Die Villa Redlich in Hodonín:
In memoriam Willem Smith
Von Peter Vasicek
Einen Trauerfall - den Tod des führenden niederländischen
Mahler-Experten Willem Smith am 11.4.2004 - muss man zum Anlass nehmen, um
an das ungeklärte Schicksal der Villa Redlich im südmährischen Hodonín
(Göding) zu erinnern.
Die Kreisstadt im Dreiländereck Tschechien, Slowakei,
Österreich ist ja vor allem als Geburtsort des Soziologen, Kämpfers gegen
jedweden Rassismus und Antisemitismus und Staatsgründers der
Tschechoslowakei, Tomás Garrigue Masaryk, bekannt. Kundera-Leser kennen die
nicht zu unterschätzende, gegenseitige Bedeutung vom Besuch August Rodins in
der Region. Janácek-Freunde kennen die realen Begebenheiten vor Ort, die zur
Entstehung der Textvorlage von "Jenufa" durch Gabriela Preissovás
Erzählungen führten.
Viel weniger bekannt ist -und es war das eigentliche
Verdienst Willem Smiths - daß Gustav Mahlers "Lied von der Erde" seinen
letzten Schliff auch in Hodonín, nicht wie bisher fälschlicherweise
tradiert, in Toblach bekam. Auf Einladung der lokalen Fabrikantenfamilie
Redlich weilte der Wiener Hofopern-Direktor wiederholt in Hodonin, feilte an
der Partitur eines seiner wichtigsten Werke und schrieb Briefe an Alma
sinngemäß mit der rhetorischen Frage, warum sie denn immer in die Alpen
gefahren seien, wenn Hodonín nur 1 Stunde entfernt von Wien läge und es sich
dort so herrlich komponieren liesse. Wohlgemerkt, in einer Villa mitten in
einer Zuckerfabrik, in unmittelbarer Bahnhofsnähe, bei einem Komponisten,
der im Gegensatz zu Puccini, absolute Stille beim schöpferischen Prozeß als
conditio sine qua non postulierte!
Seit Herbst 2003 ziert eine Mahler-Büste und eine Schautafel
zum "Lied von der Erde" das neogotische Rathaus von Hodonín - auch das eine
Anregung W. Smiths. Geplant ist, aus der beinahe dem Verfall preisgegebenen
Villa Redlich ein internationales Gustav Mahler Kulturzentrum zu errichten,
mit Gallerie (Hodonín hat eine der interessantesten Kunstsammlungen des
Landes), Bibliothek und Mahler-Gedenkraum, sowie einer Exposition zur
Geschichte der Juden von Hodonín. Darüber hinaus plant die agile
Stadtarchitektin Regina Kubricka ein Mahnmal an der Stelle, wo früher die
Synagoge stand.
Allerdings bedarf in Zeiten materieller Knappheit dieses
Projekt der intensiven Unterstützung jeglicher Art aus dem In- und Ausland.
Der Bürgermeister von Hodonín, Ing. Jirí Koliba, ist unter der
Email-Anschrift
koliba.jiri@muhodonin.cz
zu erreichen.
Zu Redlichs sollte vielleicht noch gesagt werden, dass Josef
Redlich zusammen mit Masaryk im Wiener Nationalrat gemeinsamen Attacken
österreichischer Antisemiten ausgesetzt war, ein beliebtes Ziel
antisemitischer Haßtiraden Karl Luegers und Konsorten. Nach der
Staatsgründung wünschte sich Masaryk Redlich zum Finanzminister der neuen
Republik, konnte sich jedoch leider nicht gegen den Prager Klüngel
durchsetzen. Ein späterer antisemitischer Mythos sah in Masaryk sogar einen
außerehelichen Redlich-Sproß.
hagalil.com
14-04-2004 |