Deutsche Zustände:
Rassismus und Antisemitismus wachsen
Von Max Brym
"Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann werd ich um den
Schlaf gebracht", schrieb der Dichter Heinrich Heine. Heine war ein scharfer
Beobachter der damaligen deutschen Zustände. Ein aktueller Blick auf
Deutschland sollte einem nicht nur den Schlaf rauben, sondern zu aktivem
Zorn animieren. Dabei sagen oft nackte Zahlen mehr als Tausend Worte.
Staatliche Asylpolitik Die Zahl der
Flüchtlinge, die in der Bundesrepublik Asyl beantragten, war 2003 mit 50.564
die niedrigste seit 1984. Die Anerkennungsquote für politisches Asyl ist mit
1,6% niedriger denn je. Das sogenannte kleine Asyl (Abschiebeschutz aus
politischen und humanitären Gründen) erhielten nur noch 1,7% der
Antragsteller. Diese Entwicklung bringt Innenminister Schily nicht um den
Schlaf, im Gegenteil, er nennt die Entwicklung "erfreulich". Die restriktive
Handhabung der Asylgesetze, die "Drittstaatenregelung" und die
bundesdeutschen "Grenzsicherungsanlagen" an den Flüssen Oder und Neiße
ermöglichen dies. Im Zeitraum von 1993 bis 2002 starben 145 Flüchtlinge auf
dem Weg in die Bundesrepublik. Allein an der modern gestalteten deutschen
Ostgrenze starben innerhalb von 10 Jahren 113 Personen. Im Gegensatz zur
früheren "innerdeutschen Grenze" sind die Leichen, die aus der Oder gefischt
werden, jedoch kein öffentliches Thema. In diesem Zeitraum erlitten zudem
398 Flüchtlinge beim Grenzübertritt Verletzungen. Die meisten Verletzten
forderte wiederum der deutsche "Ostwall", es kamen dort insgesamt 236
Menschen zu Schaden. Die Bilanz
bundesdeutscher "Antiflüchtlingspolitik" drückt sich in weiteren Fakten aus:
121 Flüchtlinge töteten sich angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder
starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen. 493 Flüchtlinge
haben sich aus Angst vor der Abschiebung selbst verletzt oder versuchten
sich umzubringen. Offiziell wurden durch Zwangsmaßnahmen während der
Abschiebung 234 Personen verletzt. Fünf Flüchtlinge starben während der
Abschiebung. Nach der Abschiebung starben in ihren Herkunftsländern 21
Menschen. Nach Untersuchungen der "Antirassistischen Initiative e.V." wurden
361 Flüchtlinge im Herkunftsland von Polizei und Militär misshandelt und
gefoltert. Der Bericht der Initiative enthält noch weitere schreckliche
Details. Insgesamt kamen in den letzten zehn Jahren durch staatliche
Maßnahmen der BRD 302 Flüchtlinge ums Leben - durch rassistische Übergriffe
ziviler Rassisten starben 78 Personen.
Die faktische Beseitigung des Asylrechts im Jahr 1993 hatte mörderische
Konsequenzen. Im Jahr 1992 duldete der Staat tagelang einen Pogromversuch in
Rostock. Nach der Beendigung des nazistischen Mordversuches an rund 100
Vietnamesen verkündete der damalige Minister Seiters: "Das Asylrecht muss
grundsätzlich geändert werden". Die Nazis gaben den Vorwand, um das
Asylrecht de facto zu beseitigen. Ignatz Bubis (damals Vorsitzender des
Zentralrates der Juden in Deutschland) musste sich 1992 in Rostock vom
dortigen Bürgermeister fragen lassen, "was er den hier wolle". Ein
rassistisches Pogrom sowie staatlicher Rassismus fördert gerade in
Deutschland den Antisemitismus. Die aktuelle EU-Studie zum Antisemitismus
belegt dies. "Der Antisemitismus ist stärker
geworden" Das ist die Essenz der aktuellen
Studie zum Antisemitismus der EUMC (EU Institut zur Beobachtung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit). In der Studie wird dargelegt, dass der
Antisemitismus in Europa dramatisch zugenommen hat. Für Deutschland stellt
die Studie zwischen 1999 und dem Jahr 2000 ein Anwachsen antisemitischer
Einstellungen und Handlungen um 70% fest. Für das Jahr 2002 wird zwar ein
leichter Rückgang antisemitischer Delikte festgestellt, aber gleichzeitig
eine Zunahme antisemitischer Gewalttaten bilanziert. Im Jahr 2002 stieg die
Zahl antisemitischer Gewalttaten in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr von
18 auf 28 an. In der Untersuchung wird
für Deutschland und Holland, im Gegensatz zu Frankreich und Großbritannien,
von einer "geringen Beteiligung islamistischer Kräfte" ausgegangen. In der
Tat, der Antisemitismus ist in Deutschland ein ureigenes Phänomen. Es gibt
kein Ende der Geschichte, der antisemitische Wahn ist in vielen
"treudeutschen" Köpfen beheimatet. Der manifeste und latente Antisemit
braucht keinen Araber, um Antisemit zu sein. Im Gegenteil, viele deutsche
Antisemiten vertreten auch einen rigorosen "Antiislamismus" oder
"Antiarabismus". Der rassistische Konsens in der deutschen Gesellschaft
diskriminiert den Araber und Menschen mit islamischer Religion. Die Werte
des "christlichen Abendlandes" werden dem "primitiven Islam"
gegenübergestellt. Dabei ist der Antisemit mit an Bord, er hat nichts gegen
die Entrechtung von Menschen aus islamischen Ländern.
Auch dem Abbau demokratischer Rechte im Rahmen des Kampfes gegen den
Terrorismus, vermag der Antisemit einiges abzugewinnen. Denn er ist ja
Rassist und Antidemokrat. Sein Antisemitismus bleibt allerdings die am
höchsten entwickelte Form des Rassismus, denn dieser Wahn vermag bekanntlich
alles Unverstandene zu erklären. Der Antisemitismus sitzt als höchste Form
des Rassismus am dichtesten in vielen deutschen Gehirnwindungen.
hagalil.com 04-04-2004 |