Weltgebetstag der Frauen 2003 -
Libanon
Dokumentation Teil 3Israelische Landminen und
palästinensisches Flüchtlingslos:
Ein Nachtrag zur Weltgebetstagsliturgie aus dem Libanon
Informiertes Beten" ist seit Jahren die Devise der
Weltgebetstagsbewegung. Dies nimmt auch die diesjährige
Weltgebetstagsliturgie, die aus dem Libanon kommt, für sich in Anspruch. An
zwei Stellen der Liturgie, wo ausdrücklich Israel nicht nur erwähnt, sondern
angeklagt wird, möchte ich die so genannte "Information" unter die Lupe
nehmen. Ein zentraler Text der Liturgie sind die Gebete der fünf "Stimmen
aus dem Libanon", die die Menschen im Libanon repräsentieren und ihre Sorgen
und Nöte aussprechen - und den Frauen in aller Welt zu Gehör bringen.
Der Aufbau dieses Abschnitts ist klar konstruiert: ein
Kind, eine Mutter, eine Studentin, eine Palästinenserin aus einem
Flüchtlingslager und eine Frau, die auf die unsichere wirtschaftliche und
politische Situation hinweist, sind die Sprecherinnen. Das 9jährige Kind,
das den Auftakt macht, spricht davon, wie eine israelische Landmine ihm
beide Beine abgerissen hat; die Palästinenserin, schon im Flüchtlingslager
geboren, klagt ihr Recht auf "Rückkehr in unsere rechtmäßige Heimat" ein. -
Von fünf Stimmen thematisieren zwei das feindliche Israel als Ursache ihrer
Probleme!
Ich nehme die genannten Texte aus der Liturgie auf - zur
besseren Kennzeichnung in kursiver Schrift! - und stelle ihnen jeweils eine
andere Information gegenüber. Ob der Anspruch auf "informiertes Beten" bei
dieser Sachlage aufrecht erhalten werden kann, mag jede Leserin und jeder
Leser selber entscheiden.
Hier der "informative Text" der ersten Sprecherin:
1. Stimme aus dem Libanon. Yasmina erzählt:
Ich stamme aus dem Süden des Libanon und bin neun Jahre alt. Letztes Jahr im
Juni wur-den meine beiden Beine amputiert. Beim Spielen mit meinen
Freundinnen auf den Feldern war ich auf eine Landmine getreten. Mehr als 139
000 Minen haben die israelischen Militärs hinterlassen, nachdem sie 22 Jahre
lang unser Land besetzt hatten. Sachverständige sagen, dass das Minenräumen
mehr als dreißig Jahre dauern wird.
Ich wollte endlich mit meinen Freundinnen draußen spielen. Ich wollte
einfach herumrennen, weil wir nun frei sind. Aber jetzt kann ich es nicht
mehr und meine Freundinnen dürfen es nicht mehr..."
Dazu eine Stellungnahme der israelischen Botschaft Berlin, der zur Situation
im Südlibanon folgende Frage gestellt wurde:
"Die Gebetsordnung des diesjährigen Frauenweltgebetstages behauptet u. a.:
'Mehr als 139 000 Minen haben die israelischen Militärs hinterlassen,
nachdem sie 22 Jahre lang unser Land besetzt hatten.' Stimmt das?"
Antwort: Israel hat lange versucht, den Frieden an seiner
Nordgrenze zu bewahren, ein Be-mühen, das zum Scheitern verurteilt war, als
der Libanon immer stärker zum Sammelbecken terroristischer Gruppen wurde. Im
März 1978 rückten palästinensische Terroristen vom Libanon aus nach Israel
vor. Als die Gewalt vom Libanon aus eskalierte, nahmen israelische
Streitkräfte Stellungen der Terroristen im Süden des Landes ein, um die
Terroristen von der Grenze zurückzudrängen. Jerusalem hat wiederholt betont,
dass Israel nicht einen einzigen Zoll libanesischen Bodens in seinen Besitz
bringen wollte. Lediglich in einem zwölf Kilometer weit in den Südlibanon
hineinragenden Streifen wurde eine kleine, tausend Mann starke israelische
Truppeneinheit stationiert, die Städte und Dörfer im Norden Israels vor
Angriffen schützen sollte.
Am 24. Mai 2000 zog sich die israelische Armee vollständig aus dem
Südlibanon zurück und erfüllte damit die Resolution 425 (1978) des
Sicherheitsrates. Fünf Tage nach dem israelischen Truppenabzug kamen
Verbindungsoffiziere der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) mit dem
Oberkommando der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) zur
Überga-be aller Informationen, die der IDF zur Verfügung standen, zusammen.
Dazu zählten auch detaillierte Karten, die von der israelischen Armee im
Südlibanon verwendet wurden, um Minenfelder und andere Areale zu
lokalisieren, in denen Minen und andere Sprengkörper vermutet werden. Dies
umfasste auch sämtliche uns bekannte Informationen zu Minen und sonstigen
Sprengkörpern, die von anderen Elementen ausgelegt worden waren, die in dem
Gebiet operieren. Die UNIFIL hat die Übergabe der israelischen Unterlagen
und die Kooperation bestätigt.
Es ist weithin bekannt, dass der Südlibanon über viele
Jahre hinweg als Brutstätte für terroristische Aktivitäten diente. Während
dieser Zeit wurden große Mengen an Minen, Paketbomben und anderen
Sprengkörpern von Terrorgruppen und einzeln operierenden Terroristen
ausgelegt. Diese Minen und Sprengkörper sind nie markiert, karthographiert
oder gemeldet worden. Auch sind die betroffenen Gebiete nie abgezäunt
worden, um so Schaden an Zivilisten zu verhindern. Bis heute stellen diese
Sprengkörper eine ernsthafte Bedrohung für die Bevölkerung des Südlibanon
dar. Die Hisbollah operiert weiter aus diesem Gebiet heraus - immer wieder
werden von dort aus Ziele in Nordisrael angegriffen. Bis heute befinden sich
vier israelische Soldaten, die von israelischem Territorium entführt wurden,
in der Gewalt der Hisbollah.
Erst vor einigen Tagen machte Naim Kassam, der stellvertretende
Generalsekretär der Terrororganisation, im libanesischen Fernsehen
(23.01.2003) und in der Zeitschrift Al-Safir (25.01.2003) klar, dass die
Hisbollah selbst dann ihre Angriffe gegen Israel nicht einstellen wird, wenn
sich die IDF von den sogenannten Sheba Farmen (28 qkm) zurückziehen werden.
Der Krieg gegen Israel sei ein Teil der politischen Aktivitäten der
Hisbollah, dem auch weiterhin oberste Priorität eingeräumt werde.
Gemäß der Resolution 425 des UN Sicherheitsrates ist es
die Pflicht der libanesischen Regierung, eine effektive Kontrolle und die
Autorität über das Gebiet zu etablieren und den internationalen Frieden und
die Sicherheit im Südlibanon wieder herzustellen. Dies ist bis heute
unterlassen worden.
Israel wird selbstverständlich auch weiterhin mit der UNIFIL kooperieren und
ihr assistieren, sobald weitere Klärungen zu den Informationen nötig sein
sollten, die von Israel übergeben wurden.
Aus: Newsletter der Israelischen Botschaft in Berlin vom 04.02.03
Bei dem nächsten Text muss ich vorausschicken, dass die
Informationen, die der 4. Stimme gegenüber gestellt werden, aus einem wenig
israelfreundlichen Faltblatt stammen, das der Verein "Flüchtlingskinder im
Libanon" e.V. herausgegeben hat; - das Thema dieses Faltblatts heißt: "Die
palästinensischen Flüchtlinge im Libanon (von 1948 bis heute)".
Es handelt sich um eine Darstellung aus palästinensischer
Sicht. Das ist zu bedenken, wenn die Verhältnisse im Libanon sehr kritisch
beleuchtet werden. Wie üblich, ist wenig davon zu lesen, dass die PLO
Arafats den Libanon in einen schrecklichen Bürgerkrieg gestürzt hat, an
dessen Ende alle (!) ethnischen und religiösen Gruppen des Libanon die
Palästinenser für den Zerfall des Libanon verantwortlich machten und darum
aus ihrer Gesellschaft ausschlossen.
Die rigorose Ausgrenzung, die die palästinensischen Flüchtlinge "in diesem
freundlichen Land" am Ende des Bürgerkriegs erfuhren, ist die Folge der
PLO-Politik Jassir Arafats. - Das steht natürlich so nicht in dem Faltblatt;
aber wer es kritisch liest, kann einige Informationen über die neueste
Geschichte des Libanon bekommen und zum Los der Flüchtlinge seine Schlüsse
daraus ziehen.
Hier der "informative Text" der 4. Sprecherin:
4. Stimme aus dem Libanon. Nakba erzählt:
Ich bin Palästinenserin und lebe seit meiner Geburt in einem
Flüchtlingslager im Libanon. 1948 mussten meine Eltern Palästina verlassen
und suchten Schutz in diesem freundlichen Land. Ich bin den Menschen im
Libanon dankbar für die Bereitschaft, uns aufzunehmen. Doch seit mehr als 50
Jahren fordern wir die Rückkehr in unsere rechtmäßige Heimat. Zu lange
warten wir schon. Die Welt scheint uns vergessen zu haben."
Dazu einige Auszüge aus dem oben erwähnten, 6seitigen Faltblatt über "Die
palästinensischen Flüchtlinge im Libanon (von 1948 bis heute)"
"Bis in die 60er Jahre erhofften sich die palästinensischen Flüchtlinge eine
Lösung ihres Problems durch die arabischen Staaten. Spätestens im
6-Tage-Krieg 1967 mußten sie dann aber deren politische und militärische
Unfähigkeit erkennen. Mit der Gründung der PLO und der Übernahme ihres
Vorsitzes durch Jassir Arafat im Jahr 1969 nahmen die Palästinenser ihr
Schicksal in die eigenen Hände.
Die Organisation sah zunächst ausschließlich im
bewaffneten Kampf das Mittel zur Befreiung Palästinas. Dieser wurde zuerst
von Jordanien aus und ab 1970/71 vom Libanon aus geführt. Beirut wurde
Hauptquartier der PLO...
Durch die großzügige finanzielle Unterstützung vor allem aus den reichen
Golfstaaten wurde die Organisation zu einem entscheidenden politischen und
militärischen Faktor im Libanon. Die Palästinenser konnten sich bereits 1969
im Kairoer Abkommen von der damaligen libanesischen Regierung das Recht
erwirken, innerhalb der Flüchtlingslager politisch und militärisch autonom
zu sein und von libanesischem Boden aus ihren Kampf gegen Israel zu
führen...
Im Verlauf des Bürgerkriegs sahen sich die Palästinenser nicht nur den
Angriffen der christlichen Maroniten und der israelischen Armee ausgesetzt,
sondern auch Angriffen ihrer muslimischen Glaubensbrüder. So wurden sie in
der ersten Phase des Bürgerkriegs von der syrischen Armee bekämpft, die den
Einfluß der PLO im Libanon übermächtig werden sah, und in der zweiten Hälfte
der 80er Jahre wurden die palästinensischen Flüchtlingslager von der
schiitischen Amal-Miliz monatelang belagert und beschossen...
Die sozialen Einrichtungen der PLO waren nach Kriegsende
größtenteils zerstört, die Beschäftigungsmöglichkeiten geschwunden, die
finanzielle Unterstützung schrumpfte. Die politischen und konfessionellen
Gruppierungen des Libanon einigten sich 1989 im Friedens-Abkommen von Ta'if
darauf, die Palästinenser als die in ihren Augen Hauptverantwortlichen für
den Ausbruch des Bürgerkrieges aus dem politischen, sozialen und
wirtschaftlichen Leben des Landes auszuschließen. Da Syrien nach dem Krieg
die politische und militärische Kontrolle im Libanon übernahm, konnten
darüber hinaus Hunderttausende von syrischen Arbeitssuchenden ins Land
strömen...
Einen weiteren gravierenden wirtschaftlichen Einbruch erlitten die
palästinensischen Flüchtlinge während des ersten Golfkrieges. Die PLO hatte
sich auf die Seite Saddam Husseins gestellt. Die Golfstaaten revanchierten
sich daraufhin mit dem Hinauswurf Hunderttausender palästinensischer
Arbeiter, Techniker und Akademiker, die bis dahin ihre Angehörigen in den
Flüchtlingslagern unterstützt hatten, und mit der Einstellung der Zahlungen
an die PLO. Die wirtschaftliche Situation verschlechterte sich dramatisch.
Heute dürfen die palästinensischen Flüchtlinge außerhalb der
Flüchtlingslager in mehr als 70 Berufen grundsätzlich nicht arbeiten. Dazu
zählen akademische Berufe ebenso wie handwerkliche Berufe oder auch
Sekretär/in oder Taxifahrer. Für alle übrigen Berufe brauchen sie eine
Arbeitserlaubnis vom libanesischen Staat. Jährlich werden ca. 100
Arbeitserlaubnisse erteilt..."
Hartmut Metzger
Weitere Beiträge der Dokumentation zum Weltgebetstag 2003:
hagalil.com
07-02-03
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