Antiimperialistischer Kollateralschaden:
Eine Ausstellung in Schweden und die "Junge Welt"
Max Brym
Die Junge Welt ist eine Tageszeitung mit linkem
Anspruch, die in Berlin erstellt wird. Neben interessanten Artikeln zum
sozialen Kahlschlag in Deutschland ist die Berichterstattung zum Neonazismus
und Rassismus relativ beachtenswert, dennoch haben die letzten beiden Felder
nur einen quantitativ geringen Stellenwert. Der aktuelle Antisemitismus und
antisemitische Tendenzen werden in dem Blatt fast vollständig ignoriert.
Schlimmer noch: Die Junge Welt erkannte weder bei
Möllemann oder Walser Antisemitismus, noch kann sie sich auf ein
Existenzrecht Israels festlegen. Alle Chefkommentatoren des Blattes bilden
sich eine Menge auf ihren Antizionismus ein, was für eine “linke“ Zeitung in
diesem Land absolut bedenklich sein sollte. Denn es gibt einen rassistischen
Konsens und einen weitverbreiteten Antisemitismus in Deutschland, der
verschiedene soziale Gruppen (bzw. Klassen) miteinander verbindet. Der
rassistisch ideologische Kitt ist stärker in den Köpfen der Menschen
vorhanden, als die Erkenntnis über den objektiv gegebenen sozialen
Gegensatz. Diesem Problem stellt sich die Junge Welt in ihrer
Berichterstattung nicht.
Die Kommentare und Debatten in der Jungen Welt haben oft die Tendenz,
deutsche Sonderwege und reale nationalistische Massenbefindlichkeiten zu
bedienen. Einer der Hauptkommentatoren der Jungen Welt, Werner Pirker,
veröffentlichte kürzlich zusammen mit einem Herrn Langthaler aus Wien das
Buch “Ami Go Home“. In diesem Buch des JW Kommentators Pirker und des AIK
(Antiimperialistische Koordination) Gurus Langthaler wird dem deutschen
Bierbauch nahegelegt, in den USA den Hauptgegner zu sehen. Eine an sich
überflüssige Aufforderung, denn nicht umsonst hat US-kritische Literatur
Hochkonjunktur. Vergleichbare Literatur über soziale Mißstände in
Deutschland ist hingegen nicht gefragt.
Natürlich wird in dem Buch gegen den Zionismus Front gemacht. Die AIK aus
Wien behandelt demzufolge den HAMAS-Terror gegen israelische Zivilisten als
antiimperialistische Aktionen. Das Buch paßt hervorragend zur mentalen
Haltung vieler Zeitgenossen. Verschwörungstheorien und
Rechtfertigungsszenarien für faschistoide Selbstmordattentäter liegen im
Trend. Neben kleinen Gruppen, die einen verständlichen Antikapitalismus
propagieren, ist nationalistischer und antisemitischer “Antikapitalismus“
ziemlich weit verbreitet. Meist wird letztere Haltung in der Jungen Welt
bewußt oder unbewußt gefüttert. Im Staate Israel vermutet die Junge Welt,
wie die meisten Deutschen, den “Weltbösewicht“. Gegen diesen Gegner sind,
wenn es nach der Jungen Welt geht, alle Mittel erlaubt. Ein Artikel unter
der Überschrift “Irrsinn“ vom 19.1.04 in der JW belegt dies.
Der israelische Botschafter in Schweden
Bekanntlich kam es in Stockholm am 16.1.04 zu einem Eklat,
nachdem der israelische Botschafter Zvi Mazel anläßlich einer
Austellungseröffnung zu einer internationalen Konferenz zur “Vermeidung von
Völkermord“ im Historischen Museum eine “Kunstinstallation“ demolierte. Die
Installation hat den Titel “Schneewittchen und der Irrsinn der Wahrheit“ Das
Werk stammt von dem in Schweden lebenden Israeli Dror Feiler und zeigt ein
Foto der lächelnden Palästinenserin Hanadi Dschadarat, die vor einigen
Monaten bei einem barbarischen Anschlag in Haifa 21 Menschen umbrachte. Ihr
Bild schwimmt auf rot gefärbten Wasser in einem Boot. Die Erregung des
israelischen Botschafters und sein Handeln muß man nicht richtig finden,
dennoch ist der Ausraster verständlich. In der Tat war die Aktion keine
diplomatische Spitzenleistung wie es die Likud Regierung in Israel
darstellt. Die Aktion des Botschafters war nicht berechnet und kalkuliert,
er fühlte sich schlicht provoziert. Für diese menschliche Regung des
Botschafters (ist ja aus Israel) hat die Junge Welt nur Verachtung und Spott
übrig.
Böse kommentiert sie den “Vandalismus“ des Botschafters
und dessen “Irrsinn“. Die dargestellte Attentäterin Hanadi Dschaderat wird
in dem Junge Welt Artikel moderat entschuldigt und verklärt. Die Junge Welt
schreibt bezüglich der Tat der Dschaderat: “Sie hatte mit ansehen müssen,
wie ihr Bruder von israelischen Soldaten erschossen wurde“. Ergo der
Botschafter ist ein “Irrer“ und die faschistoide palästinensische
Terroristin führte eine verständliche Aktion durch. Die getöteten Israelis
und Palästinenser in dem Lokal in Haifa (vor einigen Monaten) fallen in der
JW Betrachtung nicht in's Gewicht. Für sie gibt es kein Mitgefühl, sie
werden abgehakt. Kollateralschaden?
Der faschistoide Akt in Haifa, der 21 Zivilisten das wertvollste, nämlich
das Leben nahm, wird an bundesdeutschen Schreibtischen unter der Rubrik
“antiimperialistischer Widerstand“ abgelegt. Die Junge Welt liebt es, sich
als progressiv und “antiimperialistisch“ darzustellen, in Wahrheit haben
solche Artikel in der JW mit dem Menschenbild von Marx soviel gemein, wie
die Zehn Gebote mit dem Tanz um das Goldene Kalb.
hagalil.com
23-01-2004 |