Was machen wir mit Laco?
Nichts...:
Wie ein slowakischer Kriegsverbrecher in München gedeckt
wurde
Von Max Brym
Ladislav
Nizmansky, 86 Jahre alt, wurde vor kurzem in München verhaftet. Als
Angehöriger einer deutschen Einheit namens "Edelweiß" soll er im Januar 1945
an der Erschießung von 146 Menschen in den slowakischen Dörfern Ostry Grun
und Klak beteiligt gewesen sein, später soll er die Erschießung von 18 Juden
befohlen haben. Im Jahr 1962 wurde er in der Tschechoslowakei in Abwesenheit
zum Tode verurteilt.
Damals arbeitete
Nyzmansky als stellvertretender Ressortleiter für "Radio Free Europe" in
München am Englischen Garten und betrieb vom CIA bezahlte antikommunistische
Propaganda. Sein Chef war Hanus Hajek, ein gebürtiger tschechischer Jude. In
der SZ vom 27. Januar 04 erinnerte sich Hanus Hajek an die Aufregung im
Sender wegen des Todesurteils gegen Nizmansky im Jahr 1962. Die
amerikanischen Chefs (RFE wurde bis 1971 vom CIA finanziert) riefen bei
Hajek an und fragten: "Was machen wir mit Laco ?" Und Hajek antwortete:
"Nichts".
Diese Reaktion
paßte ganz in die Zeit des "Kalten Krieges", Naziverbrecher wurden bei
entsprechender Eignung für den antikommunistischen Kreuzzug verwendet. Hanus
Hajek hält es heute für möglich, dass er "20 Jahre neben einem Eichmann
gesessen (..) und es nicht gemerkt" hat. Offensichtlich geht Herr Hajek mit
der Wahrheit etwas sorglos um, denn im ganzen Sender hatte Nizymansky den
Spitznamen "Edelweiß". Hajek scheint bis heute dem antikommunistischen Wahn
verfallen und plädiert in der SZ zugunsten von Nizmansky: "Nizmansky sei
immerhin eine Generation lang bei den Amerikanern und bei uns gewesen, das
sollte gewürdigt werden".
Die SZ und
ein längst entdecktes Amerika
Völlig zurecht
fragt die SZ seit einigen Tagen "was wußte der CIA über Nizmansky ?".
Dennoch ist es unstatthaft, zwischen den Zeilen den Eindruck zu erwecken,
als ob Berichte über die Zusammenarbeit der "Kalten Krieger" mit
Naziverbrechern etwas neues wäre. Der Geschichtsschreibung ist dieser
Tatbestand geläufig. Klaus Barbie beispielsweise war in der Zeit der
nazistischen Okkupation Frankreichs Gestapo Chef von Lyon und Spezialist in
Sachen "Bekämpfung des Kommunismus". Obwohl in Frankreich ein Haftbefehl
gegen ihn vorlag und er international als Kriegsverbrecher gesucht wurde,
arbeitete er nach 1945 einige Jahre für den CIA in Augsburg. Ab einem
bestimmten Zeitpunkt war der "Spezialist" in Deutschland nicht mehr tragbar.
Der CIA hatte für Barbie dennoch Verwendung und brachte ihn in Südamerika
als "Antiterrorfachmann" unter. All dies kam im Prozess gegen Barbie in
Frankreich in den achtziger Jahren an den Tag.
Ein anderes
Beispiel: Im Mai 1945 stellte sich der ehemalige Chef der Abteilung
"Aufklärung fremde Heere Ost", Reinhardt Gehlen, den amerikanischen Behörden
zur Verfügung. Seine Akten und das Naziagentennetz fanden Interesse. Gehlen
teilte seine wertvollen Erkenntnisse den US-Organisationen mit und war damit
wieder im Spiel dabei. Aus der Organisation Gehlen wurde der
Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach. Nach den Erinnerungen von Heinz
Felfe ("Im Dienst des Gegners") setzte Gehlen prinzipiell auf ehemalige SS-
Leute, Gestapo-Beamte und gewesene Mitarbeiter des RSHA
(Reichssicherheitshauptamt). Für den Geheimdienstchef Gehlen waren im
"Adenauer Staat" selbst Leute der "Abwehr" (militärischer Geheimdienst bis
1945) suspekt.
Nizmansky und
das Jahr 1962
Es ist kein
Wunder, dass Nizmansky in der Atmosphäre des Jahres 1962 mit der
bundesdeutschen Justiz, die sich aus der braunen Justiz der Nazizeit
zusammengesetzt hatte, nichts befürchten musste, eine Justiz, die Frau
Freisler in den siebziger Jahren die Witwenrente erhöhte, da ein
bundesdeutsches Gericht davon ausging "Roland Freisler hätte im Justizwesen
aufsteigen können" ( Freisler war "Präsident des Volksgerichtshofes", wo
u.a. die Geschwister Scholl zum Tode verurteilt wurden und starb im Februar
1945). Den USA nützte Mizmansky als Agent und antikommunistischer
Propagandist.
Die späte
Festnahme von Nizmansky ist zu begrüßen. Die Debatte zu der Frage: "Warum es
erst so spät dazu kam" ist auf jeden Fall zu führen. Dennoch sollte der
Fehler vermieden werden, einzig das opportunistische Kalkül von US-Organen
zu attackieren. Die USA war antikommunistisch und engagierte Naziverbrecher
im Rahmen dieser Strategie. Den bundesdeutschen Eliten und weiten Teilen des
deutschen Volkes hingegen war jede Entnazifizierung suspekt. Das ist ein
wesentlicher Unterschied und trotz aller Kritik an den Arbeitsweisen der
US-Dienste, muss festgehalten werden: Ohne den militärischen Kampf der
Antihitlerkoalition hätte es keine Befreiung vom Faschismus gegeben.
hagalil.com
28-01-2004 |