Big Spender:
F.C. Flick und die geerbte Nazi-KohleNachdem
sich F.C. Flick als großzügiger Spender feiern und einen Teil des gerbten
NS-Geldes in seinen Verein "gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und
Intoleranz" fließen ließ, steht nun eine Ausstellung seiner Kunstschätze in
Berlin auf dem Programm.
Salomon Korn, stellvertretender Präsident des Zentralrats
der Juden in Deutschland, hat sich in einem "offenen Brief" gegen die
Ausstellung der so genannte "Flick-Collection" gewandt.
Dr. Friedrich Christian Flick, Erbe des Flick-Konzerns, versuche mit Teil
des ererbten NS-Geldes den Namen "Flick" reinzuwaschen.
OFFENER BRIEF
Dr. Salomon Korn
Zentralrat der Juden in Deutschland, K.d.ö.R., Tucholskystraße 9, 10117
Berlin
Herrn
Dr. Friedrich Christian Flick
Hardstraße 305
Postfach 1414
CH-8031 Zürich
Vorab per Fax: 0041 1
2768229
Frankfurt am Main, den 17.
Mai 2004
Sehr geehrter Herr Flick,
vielen Dank für Ihren Brief vom 10. Mai
2004, der zwischenzeitlich im Berliner „Tagesspiegel“ vom 15. Mai und im
Internet zu lesen ist.
Mit dem Namen Flick verbindet die
Öffentlichkeit gewöhnlich dreierlei: Zunächst den Konzerngründer Friedrich
Flick, jenen Mann, der die NSDAP finanziell unterstützte, einen großen Teil
seines Reichtums vor allem der gnadenlosen Ausbeutung von Zwangsarbeitern
und Arisierungsverbrechen verdankte, vor dem Nürnberger Tribunal als
verurteilter Kriegsverbrecher nicht die geringste Einsicht zeigte und als
einer der reichsten Männer Deutschlands sich bis zu seinem Tode weigerte,
auch nur die geringste Entschädigung zu zahlen; dann seinen Sohn Friedrich
Karl Flick, den „bekennenden Steuerflüchtling“ und schließlich seine Enkel
„Mick“ (Sie) und „Muck“ (Ihr Bruder), die über viele Jahre hinweg die
Spalten der Regenbogenpresse mit ihrer ausschweifenden Jet-Set Odyssee und
einem spektakulären Glamourleben füllten.
Der dunklen Seite Ihrer
Familiengeschichte werden Sie durch Ausstellung Ihrer Kunstsammlung in der
deutschen Hauptstadt allenfalls vordergründig eine helle hinzufügen können.
Seit Sie 1975 (und noch einmal 1985) ein riesiges Vermögen geerbt haben,
hatten Sie über ein Vierteljahrhundert ausreichend Zeit und Gelegenheit, die
Zwangs- und Sklavenarbeiter Ihres Großvaters – und sei es nur symbolisch –
zu entschädigen; ob es jene waren, die mit dem Leben zahlten, oder jene, die
mit schweren gesundheitlichen Schäden überlebten: sie alle haben wesentliche
Teile des Grundstocks gelegt, aus dem auch Ihr Reichtum gewachsen ist
– gleichgültig, wie oft dieser Erbteil zwischenzeitlich durch Ihre eigene
Leistung vervielfacht wurde.
Sie können den historisch belasteten
Teil Ihres Erbes - die Verbrechen Ihres Großvaters - nicht einfach vom
vermeintlich neutralen materiellen Teil - das durch diese Verbrechen
erworbene Blutgeld - sauber abtrennen. Auch wenn Sie offenbar nicht bereit
sind, diesen Zusammenhang und die damit verbundene Hypothek anzuerkennen und
mit allen Konsequenzen zu übernehmen, wie dies zum Beispiel Jan Philipp
Reemtsma getan hat: Ihre „Flick-Collection“ stammt mittelbar aus jenen
Quellen, aus denen ursprünglich das Blutgeld Ihres Großvaters sprudelte.
Sie fragen, ob Ihre „Stiftung gegen
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz“ nun auch mit Blut befleckt
sei, weil mit Blutgeld finanziert: Nicht wenn sie einem aus Verantwortung
erwachsenen, aufrichtigen Wunsch nach Wohltätigkeit oder Entschädigung
entspringt. Dieser vermag, sofern in die Tat umgesetzt, Blutgeld in ein
Mittel zur Milderung von Not und Unrecht umzuwandeln. Dies gilt nicht, wenn
eine solche Stiftung vorrangig zum Zwecke gezielter öffentlicher Wirkung
gegründet wurde. Und damit komme ich zu Ihrer „Begründung“, warum Sie nicht
in den Zwangsarbeiterfonds eingezahlt haben.
Sie berufen sich auf Einzahlungen von
(früheren) Flick-Firmen in den Zwangsarbeiterfonds, die zur Zeit seiner
Errichtung längst verkauft und an denen Sie nicht beteiligt waren. Damit
werden die Einzahlungen der neuen Eigentümer in den
Zwangsarbeiterfonds von Ihnen als Einzahlungen der Familie Flick
hingestellt. Noch befremdlicher ist Ihr Rechtfertigungsversuch, „Zahlung der
Privatperson Flick hätte den Fonds nicht erhöht, sondern lediglich die
Garantiezahlungen großer deutscher Konzerne um diesen Betrag gemindert“.
Einmal abgesehen von der damit verbundenen symbolischen Geste, hätte es
Ihnen als Privatmann seit 1975 jederzeit freigestanden, vor, während und
nach Einrichtung dieses Fonds freiwillig für die Entschädigung von Zwangs-
und Sklavenarbeit zu spenden. Und Sie haben auch nicht, wie Sie nunmehr
behaupten, „stattdessen“ 2001 Ihre „Stiftung“ gegründet, sondern, wie ich
der Wochenzeitung Jungle-World vom 18. Juni 2003 entnehme, auf Anraten einer
Zürcher PR-Agentur diese Stiftung ins Leben gerufen, nachdem die Stadt
Zürich es 2001 abgelehnt hatte, einem Museumsbau für Ihre Kunstsammlung
zuzustimmen. Ihre in diesem Zusammenhang gemachte Äußerung „Ich empfinde
Verantwortung, aber keine Schuld“ hat hinsichtlich der Verantwortung
zumindest zwischen 1975 und 2000 keine nennenswerten materiellen
Konsequenzen gezeitigt.
Ja, Sie hätten der dunklen Seite Ihrer
Familiengeschichte eine helle hinzufügen können: durch von Verantwortung
geleitetes, tätiges Handeln vor allem den überlebenden Zwangs- und
Sklavenarbeitern gegenüber. Dann nämlich wäre etwas vom Glanz dieser
gelebten Verantwortung nicht pauschal „auf den Namen Flick“, sondern auf den
Menschen Friedrich Christian Flick gefallen und hätte die Farbe des Blutes
auf dem ererbten Geld verblassen lassen können.
So aber wird nur der schöne Schein Ihrer
mit Blutgeld des Großvaters erworbenen Kunstsammlung die dunklen Seiten der
Flick-Dynastie widerspiegeln, nicht aber aufhellen – auch wenn in Berlin
sich einige bereits jetzt davon blenden lassen.
Ich kann beim besten Willen nicht
erkennen, aufgrund welcher philanthropischer Leistungen,
Entschädigungszahlungen oder Verdienste um das Gemeinwohl Ihnen nunmehr eine
öffentliche Bühne für die Rehabilitierung Ihres Familiennamens geboten
werden soll. Eigentlich müsste es Ihnen doch in erster Linie darauf
ankommen, als Individuum durch besondere persönliche Verdienste Anerkennung
und Respekt für den Menschen Friedrich Christian Flick zu erwerben und nicht
bloß einem umstrittenen Familiennamen eine helle Seite hinzuzufügen. Und da
gehörte eben mehr dazu, als seine mit dem Blutgeld des Großvaters erworbene
Kunstsammlung der Öffentlichkeit leihweise zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie am Ende Ihres Briefes
schreiben, die Enkel hätten kein Blut mehr an ihren Händen, dann stimme ich
dem vorbehaltlos zu, weil es weder Kollektivschuld noch Sippenhaft gibt;
aber in Ihrem Fall haben die Enkel eine besondere Verantwortung und eine
besondere moralische Verpflichtung im Umgang mit dem Blutgeld des
Großvaters. Und wenn Sie schließlich sagen, Sie hätten sich mit Ihrer
Familiengeschichte beschäftigt, dann will ich Ihnen dies glauben und
gleichzeitig hoffen, dass dieser Beschäftigung ein Lern- und
Erkenntnisprozess folgt, der von Ernsthaftigkeit, Verantwortung und dem
entsprechenden Willen zur Tat gekennzeichnet ist.
Verehrter Herr Flick, es gibt eine Würde
des Verzichtes. Sie könnten sie erlangen, wenn Sie darauf verzichteten,
durch ein blendendes Kunstmuseum in Berlin den Namen Flick in ein grelles
Scheinwerferlicht zu tauchen, das die NS-Vergangenheit Ihres Großvaters
Friedrich Flick, dessen Zwangsarbeiter-Ausbeutung und Arisierungs-Verbrechen
sowie deren Folgen vielleicht zeitweise überstrahlen, aber niemals mildern
kann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Salomon Korn
P.S.: Ihrem Vorgehen entsprechend, werde
ich diesen Brief der Öffentlichkeit zugänglich machen.
hagalil.com
18-05-2004 |