Le Pen darf nicht
kandidieren:
"Opfer des Systems"?
Von Bernard
Schmid
Im Vorfeld
der französischen Regionalparlamentswahlen, die am 21. und 28. März
stattfinden, hatte es viel Aufregung um die Kandidatur des rechtsextremen
Politikers Jean-Marie Le Pen gegeben. Aufgrund einer Schlamperei seiner
Parteifreunde in Nizza, die das Wahllokal nicht auf seinen persönlichen
Namen (sondern auf den der Partei) angemeldet hatten, konnte Le Pen keine
steuerliche Meldebestätigung in Südostfrankreich nachweisen. Ursprünglich
hatte er als Spitzenkandidat für das Regionalparlament in Marseille, und als
Direktkandidat im stockreaktionären Nizza antreten wollen.
Am Mittwoch
Vormittag (18.02.) hat der Regionalpräfekt - der den Zentralstaat in
Marseille juristisch vertritt -, nach Prüfung der Kandidaten-Unterlagen, die
Kandidatur von Jean-Marie Le Pen wegen der genannten Rechtsmängel abgelehnt.
Der FN-Parteichef kann und wird jetzt noch den Conseil d'Etat, das oberste
Verwaltungsgericht in Paris, gegen die Entscheidung anrufen. Wirkliche
Erfolgschancen hat er dabei wohl nicht.
In
Südostfrankreich ist seit einigen Tagen bereits ein Nachfolger für Le Pen
als Listenführer des FN in der Region im Gespräch: Der (pensionierte)
General Louis Martin, der im Algerienkrieg diente. Beide Männer hatten sich
1957 in Algier kennen gelernt. Damals war Le Pen freiwillig dienender
Offizier im Algerienkrieg, der in den ersten Jahresmonaten 1957 eigenhändig
gefangene Angehörige der algerischen Unabhängigkeitsbewegung folterte. Das
ist inzwischen gerichtlich nachgewiesen: Das Urteil im letzten
diesbezüglichen Prozess (Le Pen hatte Verleumdungsklage gegen "Le Monde"
eingereicht und scheiterte damit) fiel am 26. 06. 2003; dabei ging es um
einen Fall von Folterungen mit Todesfolge.
Welche
Auswirkungen hat die neue "Le Pen-Affäre"?
Am vorigen
Freitag hat Le Pen bereits auf Radio France angekündigt: "Wenn man versucht,
mich im Morgengrauen am Waldrand zu meucheln, dann wird man meine Schreie
bis an's andere Ende des Planeten hören". Wenige Tage davor hatte er in
einem Interview mit der Pariser Abendzeitung Le Monde angekündigt, seine
Nichtzulassung zur Wahl würde "einen Skandal mit nationaler Tragweite"
darstellen. Und die Sonntagszeitung JDD zitiert ihn am 15. Februar mit den
Worten: "Wenn ich daran gehindert werde, in Paca zu kandidieren, dann werde
ich nirgendwo antreten, aber überall (= in allen Regionen) Wahlkampf
machen".
Viele glauben,
dass Le Pen die "Verhinderung" seiner Kandidatur inszeniert habe, mit dem
Ziel, dass möglichst viel über ihn geredet wird. Die Umfragewerte für seine
Kandidatur in der Region Paca standen ohnehin nicht sonderlich gut: Während
dem FN landesweit Werte oberhalb von 15 Prozent prognostiziert werden, wäre
Le Pen demnach in Südostfrankreich auf 22 Prozent im ersten Wahlgang und 20
Prozent in der Stichwahl gekommen. Konservative und Sozialdemokraten hätten
demnach, in einer Stichwahl mit drei Listen, jeweils 40 Prozent erhalten.
Nun kann man
davon ausgehen, dass Le Pen in den Vorwahlumfragen normalerweise
"unterbewertet" ist, da manche seiner Anhänger ohnehin allen "Journalisten"
- die BefragerInnen eingeschlossen - misstrauen und sich nicht offen zu
ihrem Votum bekennen. Dennoch schien Jean-Marie Le Pen von einem
persönlichen Wahltriumph weit entfernt. (Die eigentliche Gefahr bestand und
besteht daher auch nicht in einer Wahl des Parteiführers Le Pen zum
Präsidenten einer Region, denn das ist so gut wie ausgeschlossen - wohl aber
darin, dass der FN landesweit seinen Stimmenanteil noch ausbauen kann und
noch mehr in die Pose des "Herausforderers des Establishments" hineinwachsen
wird können.)
Die
Dienstags-Ausgabe (17. Februar) von "Le Monde" kolportiert, Le Pen habe
"technische" - also juristisch-administrative - Lösungen für sein
Meldeproblem, die durchaus noch bestanden hätten und ihm von Mitarbeitern
vorgetragen wurden, ausgeschlagen. Das könnte für die These sprechen, Le Pen
sei es gar nicht so sehr um eine ernsthafte Durchsetzung seiner Kandidatur
gegangen. Zumal ein nur wenig über dem nationalen Durchschnitt liegendes
Wahlergebnis für ihn in PACA seinem (in der Vergangenheit vergeblich
angefochtenen) Allein-Führungsanspruch innerhalb der Partei wohl erneut
Schaden zugefügt hätte. Und in der Rolle des donnernden "Volkstribunen", die
Le Pen als angebliches "Opfer der Machenschaften des Systems" nunmehr erneut
einnehmen wird, gefällt er sich ohnehin besser als im Gewand des
Regionalpolitikers, der auch "langweilige" Sachthemen zu bearbeiten hat.
Fraglich ist
noch, ob die vorab verbreitete Aufregung um Le Pens Kandidaturchancen das
Abschneiden der Rechtsextremen günstig oder ungünstig beeinflussen wird. Le
Pen wird mit der Ansicht zitiert: "Diese neue Verfolgung wird dem FN zwei
bis drei Prozent zusätzlich Prozentpunkte einbringen." Der sozialistische
Regionalpräsident Michel Vauzelle in Marseille ist gegenteiliger Auffassung
und vertritt die Ansicht, der FN in Südostfrankreich werde 2 bis 3 Prozent
verlieren, da Le Pen "seine Imkompetenz und seinen Mangel an Voraussicht"
unter Beweis gestellt habe. Allerdings ist er auch der Auffassung (so
zitiert ihn jedenfalls das Journal du dimanche, JDD), dass Le Pen in
Wirklichkeit "das einfache Problem des steuerlichen Wohnsitzes seit langem
gelöst" hätte, wenn er nur wolle.
Auch der
konservative Spitzenkandidat in Marseille, Renaud Muselier, vertritt einen
ähnlichen Standpunkt: Er könne nicht an "einen solchen Anfängerfehler"
seitens von Le Pen glauben. In Wirklichkeit, so meinen verschiedene
Politiker (laut dem JDD), habe der Chef des Front National ohnehin "noch
andere steuerliche Wohnsitze" in der Region, als jenen im Wahlkampflokal von
Nizza. Es handele sich lediglich um eine Inszenierung, mit dem Ziel, dass
man möglichst viel von und über Le Pen rede.
Noch einmal sei
das JDD zitiert: "Einzige Sicherheit: Diese 'Affäre' erlaubt es ihm (Le
Pen), die Aufmerksamkeit in diesem Wahlkampf zu monopolisieren". Die Pariser
Abendzeitung Le Monde übertitelt deswegen ihre Dienstagsausgabe (vom 17.
Februar): "Welches Spiel treibt Le Pen?" Und eine daneben stehende Karikatur
zeigt Jean-Marie Le Pen, der eine Wahlurne schüttelt, nebst einer
Sprechblase mit den Worten: "Dieses Mal ist es wirklich wahr: Ich bin Opfer
eines Komplotts!" Daneben steht ein altes Mütterchen, das nur fragt: "Schon
wieder?"
Tatsächlich:
Einmal mehr versucht der rechtsextreme Politiker sich als Opfer des Systems,
Opfer einer Verschwörung gegen seine Person, in Pose zu werfen. Bereits 2002
hatte auch das zu seinem Erfolgsrezept gehört damals hatte er
Schwierigkeiten dabei gehabt, die 500 Unterschriften von Mandatsträgern
zusammen zu bekommen, die für eine Präsidentschaftskandidatur erforderlich
sind. Das hatte ihm auch erlaubt, im März/April 2002 Wochen lang im
Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit zu stehen, kurz vor dem
Wahltermin am 21. April... Allerdings sind es dieses Mal nicht
Sonderbestimmungen des Wahlrechts (die man durchaus als undemokratischen
"Filter" für Präsidentschafts-Kandidaturen betrachten kann), sondern eigenes
Zutun oder aber eigenes Unvermögen seitens seiner Parteifreunde, die
ursächlich für Le Pens Schwierigkeiten wurden.
hagalil.com
18-02-2004 |