Am 24. Juni erhielten
die bekanntesten Juden der Stadt anonyme Drohbriefe, die sie zum sofortigen
Verlassen der Stadt aufforderten, anderenfalls würden sie ermordet.
Daraufhin flüchtete fast die gesamte jüdische Bevölkerung der Stadt (etwa
2.000 Personen) unter Zurücklassung ihres Hab und Gut nach Istanbul.
"Bislang wurde in der lokalen Pressenichts nicht über die
Zwischenfälle berichtet" bemerkt der "Jewish Chronicle in London, der die
Ereignisse als "mysteriös" bezeichnet. "Man fürchtet dass sich ähnliche
Ereignisse auch in anderen Städten Thraziens ereignen könnten".(2)
Keine zwei Wochen später – in der Nacht vom 3. auf den 4.
Juli kam es in Kirklareli, Lüleburgaz, Corlu, Silivri und weiteren Städten
zu anitjüdischer Propaganda, Angriffen, Plünderungen und Vergewaltigungen:
"....Gegen neuen Uhr abends wurde das Haus von einem Steinhagel getroffen,
die schweren Steine durchschlugen Jalousien und die Fensterscheiben, (...)
die Plünderer nahmen mit, was sie tagen konnten, was sie nicht wegschleppen
konnten zertrümmerten sie oder kippten es aus (...). In das Haus des
Rabbiners drang eine Gruppe ein, die noch zahlreicher war, als die übrigen.
Sie trennten sich in drei Gruppen auf, die erste räumte das Haus aus, die
zweite ging auf den Rabbi los und schnitt ihm gewaltsam den Bart ab die
dritte Gruppe nahm sich die Frau des Rabbi vor, zerriss ihr die Kleider am
Leib.." Anhand von Beispielen seiner Familienangehörigen hat Erol Haker, die
Ereignisse der Pogromnacht vom 3. Auf den 4. Juli 1934 in Kriklareli
rekonstruiert. (3) Am Morgen des 4. Juli
drängte sich die große Mehrheit der dortigen Juden um das kleine
Bahnhofsgebäude und floh mit dem Zug nach Istanbul.
Die große Gemeinde von Edirne, der größten Stadt dieser
Region, hatte den Gerüchten und Drohungen zunächst keine Bedeutung
beigemessen und war in der Stadt geblieben. Doch am 2. Juli erfolgte ein
exakt vorbereiteter Angriff auf die jüdischen Wohnviertel, für ein paar Tage
befanden sich die Viertel in Händen der türkischen Nationalisten. Türkische
Ladenbesitzer wurden unter Druck gesetzt, kein Brot und keine Lebensmittel
an Juden zu verkaufen, so dass auch die Juden von hier zu fliehen
versuchten. Diejenigen die das Geld für eine Bahnfahrkarte nicht aufbringen
konnten, kampierten gemeinsam auf offenem Felde.
In Uzunköprü schützten die staatlichen Sicherheitskräfte die
dortigen Juden zwar zunächst vor gewalttätigen Angriffen, dieselben
"Sicherheitskräfte" drohten ihnen jedoch gleichzeitig "die Regierung
verlangt, dass ihr die Stadt verlasst", worauf die gesamte jüdische Gemeinde
die Stadt verließ. (4)
Ab dem 4. Juli trafen etwa zehn bis 15.000 jüdische
Flüchtlinge aus Thrazien in Istanbul ein, wo sie von der dortigen Gemeinde
in Schulen, Gemeindezentren und Privatwohnungen untergebracht und versorgt
wurde. Erst ab diesem Tag beginnt auch die türkische (und jüdische Presse in
der Türkei) über die Vorfälle zu berichten.
Regierungsreaktion
Ministerpräsident Inönü ließ für den folgenden Tag das
Parlament zu einer Sondersitzung zusammenrufen, wo er in einer scharfen Rede
den antisemitischen Charakter der Aktionen verurteilte und eine Bestrafung
der Schuldigen ankündigte. Am selben Tag wurde Innenminister Sükrü Kaya mit
einer Delegation nach Thrazien geschickt. In einer Regierungserklärung vom
12.7.1934 heißt es abschließend : "Die Regierung wird jede Art von Druck in
Richtung Vertreibung und Boykott bekämpfen - Alle Schuldigen werden
festgenommen und bestraft - Alle Juden können in ihre Häuser zurückkehren
(...). (5) Gleichzeitig bescheinigte
diese Erklärung den Justiz- und Sicherheitskräften, sie hätten "ihre
Aufgaben komplett und ohne Zögern ausgeführt."
Die Lage schien wieder in Ordnung: "Die Massenvertreibung und
Attacken hörten offensichtlich genauso plötzlich auf, wie sie begannen" gibt
der "Jewish Chronicle" am 13.7. Entwarnung. Doch antijüdische Maßnahmen
hörten fortan weder auf, noch hatten sie "urplötzlich begonnen".
Nationalistische Politik der türkischen Republik
Obwohl bereits im Altertum Juden im Gebiet der heutigen
Türkei lebten und für Edirne vor Gründung des Osmanischen Reiches jüdische
Siedlungen nachgewiesen sind, prägten die Sepharden, die nach ihrer
Vertreibung aus Spanien 1492 im Osmanischen Reich Aufnahme fanden, die
dortigen Gemeinden entscheidend. Als Sprache setzte sich das Judezmo
(Judenspanisch) durch, auch aus den slawischen Ländern eingewanderte
askenazische Juden waren mit der Zeit "spaniolisiert" worden. In der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich über den Einfluss der Alliance
Israélite Universelle, die in zahlreichen Städten (z.B. Edirne) Schulen
gründete, Französisch als zweite Sprache.
So lebten die türkischen Juden in dem Bewußtsein, dass ihre
Vorfahren von den Osmanen mit Toleranz aufgenommen worden waren. Darüber
hinaus hatten die Türken sie wiederholt vor Angriffen der christlichen
Griechen und Bulgaren geschützt, unter denen antisemitische Stereotypen
(Ritualmordbeschuldigungen etc.) weit verbreitet waren. Die große Mehrheit
hatte den Beginn der Republik enthusiastisch begrüßt und zum Teil aktiv
unterstützt (so fungierte der ehemalige Oberrabbiner Haim Nahum als Berater
der türkischen Delegation bei der Konferenz von Lausanne).
Doch nun wurden die Juden – als eine der wenigen verbliebenen
nichtmuslimischen Minderheiten selbst Opfer der fanatischen
Nationalisierungspolitik, die vor allem die kulturelle und ökonomische
"Türkisierung" der Gesellschaft zum Ziel hatte. Die im Lausanner Vertrag
vereinbarten Minderheitenrechte werden in kürzester Zeit ausgehöhlt, die
Jüdischen Schulen verloren ihre Autonomie. Juden, die in öffentlichen
Betrieben arbeiteten, wurden entlassen. Ein im März 1926 erlassene Gesetz
(§. 159 des türk. StGB) stellte die "Beleidigung des Türkentums" unter
Strafe (von bis zu fünf Jahren Gefängnis).
Als sich im August 1927, ein Trauermarsch für ein ermordetes
jüdisches Mädchen (Elza Niego) in einen Protestmarsch gegen die
minderheitenfeindliche Politik der Regierung verwandelte, verbot die
Regierung den Juden kurzerhand die Freizügigkeit: niemand durfte die Stadt
oder den Ort verlassen, in der er sich zum Zeitpunkt des Trauermarsches
befand.
Im Wesentlichen trugen diese Maßnahmen und die sie
begleitende Propaganda weniger einen explizit antisemitischen als vielmehr
einen "xenophob-nationalistischen" Charakter. Speziell in den ehemals
gemischt besiedelten Gebieten Thraziens (6)
bildeten die kleinen jüdischen Gemeinden jedoch ab 1923 plötzlich die
einzige nicht-muslimische Minderheit, deren Namen, Sprache und Gebräuche
sich unterschieden, während die türkische Nationalbewegung die Schaffung
eines "homogenen Staatsvolkes" anstrebte.
Ab Ende der 20er Jahre Anfang der 30er Jahre hatten sich die
nationalistischen Maßnahmen der türkischen Regierung, die über die
Einheitspartei CHP, Massenorganisationen wie die "türk ocaklari" (7),
den türkischen Studentenverband usw. auch gewaltsam durchgesetzt wurden. Die
türkische Geschichtsthese und die Sonnensprachtheorie erklärten die Türken
zum ältesten Kulturvolk der Welt. 1928 hatte die türkische
Studentenvereinigung beschlossen, eine Kampagne zu beginnen, um die
Angehörigen der Minderheiten zum Gebrauch der türkischen Sprache zu zwingen.
Diese Kampagne - "vatandas Türkçe konus" [Bürger, sprich Türkisch] - wurde
von der gesamten kemalistischen Presse und gerade auch linken
Intellektuellen mit Vehemenz geführt. Staatsgründer Atatürk selbst
verkündete, einem Menschen, der kein Türkisch spricht, sei nicht zu trauen,
selbst wenn er behaupte, er sei der türkischen Kultur verbunden. Wiederholt
kam es auch zu tätlichen Angriffen gegen Personen, die eine andere als die
türkische Sprache benutzten. In jedem Fall trug diese über Jahre geführte
Kampagne erheblich zu einer aggressiven nationalistischen Mobilisierung bei.
Langfristig (bis heute) waren/sind andere Bevölkerungsgruppen der Türkei,
wie z.B. die Kurden, in viel umfassenderer Weise vom Zwang zur sprachlichen
Türkisierung betroffen. Während der 20er und 30er Jahre hatte diese
Sprachkampagne eine deutlich antijüdische Ausrichtung.
Der Einfluss Nazideutschlands
Zwar gab es bereits während der 20er Jahre erste türkische
antisemitische Publikationen. Neben Ebüzziya, dem "Herausgeber der Zeitung
tasvir-i efkar erschienen auch in Karikaturmagazinen antijüdische Angriffe.
Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland bekamen
diese Strömungen einen deutlichen Aufschwung.
Cevat Rifat Atilhan, hatte in Izmir bereits mehrere
antisemitische Bücher (8) verlegt und
eine entsprechende Zeitung namens Anadolu herausgeben. Nachdem diese
verboten wurde, war er im Winter 1933/34 einige Monate als Gast Julius
Streichers, des Herausgeber des Stürmer, in München. Nach Atilhans Rückkehr
in die Türkei gab er – nun in Istanbul – die Zeitschrift "Millî Inkilâp"
[nationale Revolution] heraus, die getrost als türkische Version des
"Stürmer" bezeichnet werden kann. Bei zahlreichen Zeichnungen, Karikaturen
und selbst Artikeln handelte es sich um eine direkte Übernahme/ Übersetzung
aus dem "Strümer", wobei lediglich die deutsch-jüdischen Namen durch
entsprechend verbreitete türkisch-jüdische Namen ersetzt wurden.
Eine ähnliche Rolle spielte Nihal Atsiz, der Begründer der
faschistischen Bewegung der Türkei, der sich während der 40er Jahre auch in
Haar- und Barttracht versuchte seinem Vorbild Hitler anzupassen. Dieser gab
ab 1934 die Zeitschrift Orhun (9) heraus.
Atsiz war im Herbst 1933 Literaturlehrer am Knabengymnasium von Edirne und
hatte während dieser Zeit eine gleich gesinnte Fangemeinde aufgebaut. Im Mai
1934 erschien in Orhun unter der Überschrift "Die edlen Nachkommen Moses'
sollen wissen" (10) ein massiver
Drohartikel gegen die Juden, der mit den Worten endet: "Sie sollen wissen wo
die Grenze ist. Sonst werden wir wütend und dann bleiben wir nicht wie die
Deutschen dabei stehen, sie zu vernichten, sondern gehen noch weiter: wir
werden ihnen Angst machen[....]" Dieser Artikel wurde im "Millî Inkilâp"
sofort nachgedruckt.
Das Gesetz über die Zwangsumsiedlungen – iskan yasasi
Auch das Siedlungs-Gesetz (11),
das am 14. Juni verabschiedet wurde, richtete sich nicht in erster Linie
gegen die Juden, sondern gegen die ungleich zahlreichere und aufständige
kurdische Bevölkerung (12), spielte aber
für die Ereignisse in Thrazien eine entscheidende Rolle.
Nach diesem Gesetz, sollte die Türkei demographisch nach
folgende Kategorien eingeteilt werden:
1.) Zonen, in denen des Bevölkerungselements "türkischer
Kultur" verstärkt werden soll,
2.) Zonen, vorgesehen für die Ansiedlung von Bevölkerungsgruppen, deren
Assimilierung angestrebt wird
3.) Gebiete, die aus militärischen, politischen, kulturellen ökonomischen
und anderen Gründen evakuiert werden und in denen keine Ansiedlung
zugelassen wird.
Dieses Gesetzes erlaubte es dem Innenministerium jeder Zeit,
Bevölkerungsteile, die als "nicht der türkischen Kultur zugehörig"
betrachtet werden, in Zonen der Kategorie 2 umzusiedeln. Es galt als sicher,
dass die in den vergangenen 30 Jahren umkämpfte Region Thraziens nun auch
angesichts der heraufziehenden Kriegsgefahr (13)
der Kategorie 1 eingeteilt werde, die "nicht-türkische" Bevölkerung also
zwangsumgesiedelt werde. Zumal bereits ein für diese Maßnahmen zuständiger
"Generalinspektor" [umumî müfettis] für die Region ernannt worden war, der
in Edirne residierte.
Staatliche Verantwortung
Auch wenn die Regierung Inönü die Ausschreitungen wortreich
verurteilte, entsprach die Vertreibung der Juden staatlichen Planungen. Dies
geht aus der Korrespondenz des britischen Botschafters Percy Loraine hervor:
"(....)entgegen allen Erklärungen Ismet Inönüs und des Innenministeriums hat
unser Handelsattaché aus einer vertrauenswürdigen Quelle erfahren, daß die
türkische Regierung vor einiger Zeit den Beschluss gefasst hat, Thrazien von
dem jüdischen Element zu reinigen". (14)
Hintergrund waren die Maßnahmen zur militärischen Befestigung Thraziens
angesichts der Aufrüstung Italiens. Dabei galten die Juden als
"unzuverlässig". Laut Artikel neun des Iskan kanunu sollten "diejenigen, von
denen man vermuten könnte sie würden für Spionage betreiben, aus den
Grenzgebieten entfernt werden".
Wie Loraine weiter schreibt, sollte dies "unmerklich"
geschehen. Einzelne Boykottaktionen, Drohungen usw. sollten die Juden soweit
einzuschüchtern, dass sie "von sich aus" das Gebiet verließen. Doch die
mündlichen Anordnungen der Regierung waren über örtlichen Stellen auch an
weitere Kreise durchgesickert und die Aktionen dann "aus dem Ruder
gelaufen": Dass staatliche Stellen, von einzelnen Polizisten bis zu
Abgeordneten an den Drohungen beteiligt waren und während der Plünderungen
Sicherheitsbeamten ihre Posten verließen, geht aus zahlreichen Schilderungen
hervor. So wurden in den Privatwohnungen des Polizeichefs und des
Gendarmeriekommandanten von Kirklareli geplünderte Sachen gefunden.
Nachdem die Ereignisse offensichtlich außer Kontrolle geraten
waren, bemühte sich die Regierung um "Schadensbegrenzung". Mehrere der Täter
wurden festgenommen und vor Gericht gestellt. Die bei den Plünderungen
geraubten Sachen wurden soweit aufgefunden zurückgegeben. Viele der Juden
hatten jedoch unter Drohungen ihren Besitz zu lächerlichen Preisen veräußert
und so ihre Existenz verloren. Trotz der Erklärungen der Regierung, man
werde die Juden schützen und den Aufforderungen, sie sollten in ihre Heimat
zurückkehren, wurden ihnen keine Mittel für die Rückkehr und keine
Entschädigungen gezahlt.
Die Zeitschrift Millî inkilâp wurde im Juli verboten. Obwohl
die Mehrheit der türkischen Presse die Gewaltakte verurteilte, verbanden
zahlreiche Artikel die Kritik mit Kommentaren, die die Juden selbst für die
Ausschreitungen mitverantwortlich machten, da sie die türkische Kultur und
Sprache nicht übernommen hätten. Am deutlichsten bringt die Zeitschrift
Karagöz diese Haltung zum Ausdruck: "Es gibt in der Türkei keine
Feindlichkeit gegen irgendein Bevölkerungselement, da es in der Türkei außer
Türken kein anderes Bevölkerungselement gibt. Juden, Armenier, Griechen usw.
kennen wir nicht, alle sind Türken!. Wir haben ihnen diese große Ehre nicht
versagt, aber sie müssen sich anstrengen, um sich dafür würdig zu erweisen!"
(15) Zwischen 1939 und 1944 gab es dann sehr
wohl eine antisemitische Kampagne in der türkischen Presse die sich nun
nicht mehr auf versprengte Hetzblätter beschränkte, sondern auch große
Blätter (so z.B. die bis heute gern als "linksliberal" zitierte Cumhuriyet).
Für die jüdischen Gemeinden markierten die Ereignisse von
1934 einen tiefen Einschnitt. Ein Großteil der geflohenen Juden kehrte nicht
in ihre Heimatstädte zurück Drohungen und Einschüchterungen in Edirne gingen
weiter und trafen bald auch jüdische Familien in Istanbul. Im Oktober 1934
erhielten die Schulen in Edirne die Order, keine jüdische Schüler
aufzunehmen. So verließen Woche für Woche weitere jüdische Familien die
Stadt. Für mehrere Gemeinden besiegelten die Ereignisse das Ende ihrer
Jahrhunderte alten Existenz.
Zuerst erschienen in:
INAMO, Informationsprojekt Naher und
Mittlerer Osten, Nr. 38, Juli 2004
Anmerkungen:
(1) Gemeint ist jeweils der türkische Teil von
Thrazien
(2) Jewish Chronicle 6.7.1934
(3) Erol Haker: "Bir zamanlar Kirklareli’de Yahudiler yasardi..." (Einst
lebten auch in Kirklareli Juden), Iletisim, Istanbul, 2002; auf S. 249 – 268
(4) Avner Levi: Türkiye Cumhuriyet’inde Yahudiler, Iletisim, Istanbul 1996,
S. 117
(5) zitiert nach A. Levi S. 124 - 126
(6) In Thrazien hatten bis zu den Balkankriegen Türken, Griechen, Bulgaren
und . in deutlich geringerer Zahl – Juden gemischt gesiedelt.
(7) Wörtlich: Türkenheime
(8) Diese strotzen vor anitsemtitischer Hetze und Verschwörungstheorien so
z.B. "Das Tagebuch der Suzi Liebermann", welches den Verat der jüdischen
Spionin Suzi L. für die Niederlage der osmanischen Armee im Ersten Weltkrieg
verantwortlich macht.
(9) In der nationalistischen Ideologie der Türken das urtürkische Vaterland
(10) im Original: "Musa'nin necip evlâtlaeri bilsinler ki", Orhun 1934, Nr.
7
(11) wörtlich. Mecburi iskan kanunu = Gesetz über die gezwungene Siedlung
(12) Dieses Gesetz diente als Handhabe zur Zwansgumsiedlung Hunderttausender
Kurden, die zum Teil mit äußerster Brutalität umgesetzt wurde und zahllose
Todesopfer forderte
(13) seit Mussolini mit dem Schlagwort vom "mare nostrum" den gesamten
Mittelmeerraum zum italienischen Einflussgebeit erklärt hatte, verkörperte
Italien für die Türkei die Hauptkriegsgefahr.
(14) 22.7.1934, Botschaft Großbritanniens, Perscy Loraine, Istanbul No
371/10/34; zitiert nach Ayhan Aktar: Trakya olaylari "Dogru" yorumlamak, in:
tarih ve toplum No 155, (Otkober 1996, S. 49
(15) Karagöz 11.7.1934
hagalil.com 04-07-2004 |