Serbien:
Kostunicas wilder Nationalismus
Von Max Brym
Vojislav
Kostunica ist designierte Ministerpräsident Serbiens. Am 2. März 04 stellte
er sein Regierungsprogramm vor. Hauptsächlich beschäftigt sich die Erklärung
mit dem "Kosovo-Problem". Wenn ein normaler serbischer Arbeiter,
Arbeitsloser oder Bauer Antworten auf seine realen Probleme von Kostunica
erwartete hätte, so wurde er gründlich enttäuscht.
Die
Arbeitslosenquote liegt in Serbien bei 29,6%. Das Leistungsbilanzdefizit
liegt in der Höhe von 1,3 Milliarden Dollar. Serbien sitzt in der
internationalen Schuldenfalle mit Auslandschulden von fast 12 Milliarden
Dollar. Um die Schulden bedienen zu können, muß Serbien jährlich 1% seines
Bruttosozialproduktes aufbrauchen. Daneben gibt es eine örtliche Mafia, die
mit kriminellen Methoden versucht, eine nationale Bourgeoisie abzugeben und
einen anderen Clan, der eher die offene Kollaboration mit den westlichen
Mächten im eigenen Interesse bevorzugt.
Was beide
serbischen Fraktionen benötigen, ist die ideologische Hegemonie über die
Köpfe der armen und beleidigten serbischen Massen. Seit Jahren ist der
großserbische Nationalismus die ideologische Klammer, um die Massen bei der
Stange zu halten. An diesem Nationalismus hat sich in Serbien nichts
geändert, der "Amselfeld Mythos", die Feindschaft gegen Roma und neuerdings
auch partieller Antisemitismus, soll die Herrschaft der nationalistischen
Mafiakapitalisten absichern. Minister für "Kapitalinvestitionen" soll ein
gewisser Velimir Ilicic, Vorsitzender der "Neuen Serbischen Partei" werden,
der im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf Mirolub Labus antisemitisch
attackierte. Ilicic verkündete damals, "den Juden Labus kann man nicht
wählen".
An der
schrecklichen Lage der Roma, viele von ihnen sind an einer Müllhalde in der
Nähe von Belgrad konzentriert, hat sich nichts geändert. Kostunica hatte
dazu in seiner Regierungserklärung nichts zu sagen, genauso wie er nichts zu
sagen wußte zu der Bekämpfung der Armut in Serbien. Dafür ist in der
Regierungserklärung von Kostunica jede Menge über Kosovo zu finden.
Kostunica gibt den Nationalisten, um alle in der Region vom Kampf um ihre
soziale Interessen abzuhalten und Serben und Albaner weiter zu entzweien.
"Teilung und
Kantonisierung Kosovas"
Kostunica schlug
eine ethnische Teilung Kosovas vor (der reiche Norden soll direkt an Serbien
angeschlossen werden). Im Rest Kosovas soll es ethnisch reine serbische
Enklaven mit eigener Verwaltung geben. Diese Vorschläge erregten umgehend
die albanische Öffentlichkeit. Jede albanische Zeitung titelte mit diesem
Thema. Kostunica wurde als "Kalaschnikow Nationalist" dargestellt, der eine
Gefahr für die Entwicklung Kosovas sei.
In der Tat,
Kostunica hat eine extrem nationalistische Vergangenheit. Im Jahr 2000 ging
eine Fotografie von Kostunica aus dem Jahr 1998 durch die kosovarische
Presse, das Bild zeigt Kostunica anläßlich einer Ansprache in Kosova vor
serbischen Paramilitärs mit einer Kalaschnikow. Im Jahr 1995 bekämpfte
Kostunica Milosevic, wegen des Dayton Vertrages, der offiziell den Krieg in
Bosnien beendete. In der jetzigen Regierungserklärung schlägt Kostunica ein
bosnisches Modell für Kosova vor, unter Ausnahme der kosovarischen Gebiete,
die er direkt zu Serbien schlagen will. Azem Vllasi ( Vllasi war bis 1988
KP-Chef in Kosova), ein politischer Analyst aus Prishtina, erklärte dazu
gegenüber Radio Montenegro am 2. März 02: "Die Idee Kostunicas, einer
Kantonisierung des Kosovo, ist Teil seiner globalen Politik der Teilung
entlang ethnischer Linien. Solche Ideen sind inakzeptabel und der Lage in
Kosovo werde dabei auch kein Dienst erwiesen". Vllasi fügte hinzu:
"Kostunica will Kosovo geteilt sehen, so wie Bosnien. Das wäre jedoch keine
akzeptable Lösung für Kosovo. Kosovo hat nichts, was eine Teilung
rechtfertigen könnte. Heute leben in Kosovo zwischen 80000 und 100000
Serben. Sollten alle, die Kosovo verließen, aber ihre Immobilien noch haben,
zurückkehren, dann wären es 150000 Serben."
Anschließend
sagte Vllasi, dass es darum geht, die Serben als gleichberechtigte Bürger in
einem unabhängigen Kosova zu integrieren. Der Nationalismus Kostunicas hat
die Funktion, den Konflikt zwischen Serben und Albanern neuerlich
anzuheizen. Kostunica ist ein serbischer Nationalist, der keinerlei
Perspektiven für eine friedliche und soziale Zukunft in der Region zu bieten
hat. In Wahrheit steht er den objektiven Interessen der einfachen Serben
entgegen. Denn ein nationalistisches Konfliktszenario macht keinen armen
Serben satt und bereitet keinem eine warme Stube.
Chauvinismus ist
mit Blut, Schweiß und Tränen verbunden, diesen Teufelskreis zu durchbrechen,
ist eine gemeinsame Aufgabe von Serben, Roma und Albanern. Dabei gilt es
auch, das Scheidungsrecht, sprich das Recht auf staatliche Loslösung
Kosovas, zu akzeptieren. Die albanischen Kosovaren haben sich ihrerseits als
Kraft zu präsentieren, die kein normaler Serbe oder Roma zu fürchten hat.
Quellen: B92
2.3.04, Radio Montenegro 2.3.04, Koha Ditore 4.3.04, Zeri I Dites 4.3.04,
Epoka E Re 4.3.04, dtv Jahrbuch 2004
hagalil.com
08-03-2004 |