Ent- und Umschuldung:
Skandalöses Kapitel in österreichischem Schulbuch*
Von Karl
Pfeifer
Die meisten
Medien und einige Politiker in Österreich stehen auf dem Standpunkt, dass
der Holocaust von irgendwelchen "Nazi" begangen wurde, mit denen man hier
nicht das Geringste zu tun hatte, dass aber Österreicher das Recht haben,
den israelischen Juden vorzuwerfen, sie hätten unter den Bedingungen des
Nahen Ostens keinen perfekten demokratischen Staat eingerichtet. Einen
Staat, den es auch anderswo nicht gibt. So harmoniebedürftig man zu Hause
ist, so radikal ist man in der "Kritik" des jüdischen Staates, an dem man
kein gutes Haar lässt.
In diesem Sinne
wurde in einem österreichischen Schulbuch ein Kapitel über den Nahen Osten
verfasst, das mehr über die Vorurteile der Verfasser als über die Realität
des Konflikts aussagt. Die Autoren wollen durch Opfer-Täter Umkehr einen
Schlussstrich ziehen. Suggeriert wird: So wie früher die "Nazi", so sind
heute die "Israeli zu Tätern" geworden. Den Autoren ist es gelungen, nicht
nur einseitig zu agitieren, sondern auch gravierende Faktenfehler
anzubringen.
Mehr noch als
die Faktenfehler, die hier dokumentiert werden, erschüttert die böswillige
Tendenz, die bereits auf den beiden Seiten des Buchumschlages zum Ausdruck
kommt. Wir sehen unten eine Szene aus dem österreichischen Parlament, oben
die selig gesprochene katholische Nonne Mutter Teresa sowie den Pastor
Martin Luther King (1), der gegen die Rassendiskriminierung kämpfte, und in
der Mitte zwischen den beiden ausgerechnet ein Fahrzeug der israelischen
Polizei, zwei israelische Polizisten, die mit dem Gewehr im Anschlag auf
flüchtende palästinensische Kinder zielen. Den Schülern soll vermittelt
werden, was 69 Prozent der Befragten in Österreich ohnehin glauben: Israel
sei die größte Gefahr für den Frieden in der Welt.
Die Autoren
behaupten: "Keine Region hat wohl in den letzten Jahrzehnten so viel Gewalt
erlebt wie der Nahe Osten." Diese Behauptung stimmt nicht, beispielsweise
kam es in Kambodscha und Ruanda zu Genoziden.
Die Autoren
schreiben: "In Palästina, bis 1918 ein Teil des Osmanischen Reiches, lebten
um 1880 rund 15.000 Juden unter 440.000 Arabern".
Erstens gab es im Osmanischen Reich kein "Palästina". Nach der Revolte des
Bar Kochba (131-135 u.Z.) nannten die Römer dieses Land "Syria Palaestina",
später dann nur Palaestina. Erst die Briten nannten das Gebiet Palestine,
Arabisch Filastin und Hebräisch Erez Israel, was auf jeder Münze während der
Mandatsherrschaft auch zu lesen war. Zweitens gab es im Osmanischen Reich
keine zuverlässigen Volkszählungen und die Zahl der Juden ist viel zu
niedrig angegeben, wie das auch in der arabischen Propaganda üblich ist.
Weiter behaupten
die Autoren: "Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die Einwanderung
europäischer Juden, getragen von der Idee des Zionismus, der seine Wurzeln
im europäischen Nationalismus und im Antisemitismus hat."
Hier werden zwei vollkommen verschiedene Sachen vermischt. Der europäische
Nationalismus Ende des 19. Jahrhunderts hatte in einigen Ländern, z. B. im
italienischen Risorgimento, durchaus fortschrittliche Züge und der
politische Zionismus war von diesem inspiriert. Anders der Antisemitismus,
der Juden aus der Gesellschaft ausgrenzte bzw. die halbherzige Emanzipation
rückgängig machen wollte. Hier hätten die Autoren die Möglichkeit gehabt,
auf den christlich-sozialen und deutschnationalen Antisemitismus in
Österreich hinzuweisen, der mit dazu beigetragen hat, dass der politische
Zionismus in Wien entstand.
Die Behauptung
der Autoren, dass Theodor Herzl 1896 "die Idee des Zionismus (Rückkehr der
Juden in das Gelobte Land)" begründet habe und dass damit die "jüdische
Einwanderung beginnt", stimmt auch nicht. Herzl war der Begründer der
zionistischen Organisation, somit des politischen Zionismus. Doch Leo
Pinsker hat bereits 1882 die "Autoemanzipation" befürwortet und die erste
Welle der modernen jüdischen Einwanderung begann bereits 1882.
Die Autoren
schreiben, dass 1920 "Palästina [...] gemeinsam mit Transjordanien als
Völkerbundmandat unter britische Verwaltung [kommt]" und greifen damit der
Geschichte vor. Das heutige Jordanien wurde erst 1923 als Transjordanien von
Palästina abgetrennt und Juden durften sich dort nicht niederlassen. Doch
auch das erfahren die Schüler nicht.
"Die steigenden
Einwanderungszahlen blieben jedoch nicht ohne Folgen: Bereits 1929 kam es zu
gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern." Bereits im
April 1920 wurden bei antijüdischen Unruhen fünf Juden von Arabern getötet
und über 200 verwundet. (2) Im Mai 1921 wurden von Arabern in Jaffa und in
fünf Dörfern 47 Juden getötet und 147 verwundet. (3) Und wie kam es zu dem
großen Pogrom von 1929? Im September 1928 haben die Juden an der Klagemauer
zwischen Männern und Frauen einen Vorhang angebracht. Die Moslems sahen
darin eine unerwünschte Erneuerung und ein paar Tage später präsentierte der
Oberste Moslem Rat ein Memorandum, in dem behauptet wurde, dass "die Juden"
die Al Aksa Moschee übernehmen wollten. Der "Nationalrat" (Va'ad Leumi) der
Juden richtete einen offenen Brief an die moslemische Gemeinschaft, in dem
ausdrücklich jede Absicht einer Schmälerung der moslemischen Rechte auf ihre
heiligen Stätten dementiert wurde. Zwischen dem 23. und dem 29. August
[1929] erfolgten mörderische Angriffe von Arabern gegen Juden in Jerusalem,
Hebron, Safad und in ländlicher Gegend. Während dieser Angriffe wurden 133
Juden getötet (mehr als 60 in Hebron) und 339 verletzt. (4) Diese arabischen
Pogrome, denen meistens antizionistische orthodoxe Juden zum Opfer fielen,
werden von den Schulbuchautoren als gewaltsame "Auseinandersetzungen
zwischen Juden und Arabern" verharmlost.
Und wie stand
das mit der "steigenden Einwanderungszahlen"?
Die von der britischen Regierung herausgegebene "History of Palestine" gibt
für das Jahr 1927 2.718, für 1928 2.178 und für 1929 5.249 Einwanderer an.
Nicht berücksichtigt ist bei diesen Zahlen die Rückwanderung von Juden nach
dem wirtschaftlichen Rückschlag 1927. Die Autoren sprechen von "steigenden
Einwanderungszahlen" gerade in den Jahren, als die Zahl der Einwanderer
rapide zurückging. In den Jahren zuvor, also 1924-1926 (12.856, 33.801 und
13.081), kam es tatsächlich zu einer verstärkten Einwanderung in das Land,
deren Ursache aber nicht irgendwelche zionistische Bestrebungen waren,
sondern einerseits die antijüdischen Maßnahmen in Polen und andererseits das
In-Kraft-Treten der Johnson-Akte in den Vereinigten Staaten im Jahr 1924,
die Juden die Möglichkeit nach Amerika auszuwandern, abrupt verschloss.
Stellen Sie sich
ein österreichisches Schulbuch vor, in dem Folgendes stehen würde:
"1. September 1939: Zweiter Weltkrieg zwischen Alliierten und den
Achsenmächten. Polen und die UdSSR erobern Zehntausende Quadratkilometer,
mehr als zehn Millionen Deutsche fliehen." Ein solches Schulbuch würde - so
ist doch zu hoffen - sofort eingezogen. Doch genau diese Methode wurde in
diesem 2003 erschienenen Schulbuch angewandt:
"14. Mai 1948: Unabhängigkeitserklärung Israels. Erster
israelisch-arabischer Krieg. Israel erobert mehr als 5000 km2. Rund 750.000
Araber fliehen (Palästinenser)."
Der Schüler, der
dies liest, denkt unwillkürlich, Israel hat sofort nach der
Unabhängigkeitserklärung die Araber angegriffen, um ihr Territorium zu
erobern. Nicht erfahren dürfen die Schüler, dass die Armeen der arabischen
Nachbarn und des Iraks bereits einen Tag nach der Unabhängigkeitserklärung
Israel angegriffen haben.
Beim Suez-Krieg
wird darauf hingewiesen, dass dieser sich "gegen Ägypten" richtete. Die
Tatsache, dass Ägypten bereits am 12. September 1955 die Meerenge von Tiran
am Ausgang des Roten Meeres und damit den Weg zum Hafen Eilat für
israelische Schiffe hat sperren lassen und dass die Flüge der israelischen
El Al nach Südafrika eingestellt werden mussten, erfahren die Schüler
genauso wenig wie den Fakt, dass an diesem Krieg gegen Ägypten auch
Frankreich und Großbritannien beteiligt waren. Wie sie auch nicht erfahren,
welche Großmacht welchen Konfliktteilnehmer wann unterstützt hat, obwohl
ohne Kenntnis dieser Fakten die Entwicklung nicht verständlich ist. 1948 war
sowohl die transjordanische als auch die ägyptische Armee von Großbritannien
ausgerüstet und z.T. auch von britischen Offizieren befehligt, während
Israel seine Waffen aus dem Ostblock erhielt. Die arabische Propaganda
beschuldigte damals Israel, ein "kommunistischer" Vorposten der Sowjetunion
zu sein und die USA belegten die kriegsführenden Parteien mit einem Embargo.
"1967: Israel
erobert im Sechs-Tage-Krieg Gaza, das Westjordanland, die Golan-Höhen,
Ost-Jerusalem und die Sinai-Halbinsel". Nicht geschildert wird von den
Autoren, dass Nasser zuvor die Meerenge Tiran (Zufahrt zum israelischen
Hafen Eilat) gesperrt und den Abzug der UNO-Friedenstruppen aus dem Sinai
gefordert und binnen zwei Tagen erreicht hat.
Interessant ist
auch die Art wie "Jüdischer Terror", graphisch hervorgehoben von den
Autoren, bereits im Juli 1946 begonnen haben soll, während sie "Schwerste
Palästinensische Anschläge seit Beginn der 'Al-Aksa-Intifada'" lediglich auf
2001 und 2002 beschränken, und das obwohl es in den Jahrzehnten zuvor
massiven palästinensischen Terror gegeben hat.
Die Tatsache,
dass ein palästinensischer Mob am Anfang der zweiten Intifada im Oktober
2000 israelische Soldaten, die sich verfahren hatten und irrtümlich nach
Ramallah gelangten, gelyncht hat, war den Autoren auch keine Erwähnung wert.
Die Autoren
schreiben: "April 1948: Irgun Männer unter der Führung von Menachem Begin
überfallen das arabische Dorf Deir Jassin und metzeln 254 Männer, Frauen und
Kinder nieder."
Arabische
Pogrome, wie in Hebron 1929, wurden zu "gewaltsamen Auseinandersetzungen
zwischen Juden und Arabern". Die von Mitgliedern des Irgun (Menachem Begin
war übrigens nicht darunter) begangene Ermordung von ca. 100 bis 110
Einwohnern von Deir Jassin ist aber ein Gemetzel! Das entspricht vollkommen
der palästinensischen Propaganda, die das Massaker von Deir Jassin in den
Mittelpunkt ihrer Agitation stellt. Der israelische Historiker Benny Morris
schilderte in seinem 1999 erschienenen Buch "Righteous Victims", wie es dazu
kam: Ein gepanzertes Fahrzeug des Irgun forderte von den Einwohnern von Deir
Jassin in der Nähe von Jerusalem, sie mögen ihre Waffen niederlegen und ihre
Häuser verlassen. Unglücklicherweise ist dieser Panzerwagen in einen Graben
gefahren und die Verlautbarung wurde von den Dorfbewohnern nicht gehört.
Tatsache ist, dass es außer in Deir Jassin nur zu wenigen von Juden
begangenen Ausschreitungen gekommen ist. Die politischen und religiösen
Führer der Juden verurteilten eindeutig diejenigen, die daran beteiligt
waren. Die Jewish Agency sandte dem König von Transjordanien ein Erklärungs-
und Entschuldigungsschreiben und David Ben Gurion nahm diesen Vorfall zum
Anlass, um im Juni 1948 sowohl die Stern-Gruppe als auch den Irgun
aufzulösen.
Einige
palästinensische Führer übertrieben den Umfang des Vorfalls und verbreiteten
auch das Gräuelmärchen, Juden hätten in Deir Jassin arabische Frauen
vergewaltigt. Hussein Khalidi zum Beispiel sagte: "Wir mussten dies sagen,
damit die arabischen Armeen kommen und uns von den Juden befreien". Hazam
Nusseibi, der damals Journalist war, sagte Jahre später der BBC, dass die
wohlbedachte falsche Beschuldigung der Vergewaltigung "unser schwerster
Fehler war, denn sobald die Palästinenser hörten, dass Frauen in Deir Jassin
vergewaltigt wurden, flohen sie von der Panik ergriffen".
Nicht erwähnt
wurden von den Autoren die von Arabern an Juden begangenen Massaker in der
Zeit vom Dezember 1947 bis zum April 1948. Hier nur zwei Beispiele: Am 22.
Februar sprengten sie in der Jerusalemer Ben Jehuda Straße ein Lastauto,
töteten 52 Juden und verletzten 32 schwer. Am 11. März sprengten Araber ein
Automobil im Hof der Jewish Agency und töteten 12 Personen.
Fast eine ganze
Seite widmen die Autoren der "Ungleichbehandlung von Juden und Arabern" in
Israel. Mit keinem einzigen Wort gehen sie auf die komplexen Probleme einer
Minderheit ein, die der gleichen Nationalität angehört wie die Feinde des
Staates Israel. Dabei werden einige Beispiele krasser Diskriminierung
gegeben, aber die vielen Beispiele der wirklichen Gleichberechtigung
verschwiegen. Mit keinem Wort erwähnen die Autoren die Tatsache, dass 1948
an die 150.000 Araber in Israel verbleiben konnten, während keinem Juden
gestattet wurde, in den von Arabern beherrschten Gebieten (z.B. in der
Altstadt von Jerusalem, wo die Klagemauer steht) zu bleiben bzw. diese zu
besuchen. Heute leben über eine Million Einwohner, 19 % der Bevölkerung, in
Israel, die zu einer der arabischsprachigen Gruppen (Moslems, Christen,
Beduinen, Drusen, Tscherkessen) gehören.
Auch wird nicht
erwähnt, dass durch das von der jüdischen Einwanderung angeregte
Wirtschaftswachstum in der Mandatszeit auch Araber in das Land einwanderten.
Im Wesentlichen bildet die arabische Bevölkerung eine eigenständige
Gruppierung, was durch den Gebrauch des Arabischen, der zweiten Amtssprache
Israels, erleichtert wird. In diesem Zusammenhang hätte der Vergleich mit
Kärnten gelohnt. Während in Israel zwei- und dreisprachige Ortstafeln und
Verkehrsschilder die Regel sind, können trotz Staatsvertrags und 58 Jahre
Frieden in Kärnten an vielen Orten die zweisprachigen Ortstafeln nicht
aufgestellt werden. Ein gesondertes arabisch-drusisches Schulsystem,
arabische Massenmedien, arabische Literatur und Theater tragen zur
Eigenständigkeit bei.
Unabhängige
muslimische, drusische und christliche Gerichte sind zuständig für
Angelegenheiten des Personenstandrechts. Auch wenn viele Sitten und
Gebräuche der Vergangenheit immer noch Teil des Alltags sind, haben doch
Autoritätsverlust von Stammesorganisation und Patriarchat sowie die
Teilnahme am demokratischen Prozess Israels zu einem raschen Wandel in
Anschauungen und Lebensstil geführt. 1920-21 gab es in diesem Gebiet
lediglich 171 öffentliche arabische Schulen mit 11.000 Schülern, das waren
sieben Prozent der arabischen Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren.
1936-37 gab es 55.000 arabische Schüler und 22.300 arabische Schülerinnen,
d.h. 39 Prozent der Buben bzw. 17 Prozent der Mädchen im Alter von fünf bis
14. 1945-46 gab es 91.000 arabische Schüler und 33.900 arabische
Schülerinnen in dieser Altersgruppe, d.h. 57 Prozent der Buben und 23
Prozent der Mädchen. Erst Israel hat die allgemeine Schulpflicht eingeführt
und durchgesetzt. Die gesetzliche Gleichstellung der Frau sowie das Verbot
von Polygamie und Kinderehe trugen zu einer erheblichen Emanzipation der
arabischen Frau bei.
Der arabische
Bevölkerungsteil ist sowohl auf nationaler wie kommunaler Ebene politisch
aktiv. Arabische Bürger führen die politischen und verwaltungstechnischen
Angelegenheiten ihrer Städte. Die von ihnen gewählten Repräsentanten in der
Knesset vertreten die arabischen Interessen und arbeiten darauf hin, den
Status von Minderheiten sowie den Anteil an staatlicher Unterstützung zu
verbessern. Seit der Gründung Israels wurden arabische Bürger mit Rücksicht
auf ihre familiären, religiösen und kulturellen Bindungen zur arabischen
Welt von der Wehrpflicht befreit. Gleichzeitig wird zum freiwilligen
Militärdienst aufgerufen, wozu sich jedes Jahr einige entschließen. Die
Männer der drusischen und tscherkessischen Minderheit sind auf eigenen
Wunsch seit 1957 wehrpflichtig und die Zahl der als Berufssoldaten dienenden
Beduinen wächst ständig.
Diese Fakten
werden von den Autoren vollkommen verschwiegen, denn ihnen geht es nur
darum, den Staat Israel anzuschwärzen und ein schwarz-weißes Bild von einer
komplexen Realität zu malen, damit die Schüler den jüdischen Staat
verdammen.
Die Autoren
geben die Quellen ihrer Arbeit an und es fällt auf, dass fast alle von
Journalisten stammen. So zum Beispiel die Folgende von Gerhard Schönberner:
"Dem Staat Israel ist es über lange Zeit gelungen, die allgemeine Empathie
für die europäische Judenheit, von der nur ein Drittel dem Nazi-Genozid
entkommen ist, auf sich zu lenken und die Rolle dessen, der nur Opfer ist
und das Recht auf Beistand hat, für sich zu beanspruchen. So war die Welt
bereit, das Bild von Entstehung und Aufbau des jüdischen Staates für wahr zu
halten, das dieser selbst verbreitete, und alle Erscheinungen, die dazu in
Widerspruch standen, zu übersehen oder als Einzelfälle abzutun." Und es
folgt der obligate Hinweis, "dass die Israelis auch Täter sind".
Aha, denken sich die Schüler, da gab es also in Österreich nach 1945 eine
Empathie für die europäische Judenheit. Und wie haben diese bösen Israelis
dies vergolten? Sie haben der Welt vorgeschwindelt, dass sie den
überlebenden Juden eine Heimat bieten.
Die Autoren
hätten es aber wissen müssen, dass es in Österreich nach 1945 keine
"allgemeine Empathie für die europäische Judenheit" gab, sondern
antisemitische Demonstrationen gegen jüdische Überlebende. (6) Bereits im
August 1945 entschuldigte der damalige sozialdemokratische Staatschef Karl
Renner die kleinen Nationalsozialisten, die doch keinen Weltkrieg wollten,
sondern nur, dass man den "Juden was tut". (7)
Erinnert werden
muss auch an den bekannten Ausspruch des sozialdemokratischen Innenministers
Oskar Helmer, der zur Entschädigung der jüdischen Opfer meinte: "Ich bin
dafür, die Sache in die Länge zu ziehen". (8) Und tatsächlich ist das der
Republik Österreich, die auf die biologische Lösung gesetzt hat, bis heute
gelungen.
Vor allem aber
wird in obigem Zitat suggeriert, dass Nationalsozialisten und deren jüdische
Opfer (und ihre Nachkommen) gleichermaßen "Täter" seien. Diese skandalöse
Analogiebildung findet sich vor allem in der arabischen Propaganda, welche
gar noch einen Schritt weiter geht und den Zionismus mit dem
Nationalsozialismus gleichsetzt. Die Gefahr obigen Zitates liegt darin, dass
sich vermutlich einige Schüler denken, die "Juden" seien auch nicht besser
als die Nazi ...
Wie
oberflächlich dieser Text ist, geht auch aus einem Zitat aus dem Jahr 1991
hervor, das unter dem Titel "Exkurs: Holocaust" gebracht wird und in dem die
Behauptung steht, "das NS-Regime" hätte "auf der Wannsee-Konferenz 1942 die
planmäßige Vernichtung der europäischen Juden" beschlossen und danach
durchgeführt, was einerseits nicht stimmt (9), denn diese Vernichtung begann
bereits 1941, andererseits aber ziemlich schnoddrig formuliert ist, denn
Millionen Menschen zu berauben, zu deportieren und zu ermorden, war ja nicht
irgendeine administrative Maßnahme, die erst 1942 getroffen wurde und an der
dann lediglich ein paar Beamte beteiligt gewesen sind. Die Beraubung der
österreichischen Juden begann am Tag des "Anschlusses" im März 1938!
Doch dieser
"Exkurs: Holocaust" hat ja nicht die Absicht, irgendetwas über die Täter zu
sagen, sondern den Opfern und ihren Nachkommen vorzuwerfen, dass sie, vor
"diesem Hintergrund des Holocausts [...] die Gebietsansprüche der
Palästinenser vielfach als Vernichtungsdrohung" ansehen. Damit werden
implizit die tatsächlichen arabischen Vernichtungsdrohungen verniedlicht.
Wie ernst es
demgegenüber den arabischen Judenfeinden war, belegt Hadj Amin el Husseini,
der bis heute verehrte Führer der Palästinenser, in seinen Memoiren: "Unsere
grundlegende Bedingung für unsere Kooperation mit Deutschland war, eine
freie Hand zu erhalten, um alle Juden aus Palästina und der arabischen Welt
auszurotten. Ich bat Hitler für eine explizite Verpflichtung, uns zu
erlauben, das jüdische Problem in einer Art zu lösen, das unseren nationalen
und rassischen Bestrebungen entspricht und gemäß den neuesten von
Deutschland entwickelten wissenschaftlichen Methoden zur Behandlung der
Juden. Die Antwort, die ich erhielt war: 'Die Juden gehören Ihnen.'" (10)
Und was ist es anderes als drohende Vernichtung, wenn die
Selbstmordattentäter, denen es nur darauf ankommt, ein Maximum von jüdischen
Menschen zu töten, von der überwiegenden Mehrheit der Palästinenser bejubelt
werden, wenn es unter den Palästinensern keine Friedensbewegung gibt.
Abschließend
noch zwei Beispiele für den Umgang der Autoren mit der jüngeren
österreichischen Geschichte.
Beim Ringen um
die Autonomie in Südtirol werden nur die "aus katholisch-antinazistischen
Widerstandskreisen" stammenden Aktivisten erwähnt. Diejenigen, die aus dem
rechtsextremistischen, ja neonazistischen Eck kamen, werden tunlichst
verschwiegen. Unter dem Titel "Die Schatten der Vergangenheit - die Affäre
Waldheim" finden wir folgende Zeilen: "Als die ÖVP 1985 Dr. Kurt Waldheim
als Kandidaten für den Präsidentschaftswahlkampf aufstellte, machte die
SPÖ-Führung Waldheims bislang verschwiegene Kriegsvergangenheit am Balkan
und seine Mitgliedschaft in NS-Organisationen zum Wahlkampfthema. Die sollte
ihm Wählerstimmen kosten. Daraus entwickelte sich eine Kampagne, deren
Steuerung den Initiatoren entglitt. Dafür sorgten die systematischen
Enthüllungen im Nachrichtenmagazin profil und in weiterer Folge auch in der
internationalen Presse. Washington Post und New York Times - Letztere bekam
Dokumente vom World Jewish Congress zugespielt - veröffentlichten die
Information, dass Waldheim der Reiter-SA angehört hatte, was er immer
bestritt. Die WJC-Aktivitäten blieben auf die inneramerikanische Politik
nicht ohne Wirkung. Am 25. März 1986 beantragte der WJC die Eintragung
Waldheims in die Watchlist des amerikanischen Justizministeriums." Die
Tatsache, dass damals eine antisemitische Wahlkampagne für Dr. Kurt Waldheim
gestartet wurde, wird bezeichnenderweise ebenfalls verschwiegen.
Die Autoren
waren offensichtlich dem Gegenstand nicht gewachsen, statt auf seriöse
Geschichtswerke verließen sie sich lieber auf tagespolitische, zumeist
tendenziöse Quellen. Zur politischen Bildung haben sie mit dem Kapitel
"Naher Osten" keinen Beitrag geleistet.
"Durch
die Vergangenheit zur Gegenwart"
VERITAS-Verlag, Linz. 1. Auflage (2003)
ISBN 3-7058-6110-7
"Mit Bescheid des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und
Kultur, GZ 44.533/1-V/1/03 als für den Unterrichtsgebrauch an allgemein
bildenden höheren Schulen für die 8. Klasse im Unterrichtsgegenstand
Geschichte und Politische Bildung geeignet erklärt". |
Der Artikel
erschien beim Dokumentationsarchiv des
österreichischen Widerstandes, in der Rubrik der Aktion gegen
Antisemitismus.
Anmerkungen:
1) Es entbehrt nicht einer Ironie, dass gerade Martin Luther King sich
explizit gegen den "Antizionismus" wandte, dem die Autoren des Schulbuches
implizit frönen. In seinem "Brief an einen antizionistischen Freund" schrieb
er: "Du erklärst, mein Freund, daß Du kein Judenhasser, sondern bloß
'Antizionist' bist. Und ich sage, lasse die Wahrheit von hohen Berggipfeln
erklingen, lasse sie in allen Tälern der grünen Erde Gottes wiederhallen:
Wenn Menschen Zionismus kritisieren, meinen sie Juden - dies ist Gottes
eigene Wahrheit.
Antisemitismus, der Hass auf das jüdische Volk, war und bleibt ein dunkler
Fleck auf der Seele der Menschheit. In dieser Hinsicht sind wir einer
Meinung. Und Du sollst wissen: Antizionismus ist dem Wesen nach
antisemitisch und wird es immer sein.
Warum? Du weißt, daß Zionismus nichts Geringeres als der Traum und das Ideal
des in sein eigenes Land zurückkehrenden jüdischen Volkes ist. Das jüdische
Volk, lehrt uns die Heilige Schrift, lebte einst glücklich in einem
blühenden Staat im Heiligen Land. Von dort ist es von Römischen Tyrannen
vertrieben worden, von den gleichen Römern, die Unseren Herrn grausam
ermordet haben. Vertrieben aus seiner Heimat, sein Land in Schutt und Asche
gelegt, gezwungen, durch die ganze Welt zu wandern, litt das jüdische Volk
unter der Knute jedes Tyrannen, der gerade über es herrschte.
Das Volk der Schwarzen, mein Freund, weiß, was es bedeutet, die Qualen der
Tyrannei von Herrschern, die wir nicht gewählt haben, zu ertragen. Unsere
Brüder in Afrika haben um die Anerkennung und Verwirklichung unseren
natürlichen Rechts, in Frieden unter unserer eigenen Souveränität in unserem
eigenen Lande zu leben, gefleht, um sie gebeten, sie gefordert - nach ihr
VERLANGT.
Wie einfach sollte es doch jedem, der dieses unveräußerliche Recht aller
Menschen schätzt, fallen, das Recht des jüdischen Volkes, in seinem alten
Land Israel zu leben, zu verstehen und zu unterstützen. Alle wohlwollenden
Menschen jubeln über die Verwirklichung des Versprechens Gottes, Sein Volk
in Freude zurückkehren zu lassen, um sein geplündertes Land
wiederaufzubauen. Dies ist Zionismus, nicht mehr und nicht weniger.
Und was ist Antizionismus? Die Verweigerung dem jüdischen Volke eines
Grundrechts, das wir mit Recht für die Völker Afrikas verlangen und allen
anderen Völkern der Welt zugestehen. Die Diskriminierung von Juden, mein
Freund, weil sie Juden sind. Kurz gesagt, es ist Antisemitismus.
Der Antisemit freut sich über jede Gelegenheit, seiner Bosheit freien Lauf
zu lassen. In der westlichen Welt ist es mit der Zeit aus der Mode gekommen,
sich zum Hass auf Juden offen zu bekennen. Der Antisemit muss deshalb
ständig nach neuen Formen und Zuhörerschaften für sein Gift suchen. Wie sehr
er diese neue Maskerade genießt! Er hasst keine Juden, er ist bloß
'Antizionist'!
Mein Freund, ich beschuldige Dich nicht des absichtlichen Antisemitismus.
Ich weiß, daß Du, genauso wie ich, eine aufrichtige Liebe für Wahrheit und
Gerechtigkeit und eine Abscheu gegen Rassismus, Vorurteile und
Diskriminierung empfindest. Aber ich weiß, dass Du - wie manche andere - in
Deinem Glauben, zugleich 'Antizionist' sein und den Grundsätzen, die Du und
ich teilen, treu bleiben zu können, fehlgeleitet bist. Lass meine Worte in
den Tiefen Deiner Seele wiederhallen: Wenn die Menschen Zionismus
kritisieren, meinen sie Juden - Du sollst hier keinen Fehler machen." (M. L.
King Jr., Letter to an Anti-Zionist Friend, Saturday Review XLVII (Aug.
1967), S. 76. Nachgedruckt in: M. L. King Jr., This I Believe: Selections
from the Writings of Dr. Martin Luther King Jr., New York 1971, S. 234-235)
2) The Political History of Palestine under British Administration
(Memorandum by His Britannic Majesty's Government presented in July, 1947,
to the United Nations Special Committee on Palestine), published at
Jerusalem 1947, S. 3.
3) Ebenda.
4) Ebenda, S. 10.
5) Ebenda, S. 8.
6) Zum Beispiel: Demonstration in Bad Ischl, es handelt sich um eine von
KPÖ-Mitgliedern veranstaltete antisemitische Demonstration gegen jüdische
Displaced Persons, bei der Rufe wie "Hängt die Juden auf" laut wurden.
7) Kabinettsratsprotokoll vom 29. August 1945, Karl Renner zur "Nazifrage":
"Ich finde, daß wir in Bezug auf die Behandlung des Naziproblems in eine
kritische Situation kommen. Ich will nicht behaupten, daß ich damit recht
habe, aber die Sache ist nach meinem Gefühl doch so, daß alle diese kleinen
Beamten, diese kleinen Bürger und Geschäftsleute bei dem seinerzeitigen
Anschluß an die Nazi gar nicht weittragende Absichten gehabt haben -
höchstens, daß man den Juden etwas tut -, vor allem aber nicht daran gedacht
haben, einen Weltkrieg zu provozieren." Zit. nach Knight, Robert (Hg.): "Ich
bin dafür, die Sache in die Länger zu ziehen." Wortprotokolle der
österreichischen Bundesregierung von 1945-52 über die Entschädigung der
Juden, Frankfurt am Main 1988, S. 114.
8) Ebenda, S. 197
9) "Entgegen verbreiteter Ansicht wurde bei der Wannseekonferenz der
Judenmord nicht 'beschlossen', dazu hätte auch die Kompetenz der
Konferenzteilnehmer nicht gereicht." Wannsee-Konferenz, Seite 794,
Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 2. Auflage München 1998.
10) Sarah Honig, Fiendish Hypocrisy II: "The Man from Klopstock Street",
Jerusalem Post, April 6, 2001. Ähnliches findet man auch in den Dokumenten
der deutschen Außenpolitik 1918-1945, Archiv des Deutschen Außenamtes, Serie
D, XIII, no 515, Washington D.C. U.S. Government Printing Office, 1949, S.
881-885.
hagalil.com
24-12-2003 |