Journal Panorama:
Der österreichische Rundfunk und die
"national-religiöse Hamas"
Von Karl Pfeifer
Es gab eine Zeit, da hörte ich gerne Ö1, insbesondere das
Abendjournal und das "Journal Panorama". Doch in letzter Zeit ärgere ich
mich immer häufiger über schlampige Formulierungen und Faktenfehler. Das
führt dazu, dass ich immer öfter ausländische Sender höre, die weniger
Fehler machen und vor allem ein wenig ausgewogener sind als Ö1.
Was Ö1 unter Ausgewogenheit versteht, bekam ich gestern Abend
zu hören, als der im Journal Panorama einen Bericht aus Damaskus
anmoderierende Manfred Steinhuber folgenden Satz von sich gab: "Es ist noch
keine zwei Wochen her, da konnten sie im Journal Panorama die Meinung des
israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery hören. Heute kommen Palästinenser
zu Wort." Steinhuber weiter: "Mit der gezielten Tötung von Scheich Achmed
Yassin und Abdel Aziz al Rantisi hat die israelische Regierung die
national-religiöse palästinensische Bewegung Hamas innerhalb weniger Wochen
ihrer zwei führenden Köpfe beraubt."
Die Journalistin Kristin Helberg hat einige Monologe Khaled
Meshaals in Damaskus aufgenommen. "Sharon bezahlt interne Rechnungen mit
palästinensischem Blut, aber die Hamas wird diese schwierige Phase
überwinden", schwadroniert er. Und versichert den Zuhörern, dass sich der
Kampf der Hamas nicht gegen die USA richtet. "Wir kämpfen nur gegen die
israelische Besatzung". Dazu Helberg: "Mit israelischer Besatzung meint
Meshaal alle Gebiete des historischen Palästina, auch das heutige Israel.
Die Hamas will dort einen palästinensischen Staat errichten, wohin aber mit
den Israelis?" fragt, die besorgt tuende Journalistin, "Ab ins Meer?"
"Nein", versichert Meshaal, - den Faras, ein anderer in der
Sendung zu Wort kommender Palästinenser als den "Joschka Fischer der Hamas"
bezeichnet - "Wir wollen nur unser Land zurück. Wenn die Besatzatzung vorbei
ist und mit ihr der Staat, der sich auf diese Besatzung gründet, haben wir
kein Problem damit, dass in Palästina Juden, Christen und Muslime leben."
Kristin Helberg meint: "Jerusalem ist allen drei
monotheistischen Weltreligionen heilig und die jetzigen Probleme haben ihre
Wurzel in einem religiös geprägten Staat Israel, der Juden bevorzugt." Das
"kleine Problem", dass ja die Juden in Israel vor allem ein Volk und keine
Religionsgemeinschaft sind und dazu auch viele nichtreligiöse und
atheistische Juden gehören, die eine eigene Sprache und Kultur haben, wird
von ihr nicht berührt. Die Journalistin übernimmt auch vollkommen die
Sprachregelung Mashaals, wenn sie ausführt: "Anschläge außerhalb Palästinas
sind für Maschaal kein Thema". Für sie ist der Staat Israel in dem die von
Mashaal angeführte Terrorgruppe viele Selbstmordanschläge gegen Frauen,
Kinder und Alte durchgeführt hat "Palästina".
Mit der von der Hamas angestrebten Zerschlagung eines auch
von Österreich anerkannten Staates haben anscheinend weder Kristin Helberg,
noch der österreichische Moderator ein Problem. Was dann seitens Mashaals
über Demokratie und den geplanten islamischen Staat kommt wird ebenfalls
nicht hinterfragt. Die Journalistin benützt aber diese Gelegenheit, um mit
einem antiisraelischen Schlenker doch für einen säkularen Staat einzutreten,
da ja die arabische Minderheit mit dem jüdischen Staat eine solch schlechte
Erfahrung gemacht hat, dass sie keinen auf Religion gründenden Staat möchte.
Dann fragt Helberg nach der Gewalt gegen Zivilisten. Und
Meshaal weiß was man in den Nachfolgestaaten des Dritten Reiches dazu hören
will: "Und auf wen hatten es die Alliierten im Zweiten Weltkrieg abgesehen?"
und lauter: "Sie wollten das Naziregime treffen und haben deutsche
Großstädte mit Bombenteppichen überzogen."
Und jetzt bitte halten Sie sich an beim Lesen: "Wir wollen
keine Frauen, Kinder und Alten töten", sagt Meshaal. "Deswegen richten sich
unsere Angriffe vor allem gegen Militär und bewaffnete Siedler." Auch diese
tatsachenwidrige Behauptung wird von Helberg so im Raum stehen gelassen.
Dann kommt aber der schon eingangs erwähnte Faras mit einem starken Spruch
zu Wort. Die Bedingungen auf der Westbank und im Gazastreifen, so Helberg,
"erinnern Faras an Nazideutschland sagt der Geschäftsmann, der viel durch
Europa gereist ist und sich in der Geschichte Europas gut auskennt."
Auch das lässt sie ohne Einwand stehen, es ist ja die Meinung
eines "Palästinensers" und der wird ja noch im staatlichen Rundfunk des
"ersten Opfer des Nationalsozialismus" frisch und fröhlich die
nationalsozialistischen Verbrechen so verharmlosen dürfen. Damit kommt man
ja leider vielen Österreichern entgegen.
Denn während dieser Sendung wird die ganze Schuld am Konflikt
Israel in die Schuhe geschoben. Und diese Meinung ist doch sehr verbreitet.
Da lässt man Meshaal sagen, dass die Palästinenser sich mit
Selbstmordattentaten "verteidigen", denn "sie haben keine andere Waffe, als
sich selbst in die Luft zu sprengen." Meshaal bramarbasierend: "Die Israelis
haben Angst, weil sie auf dem Land anderer Leute leben."
So werden in Ö1 die Terroristen als Helden, die Israelis als
Feiglinge und Israel als Staat auf geraubtem Land hingestellt.
Die "Ausgewogenheit" des Ö1 oder die Bezeichnung der von der
EU als terroristische Organisation qualifizierten Hamas als
"national-religiöse Bewegung" ist für mich keine große Überraschung, auf
Israel herumzuhacken ist populär, da ruft kein Politiker oder Vorgesetzter
an, um sich zu beschweren. So leistet Ö1 seinen Beitrag zur Gegenaufklärung.
Unter dem Motto, Fakten sind nebensächlich, wichtig sind die Narrativen,
kommt es zu einer vollständigen Umkehrung der Tatsachen. So wurden die
Israelis während dieser Sendung widerspruchslos pauschal als "Unterdrücker
und Diebe" denunziert. Dass konsequent die ganze Schuld am Konflikt Israel
in die Schuhe geschoben wurde, findet weite Zustimmung.
Viele, allzu viele Österreicher sagten noch vor 60 Jahren
"der Jud' ist schuld", und weil man auch hier mit der Zeit geht, hat man den
Spruch zeitgemäß in "Israel ist schuld" umgewandelt.
hagalil.com 13-05-2004 |