Neonazi-Gewalt in Frankreich II:
Waffenarsenal ausgehoben; welche Verbindungen zum FN?
Von Bernhard Schmid, Paris
Wie am 7. April 04 landesweit bekannt wurde, hatte die
französische Polizei am 30. März sowie 2. April dieses Jahres eine
Neonazigruppe in der Region Centre (um Orléans) ausgehoben und dabei
beeindruckende Mengen von Waffen sowie Propagandamaterial beschlagnahmen
können.
Dabei wurden Strafverfahren gegen 14 vorwiegende jüngere
Personen wegen Bildung einer illegalen "Kampfgruppe" und unerlaubtem
Waffenbesitz eröffnet, wie der Staatsanwalt von Châteauroux, Pierre Valleix,
vor der Presse erklärte. Und ihr mutmaßlicher Chef wurde in
Untersuchungshaft genommen. Es handelt sich um den Besitzer einer Kneipe in
Saint-Maur, einem Vorort der Bezirkshauptstadt Châteauroux; die Kneipe muss
eines der wichtigsten Anlaufzentren der Gruppe dargestellt haben. Aufgrund
bereits damals über ihren Betreiber vorliegender Informationen hatten die
örtlichen Behörden, zu Anfang des Jahrzehnts, zunächst die
Eröffnungsgenehmigung verweigert.
Die Polizei war ab 2001 auf die Gruppe aufmerksam geworden.
Sie verteilte Flugblättern vor Schulgebäuden und beschmierte die Wohnhäuser
bestimmter, aus ihrer Sicht unliebsamer Lehrkräfte. Die Durchsuchung der
Kneipe im Vorort von Châteauroux sowie eines Bauernhofs in
Mézières-en-Beauce im gleichen Bezirk förderten ein ganzes Waffenarsenal
zutage: ein "perfekt unterhaltenes" Maschinengewehr aus dem Zweiten
Weltkrieg, Jagdgewehre, mehrere hundert Schuss Munition für Jagd- und auch
Kriegswaffen, Handgranaten, Gasmasken und Militärklamotten. Beschlagnahmt
wurde auch umfangreiche geschichtsrevisionistische Literatur sowie mehrere
Exemplare der Zeitschrift "L'Epervier" (Der Sperber), die durch den
inhaftierten Kneipenwirt vertrieben wurde.
Die Gruppe strukturierte sich anscheinend rund um diese
Zeitschrift sowie um Konzerte mit Neonazi-Musik, genannt "Rock identitaire".
Zu diesem Zweck hatte ihr Chef die Vereinigung "Bleu Blanc Rock"
(Blau-Weiß-Rock) angemeldet. Die Namensgebung lehnt sich an das auf der
gesamten extremen Rechten verbreitete Identifikationskürzel BBR (eigentlich
für "bleu blanc rouge", Blau-weiß-rot wie die Nationalfarben) an so taufte
der Front National sein früher alljährlich stattfindendes Fest.
Von Interesse sind die Verbindungen der jetzt ausgehobenen
Gruppe zur übrigen extremen Rechten. Der verhaftete Kneipenwirt gilt als der
früheren Neonazi-Gruppe Unité Radicale (UR) die im August 2002 nach dem
misslungenen Attentat auf Präsident Chirac verboten wurde - zumindest nahe
stehend. Aber auch zum Front National (FN) bestehen zumindest Kontakte. Der
Bezirksvorsitzende des FN in Châteauroux, Michel Hubault, räumte gegenüber
"Le Monde" (08. April) wenigstens eine Mitgliedschaft des Kneipenwirts in
seiner Partei ein. Dieser sei allerdings nicht in Parteifunktionen aktiv
gewesen. Ansonsten verstehe er nicht, dass die Presse so viel Aufhebens
"wegen ein paar gefundener Knaller" veranstalte. Allerdings tauchte der
Kneipenbetreiber im Jahr 1998, laut Impressum, als "Chefredakteur" des
FN-Organs auf Bezirksebene "Le Patriote du Berry" auf. Und dessen
Herausgeber war und ist niemand anders als der Bezirksvorsitzende der
Partei, Michel Hubault.
Im Gegensatz zur französischen bürgerlichen Presse, die in
dieser Angelegenheit keine Privatnamen nannte, sind der rechtsextremen
Wochenzeitung "Rivarol" (30. April 04) nähere Angaben zu den Beteiligten zu
entnehmen. "Rivarol" (Auflage: 2.000 bis 2.500) ist unter den größeren, auch
an Kiosken erhältlichen rechtsextremen Zeitungen die radikalste. Die, offen
antisemitische, Zeitung wurde bereits 1951 von Vichy-Nostalgikern und
Kollaborateuren wie dem Pro-NS-Propagandisten Lucien Rebatet begründet. Am
30. April dieses Jahres berichtet sie unter dem Titel "Die widerliche
Manipulation von Châteauroux" über die vor einem Monat erfolgten
Durchsuchungen. Ihr ist zu entnehmen, dass es sich bei der betroffenen
Kneipe um "La Taverne Saint-Georges" handele, die sich - praktischerweise? -
fast zu Füßen des Hochsicherheits-Gefängnisses von Saint-Maur (wo unter
anderem der Terrorist "Carlos" einsitzt) befindet. Der mutmaßliche Wirt und
Chef der Neonazi-Gruppe wird ebenfalls durch "Rivarol" vorgestellt: Es
handelt sich um den 31-jährigen Paul-Emmanul Thore. "Rivarol" ruft dazu auf,
dem derzeitigen Untersuchungsgefangenen in der Haft zu schreiben. Dieselbe
Ausgabe von "Rivarol" enthält auch anderthalb Zeitungsseiten Interview mit
Jean-Marie Le Pen.
hagalil.com 03-05-2004 |