Bert Hellinger in Bad Sulza:
NS-Verharmloser und Psycho-Guru
„Familientherapeut“ mit „brauner Aura“ - Netzwerkstelle gegen
Rechtsextremismus bei Radio Lotte warnt
Am kommenden Donnerstag, 10. Juni 2004, findet in Bad
Sulza im Conference Center der Toskana Therme ein Seminar mit dem
umstrittenen, selbst ernannten Familientherapeuten Bert Hellinger statt.
Seine bizarren Methoden, seine fatale Lehre von der
Unterwerfung unter höhere Schicksalsmächte und sein immenser ökonomischer
Erfolg vor allem in der so genannten esoterischen Psychoszene haben bereits
vielfach um den Ruf ihres Faches besorgte Psychologen, Psychotherapeuten und
weitere kritische Geisteswissenschaftler auf den Plan gerufen. Und das nicht
erst nach dem Selbstmord einer Hellinger-Anhängerin am Tag nach einem dieser
Seminare in Leipzig 1997.
Für betroffene Hilfe- und Ratsuchende, für Menschen mit
Depressionen und Kindheitstraumata etwa nach sexuellem Missbrauch in der
Familie seien Hellingers Massenveranstaltungen richtig gefährlich, ist man
sich unter Kritikern einig.
Seine Gegner attestieren dem einstigen katholischen
Theologen, der 15 Jahre als Missionar im Apartheid-Staat Südafrika tätig
war, eine „braune Aura“, sie nennen ihn „reaktionär, frauenfeindlich
und,protofaschistisch’“, seine Lehren „esoterischen Firlefanz“. In einem
Beitrag der Zeitschrift „Psychologie heute“ (Heft 3/2003) wird Hellinger
offener Antisemitismus vorgeworfen, dass er den deutschen Faschismus
verharmlose und Hitler verherrliche.
Der Münchener Psychologe Colin Goldner vom Forum Kritische
Psychologie, einer gemeinnützigen Beratungsstelle für Therapie- und
Psychokult-geschädigte, warnte schon Ende Januar (Hellinger „gastierte in
der Weimarhalle) in einem Interview auf Radio Lotte Weimar vor den Praktiken
des Erfinders des umstrittenen „Familienstellens“. Goldner kämpft seit
Jahren gegen die esoterische Volksverdummung und gefährliche Scharlatanerie
auf einem ausufernden Markt für „seelische Gesundheit“, auf dem sich vor
allem wenig Vertrauen erweckende Obskuranten tummeln.
Hellinger nennt Widerstandskämpfer gegen deutsche Besatzer im
Zweiten Weltkrieg „Mörder“, Menschen wie Stauffenberg, die Geschwister
Scholl und andere „Erfolglose“ bezeichnet er als „unklug“ und
„Selbstmörder“. Diejenigen, die des Widerstands gegen NS-Deutschlands
gedenken, verdächtigt er, selbst feige zu sein.
Während man angesichts zunehmender Aktivitäten von Neonazis
in Weimar, Thüringen und Deutschland rasch einen gemeinsamen Nenner der
„Anständigen“ gegen Rechtsextremismus findet, bleiben
rechtsextrem-reaktionäre Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft, gerade im
Dunstkreis esoterischer Volksverdummung weitgehend unkommentiert: fast
unbemerkt von öffentlicher Aufmerksamkeit kann ein braun-gestreifter
Psycho-Popanz wie Hellinger seinen Budenzauber mitten unter uns entfalten.
Das ist beschämend! Einmal mehr zeigt sich, dass es ein wahrhaftig viel
größeres Problem mit rechtsextremen und rassistischen Ideologien und
Menschenbildern gibt als „nur“ mit einer gewalttätigen Szene mehr oder
minder organisierter Neonazis.
Die Netzwerkstelle warnt vor Bert Hellingers rassistischer
Idee eines kulturalistischen Regionalismus und seinem Anknüpfen an
nationalsozialistisches Gedankengut, seine Bewunderung für Hitler, aber auch
vor seiner höchst umstrittenen Therapie.
Jüngster zynisches Akt des von fachlicher und politischer
Kritik völlig unbeeindruckten, „sattsam bekannte Rottenführers der rechten
Psychoszene“ (Colin Goldner, konkret 6/2004) ist der Kauf von Hitlers
„Kleiner Reichskanzlei“ in Berchtesgaden: Nun kann er seine spiritistischen
Gespräche mit dem verkannten „Unmenschen“ Hitler in dessen heimeliger
Umgebung in der Alpenfestung fortsetzen.
(Literatur: Colin Goldner: Der Wille zum Schicksal, Wien
2003; Studentischer Sprecherrat der Universität München (hrsg.): Niemand
kann seinem Schicksal entgehen, Aschaffenburg, 2004; Internet:
www.fkpsych.de)
Fritz Burschel, Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus bei Radio Lotte
Weimar, 8.6.04, Tel.: 03643/777360, E-Mail:
weimar-gegen-rechts@web.de
Zitate aus dem Aufsatz „Die Schuld der Eltern geht die Kinder
nichts an“ von Prof. Klaus Weber (Aus: „Psychologie heute“, 3/2003):
„Hellinger arbeitet daran, geschichtliches Denken, kritische
Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu
verunglimpfen. Er verharmlost darüber hinaus den deutschen Faschismus,
verherrlicht Hitler und diskriminiert die Juden.“
„Hellinger knüpft bedenkenlos an Kategorien völkischer Ideologie an: Das
eigene Volk und die Heimat seien Ordnungen, außerhalb derer man krank werde.
So weiß er von MigrantInnen, die ihrer Heimat den Rücken kehrten und krank
geworden sind, "dass die nur gesund werden können, wenn sie in ihre Heimat
zurück gehen und wenn sie bereit sind, das Schicksal ihres Volkes zu teilen.
Manche fliehen davor und sie drängen sich einer anderen Heimat auf, die
ihnen gar nicht gehört und sie auch gar nicht braucht oder will" (Hohnen, H.
& Ulsamer, B. (Hg.). Mit der Seele gehen. Gespräche mit Bert Hellinger.
Freiburg: Herder, 2001, S.109). Hier wird das Konzept eines kulturellen
Rassismus propagiert, das davon ausgeht, dass es sowohl für kulturelle
Einheiten wie Völker als auch für deren Subjekte krank machend ist, wenn sie
sich vermischen. Ihre Wurzeln hat diese rassistische Logik in den Theorien
der französischen "Neuen Rechten" um Alain Benoist, die unter dem Vorwand
der Reinhaltung der Ethnien eine neue, nichtbiologistische Trennung der
Völker und Kulturen propagieren und deshalb für eine radikale Remigration
der so genannten "Gastarbeiter" eintreten.“
„Hellingers Empfehlung an religiös, rassisch oder politisch Verfolgte
lautet, sie sollten sich ihrem Schicksal fügen und es anerkennen; letztlich
trügen auch die schlimmsten Erfahrungen zu etwas Gutem und Großem bei.“
„Doch auch die politischen Ergebnisse faschistischer Politik und Hitlerscher
Entscheidungen werden von Hellinger gewürdigt. Die Judenvernichtung, der
Eroberungsfeldzug gegen Osteuropa, die Euthanasieprogramme: Nach Hellinger
haben hier Menschen “schlimmste Sachen angerichtet"; doch gleichzeitig
rechtfertigt er alle Ergebnisse faschistischer Politik mit dem Hinweis auf
einen übergeordneten "Zwang": "Wir müssen zugeben, dass auch das Böse in den
Händen von größeren Mächten ist und in einem größeren Ganzen einen Sinn
hat".“
„Hellinger propagiert einen Menschentyp, der funktional für jedes totalitäre
und faschistische System wäre.“
„Die Kritik an Hellinger, er arbeite mit Gaukeleien und Täuschungsversuchen,
greift zu kurz. Hellinger benutzt in seinen Texten ideologische Figuren, die
direkt an die faschistische Ideologie anknüpfen, und er arbeitet
therapeutisch an der "freiwilligen" Zustimmung kranker, leidender Menschen
zu ihrem "Schicksal" und damit an ihrer Selbstunterwerfung. Seine explizite
Anerkennung Adolf Hitlers und seine antisemitischen Anspielungen zeigen,
dass Hellinger ein politisches Projekt verfolgt, das kritisiert und bekämpft
zu werden verdient hat.““
Aus: „Psychologie heute“, 3/2003 |
hagalil.com
08-06-2004 |