Am 14. Dezember wurde ein ziemlich
struppiger Herr in einer irakischen Bodenvertiefung angetroffen. Während im
Irak und anderswo dies als Gelegenheit zum Feiern wahrgenommen wurde, trug
man in Deutschland Trauer. In den Kommentaren zur Festnahme Saddam Husseins
zeigte sich erneut das ganze Psychodrama der deutschen Friedensbewegung.
Die Süddeutsche Zeitung witterte "Siegerjustiz" und zog die
unvermeidliche Parallele zu den Nürnberger Prozessen. Sie können gar nicht
anders, als das immergleiche Gefühlsschema stets aufs Neue zu reproduzieren:
Angesichts des wehrlosen Diktators im Erdloch mischten sich Stimmen des
Mitleids (das man den Opfern des Tyrannen verweigert hatte) mit solchen der
Verachtung für dessen unheldenhaftes Aufgeben gegenüber der Besatzungsmacht,
die man so gerne endlich einmal gedemütigt sähe, da man sich ja auch selber
schon so lange als deren Opfer fühlt: die USA.
Der Haß auf Amerika ist der Haß auf die Freiheit. Dies nicht etwa nur in
einer abstrakten Form, sondern ganz konkret als Haß auf jene bürgerlichen
Verhältnisse, die noch immer die Emanzipation ermöglichen, mit dem
beharrlichen Festhalten an persönlicher Entfaltung und Individualität. Es
ist der Haß auf das im besten Sinne bürgerliche Selbstbewußtsein, mit dem
etwa in den Twin Towers die Überwindung der Abhängigkeit von der ersten
Natur zur Schau gestellt wurde. Es ist der Haß auf einen prometheischen
Trotz, der bei aller Übermächtigkeit der Verhältnisse darauf insistiert, das
Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Es ist der Haß auf die "Kritik des
geltenden Realitätsprinzips zugunsten des Lustprinzips" (Marcuse), es ist
nicht zuletzt der Haß auf ein als Arroganz denunziertes
Geschichtsverständnis, das den Lauf des Schicksals nicht als
Naturnotwendigkeit und blind zu exekutierenden akzeptiert, sondern darauf
beharrt, aus der falschen Geschichte zu lernen und sich genötigt sieht,
angesichts des weltweiten Dranges nach Regression ins autoritäre Kollektiv
den Griff nach der Notbremse zu suchen.
Der Haß auf Amerika ist der Haß auf Alles, was es für jeden Menschen, der
noch nicht vollends den Zumutungen des zunehmend ununterscheidbaren
Tugendterrors deutsch-völkischer, islamischer oder linker Prägung zum Opfer
gefallen ist, leidenschaftlich zu verteidigen gilt. Daß es sich beim
Anti-Amerikanismus um mehr als nur um eines der vielen deutschen
Ressentiments handelt, ist offensichtlich. Die antikapitalistische Raserei
bezieht ihre Dynamik nicht zuletzt aus dem Scheitern. Gerade die Opferpose
des "ehrlichen kleinen Mannes", der ohnehin der Gelackmeierte ist, ist
konstitutiv für das Ressentiment. Ihm wohnt inne der Drang der barbarischen
Aufhebung - das wahnhafte Streben nach der "Flucht nach vorn", im letzten
Gefecht die Gleichheit im Tode herzustellen.
Ayelet Banai Miller, Journalistin
Thomas von der Osten Sacken, WADI e.V.
Uli Krug, Redaktion Bahamas
Sonntag, 18. Januar
19.30 Uhr
im Saal der Jerusalemgemeinde, Berlin
Lindenstraße 85
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