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Das bestgehütete Geheimnis der Türkei:
Antisemitismus

Vortrag von Rifat N. Bali - Historiker und Publizist aus Istanbul

Die Anschläge auf zwei Synagogen in Istanbul vom 15. November 2003 waren die bisher massivsten, aber keineswegs ersten antisemitischen Mordanschläge in der Türkei. Vorbereitet und begleitet wird dort wie anderswo die antisemitische Gewalt durch entsprechende Hetze: Türkische Übersetzungen der "Protokolle der Weisen von Zion" und von Hitlers "Mein Kampf" sind weit verbreitet; Verschwörungstheorien, nach denen die Juden hinter allem stehen oder die Türkei von Kryptojuden unterwandert und beherrscht wird, haben nicht nur bei Islamisten, Faschisten und Nationalisten, sondern auch in Teilen der Linken Konjunktur. Trotz alledem: Antisemitismus in der Türkei ist kein Thema.

Auch nach den Anschlägen vom November hat sich daran nichts geändert. In den deutschen Medien wurde unentwegt wiederholt, dass die Türkei kein antisemitisches Land sei und als einziges islamisches Land wirklich tolerant und westlich orientiert. In der Türkei wurden die Anschläge als „gegen unser ganzes Volk“ gerichteter Terror präsentiert. Die jüdischen Opfer und der antisemitische Charakter der Anschläge wurden in der Öffentlichkeit einfach ignoriert.

Stattdessen wird weiter das offizielle Bild einer Geschichte türkisch-jüdischer Harmonie gezeichnet: Juden, die vom elften bis zum siebzehnten Jahrhundert überall in Europa vertrieben wurden, fanden Aufnahme im Osmanischen Reich. 1933 lud Mustafa Kemal Atatürk viele prominente jüdische Professoren aus Deutschland ein, in die Türkei überzusiedeln. Türkische Diplomaten, die in von Deutschen besetzten Ländern eingesetzt waren, retten das Leben von vielen Juden, die dort lebten.

Rifat N. Bali, 1948 in Istanbul geborener Historiker und Publizist, zerstört dieses Bild, das so falsch ist, weil es wesentliches weglässt: Er zeigt auf, wie den Juden seit Anfang der Republik als unerwünschten Fremden das Leben schwer gemacht wurde, und wie sie durch "Türkisierung" unsichtbar wurden, ohne dass dies den antisemitischen Verfolgungswahn besänftigt hätte. So zwangen 1934 die Pogrome von Ost-Thrakien, das Muslimen vorbehalten sein sollte, rund zehntausend thrakische Juden zur Flucht. Vorausgegangen war eine intensive antisemitische Kampagne nach Vorbild des "Stürmers" in der Zeitschrift des Streicher-Freundes Cevat Rifat Atilhan (1892-1968). Ihm und seiner zentralen Rolle wird sich Rifat N. Bali in seinem Vortag auch widmen, da Atilhan wie kein anderer die Entwicklung vom nationalistischen Hass auf Minderheiten zum Antisemitismus national-sozialistischer Prägung und endlich zum islamistischen Hass auf Juden und Israel personifiziert.

Nicht in das Bild von der Türkei als Retter der verfolgten Juden passt auch die 1942 erhobene "Varlik Vergisi", eine einmalige Kapitalsteuer: Während das Vermögen muslimischer Geschäftsleute relativ niedrig besteuert wurde, erhielten Minderheiten eine absurd hohe Steuerrate. Die jüdische Bevölkerung verlor fast ihr gesamtes Vermögen, ihr Besitz wurde konfisziert. Wer nicht zahlen konnte, wurde verhaftet und ins Arbeitslager nahe der russischen Grenze deportiert. „Die Varlik Vergisi “ fasst Rifat N. Bali zusammen, „übertrug das Kapital von Minderheiten den Muslimen.“ Aber auch dies ist kein Thema.

Bali bezeichnet den Antisemitismus als „das bestgehütete Geheimnis der Türkei“. In seinen Publikationen kritisiert er sowohl Historiker als auch Intellektuelle, die antisemitische Ereignisse und entsprechende gesellschaftliche Tendenzen seit Jahrzehnten systematisch ignorieren. Er setzt sich auch mit der Übernahme dieser Haltung des Ignorierens durch die Juden in der Türkei auseinander. Als Jude in der Türkei müsse man sich in der Öffentlichkeit zurückhalten oder das hervorragende türkisch-jüdische Verhältnis be-tonen, wenn es einem gut gehen soll.

Bali kritisiert insbesondere, dass auch nach den Anschlägen vom November von sogenannten fortschrittlichen, intellektuellen Kreisen keine Solidarität mit den angegriffenen Juden gekommen sei. Nur ein, zwei Zeitungskommentatoren protestierten, als der Sohn eines Synagogen-attentäters auf die Frage, ob er Freude über die antijüdischen Anschläge verspürt hätte, antwortete: „Ich war zufrieden. Wenn dabei keine Moslems gestorben wären, hätte ich mich gefreut.“

Vortrag in türkischer Sprache mit deutscher Übersetzung:
Sonntag, 29. Februar 2004, um 19.30 Uhr
im Schachar, Das Jüdische Theater in Hamburg, Haus 7, Hospitalstr.111, Altona
Veranstalter: Initiative gegen Antisemitismus und Antizionismus aus Hamburg

Rifat N. Bali, in Istanbul 1948 geboren, Absolvent der Sorbonne in Paris, Wissenschaftler und Publizist, ist einer von wenigen, die in der Türkei über die Geschichte der Juden in der türkischen Republik recherchiert und Bücher veröffentlicht haben. Balis ersten Buches „Ein Abenteuer der Türkisierung (1923-1945)“ ist das erste Buch überhaupt, das in der Türkei die Geschichte der Juden in der Republik und den Antisemitismus behandelt.

Was Rifat N. Bali als „mein Abenteuer als Wissenschaftler und Autor“ nennt, fing 1995 mit einem Artikel in der Zeitschrift „Express“ an. Von da an schrieb Bali zahlreiche Texte, in denen er immer wieder neue Kapital der Geschichte der Juden und des Antisemitismus in der türkischen Republik ans Licht und auf die Tagungsordnung gebracht hat. Sein 570 Seiten umfassendes zweites Buch „Moses´ Kinder Bürger der Republik“ beinhaltet in seinen vier Kapiteln nur einen kleinen Teil der Texte aus diesem Abenteuer.

Von der von Bali in seinem ersten Buch angekündigten Trilogie fehlt nun noch der dritte Teil über die Geschichte der Juden in der Türkei in der sogenannten Phase der Vielparteien-Demokratie ab 1945. Das zweite Buch der Trilogie, Aliyah: Geschichte einer Massenmigration 1946-1949, über die Massenmigration der Juden aus der Türkei in den neue gegründeten Staat Israel 1946-1948 wurde letztes Jahr veröffentlicht.

Er war bereits im Mai 2003 in Hamburg, als Gast des Institutes für die Geschichte der deutschen Juden im Rahmen der sefardischen Tage. Rifat Bali hielt damals einen Vortrag über Antisemitismus in der englischen Sprache.

Bücher:

  • Cumhuriyet Yillarinda Türkiye Yahudileri, Bir Türklestirme Serüveni 1923-1945 (Türkische Juden in den Jahren der Republik: Ein Abenteuer der Türkisierung 1923-1945), 1999 Iletisim Yayinlari, Istanbul

  • Musa’nýn Evlatlarý Cumhuriyetin Yurttaþlarý (Moses’ Kinder Bürger der Republik), 2001 Iletisim Yayinlari, Istanbul

  • Les Relations entre Turcs et Juifs Dans La Turquie Moderne (Die Beziehungen zwischen Türken und Juden in der modernen Türkei), 2001 Isis Yayinlari, Istanbul

  • Cumhuriyet Yillarinda Türkiye Yahudileri, Aliya: Bir Toplu Göcün Öyküsü 1946-1949 (Türkische Juden in den Jahren der Republik, Aliyah: Geschichte einer Massenmigration 1946-1949), 2003 Iletisim Yayinlari, Istanbul

  • Tarz-i Hayat’tan Life Style’a Yeni Insanlar, Yeni Yasamlar, Yeni Mekanlar (von der Lebensweise zu Life Style neue Menschen, neue Leben, neue Räume), Januar 2004 Iletisim Yayinlari, Istanbul

  • Devlet’in Yahudileri ve „Öteki“ Yahudi (Staatsjuden und der„andere“ Jude), Januar 2004 Iletisim Yayinlari, Istanbul

hagalil.com 12-02-2004

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