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Die Union und der rechte Rand

Zur Strategie der CDU/CSU-Fraktion im Umgang mit Parteien der extremen Rechten

Gerd Wiegel, Forum2000plus!

Inhalt
Einleitung

I. CDU/CSU und die Parteien der extremen Rechten
1. Ausgangspunkt 1949: Integration nach rechts
2. Aufbruch des rechten Randes:
Union und NPD in den sechziger Jahren
3. Ende offen: Die dritte Welle rechter Wahlerfolge

II. Rechtsverschiebung (aus) der Mitte
1. Zuwanderung, Asyl, Ausländer, Asyldebatte
2. Nation, Volk, Familie
Zuwanderung: Wer ist das Volk?
Leitkultur und Nationalstolz
Familie: Kampf der Wiegen
3. Rechte Brückenköpfe
Beispiel Geschichtspolitik

III. Rechtspopulismus:
Gefahr oder Chance für die Union?
1. Rechtspopulismus und die Probleme
des etablierten Konservatismus
2. Populistischer Stil – Modell auch für die CSU?
3. Wo steht die Mitte?

Quellen
Literaturverzeichnis

Einleitung

Im Rahmen der so genannten V-Mann-Affäre des NPD-Verbotsverfahrens mahnte der SPD-Vizefraktionsvorsitzende Stiegler CDU/CSU und FDP zu einer besonderen Verantwortung in dieser Sache: Schließlich hätten ihre Vorgängerparteien in der Weimarer Republik und dann bei der Abstimmung über das »Ermächtigungsgesetz« den Weg zur Nazidiktatur geebnet. Diese Äußerung Stieglers produzierte einigen Wirbel und war für die Union Anlass genug zu der Drohung, die angesetzten Konsensgespräche zum Zuwanderungsgesetz zu boykottieren. Historisch exakt ist der Vergleich Stieglers von Union und FDP mit dem Konservatismus beziehungsweise Liberalismus der Weimarer Zeit sicherlich problematisch. Auf der anderen Seite nimmt etwa die Union diese Traditionslinie für sich dann gern in Anspruch, wenn sich positive Bezugspunkte benennen lassen. So verweist der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, auf den Geist des christlichen Konservatismus, der den Widerstand des 20. Juli beseelt habe, um die Union in eben diese Linie zu stellen.1 Unzweifelhaft hatte der größere Teil des konservativen Widerstandes aber seine politische Heimat bei eben jenem Konservatismus, der das Bündnis mit Hitler einging und mit dem »Ermächtigungsgesetz« die Beseitigung der Demokratie betrieb. Genehm scheinen der Union also nur die vermeintlich positiven Seiten dieser Tradition, wohingegen die negative Seite als nicht zugehörig abgespalten wird. Und tatsächlich handelt es sich bei der Christlich Demokratischen Union wie der Christlich Sozialen Union auch um keine einfachen Fortsetzungen des Weimarer Konservatismus, sondern um eine tatsächliche Neugründung, die allerdings ideologische und personelle Kontinuitäten aufweist.

Von den beiden großen Volksparteien der Bundesrepublik deckt die Union das rechte Spektrum ab. Somit erscheint die Frage des Verhältnisses der Union zur politischen Rechten sowohl für die politische Entwicklung der Bundesrepublik als auch für die Union von einiger Bedeutung. Einerseits galt es nach dem Zweiten Weltkrieg, die Funktionsträger und Mitläufer des NS-Regimes in den neuen Staat einzubinden, auf der anderen Seite ging es der Union darum, unliebsame Konkurrenz auf dem rechten Flügel des politischen Spektrums nicht zur Entfaltung kommen zu lassen, um die eigene Mehrheitsposition nicht zu gefährden. Bis heute rechnet es sich die Union als Verdienst an, dass in Deutschland, im Gegensatz zu großen Teilen der europäischen Nachbarländer, keine Partei der extremen Rechten Fuß fassen konnte. Noch jüngst wiederholte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel das alte Kredo dieser Leitlinie, »dass es keine demokratisch legitimierte Kraft rechts von uns auf Bundesebene geben darf.«2 Im Vergleich zu Ländern wie Österreich, Frankreich oder Italien zeigt sich der scheinbare Erfolg einer solchen Politik. Zu fragen ist allerdings, wie die Union den rechten Rand des politischen Spektrums abdeckt, wie sie bis heute die Etablierung einer Partei rechts von ihr verhindert hat, wie ihr Verhältnis zu den zeitweise ja vorhandenen Parteien der extremen Rechten aussah und ob sich in der gegenwärtigen politischen Situation, angesichts eines Kanzlerkandidaten Stoiber, hier etwas verändert.

In der Ausgabe des Focus vom 21.1.2002 bietet der Rechtspopulist Ronald Schill sich und seine Hamburger Regionalpartei (Partei Rechtsstaatliche Offensive, PRO) als bundespolitischen Partner für die Union und ihren Spitzenkandidaten Stoiber an. Aus Schills Sicht ist dies insofern folgerichtig, als sich die so genannte Schill-Partei als »CSU des Nordens« sieht und von einer weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Kandidaten Stoiber ausgeht. Die umgehend erfolgten Dementis aus der Union sind Ausdruck der Angst, genau dem Bild zu entsprechen, das SPD und Grüne vom politischen Hauptkonkurrenten malen: Eine Union unter Führung von Stoiber, die sich auf der rechten Seite des politischen Spektrums verorten lässt und damit die viel umworbene »Mitte« frei gibt. In der Tat wäre es geradezu fahrlässig von der Union, auf einen strategischen Partner wie Schill zu setzen, dessen überregionale Träume schnell zerplatzen können. Dennoch offenbart das Angebot Schills ein Dilemma der Union vor der nächsten Bundestagswahl: Sie steht ohne »natürlichen« Koalitionspartner da, wohingegen die Sozialdemokratie mit Grünen und PDS zwei nur auf sie ausgerichtete potentielle Partner besitzt und die FDP eine weitere mögliche Option bildet. In einer solchen Situation kann ein möglicher neuer Partner rechts der Union tatsächlich an Bedeutung gewinnen, jedenfalls dann, wenn er ein Spektrum abdeckt, das die Union nicht mit vollem Elan bedienen kann. Wenn Wahlen in der Mitte gewonnen werden, dann muss sich auch ein Kandidat Stoiber hier verorten. Der rechts frei werdende Raum sollte dann von einer Partei besetzt werden, die als möglicher Partner in Frage kommt. Die Schill-Partei würde diesen Anforderungen weit besser entsprechen als alle bisherigen erfolgreichen Parteien rechts der Union, und zwar vor allem deshalb, weil sie nicht ohne weiteres als Partei der extremen Rechten identifiziert werden kann.

Aus diesen Spekulationen ergeben sich Fragen, die auf einer sehr viel gesicherteren Ebene behandelt werden können: Fragen nach dem Umgang der Union mit Parteien rechts von ihr, Fragen nach der inhaltlichen Nähe und Distanz der Union zum rechten Rand, Fragen auch nach der Entwicklung in anderen europäischen Ländern, in denen eine Zusammenarbeit zwischen konservativen Volksparteien und Parteien des rechten Randes zu beobachten ist. »Rechts der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben«, dieses Diktum von CDU/CSU gilt bis heute und für den größten Teil der Nachkriegsgeschichte. Dennoch lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit, um dem Verhältnis der Union zu den vielfältigen Parteien rechts von ihr – von der Sozialistischen Reichspartei (SRP) und der Deutschen Partei (DP) über die NPD in den sechziger Jahren bis zu den »Republikanern« und der DVU in 3 den Neunzigern – nachzugehen. Mindestens personell gibt es hier Verbindungen: Etwa die Gründung der »Republikaner« durch ehemalige CSU-Mitglieder (Voigt, Handlos und Schönhuber) oder die Affinitäten des ehemaligen Berliner CDU-Senators Lummer zur extremen Rechten. Darüber hinausgehend und wichtiger ist das inhaltliche Verhältnis der Union zu den Parteien des rechten Randes. Die oben zitierte Delegitimierungsstrategie ist vor allem taktisch zu verstehen, und sagt noch nichts über mögliche inhaltliche Berührungspunkte. Hier lässt sich vielmehr eine Nähe beobachten, etwa im Menschenbild, in der Stellung zu Nation, Volk und Heimat, in der Frage der Zuwanderung und des homogenen Verständnisses der Nation, aber auch in der Stellung zum Sozialsystem, zur gewerkschaftlichen Interessenvertretung und zur Rolle des Staates. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Bedeutung eines inhaltlich erneuerten Rechtspopulismus einzugehen, der den Spagat zwischen traditionellem Rechtskonservatismus und modernem Neoliberalismus wagt. Hier eröffnen sich die strategischen Möglichkeiten von Partnerschaften, wie sie vor allem in europäischen Nachbarländern zu finden sind.

Im Gegensatz zu den meisten Nachbarländern hat sich in Deutschland noch keine Partei rechts der großen konservativen Volkspartei etablieren können; verschiedene Gründe sind hierfür verantwortlich (Spezifik deutscher Geschichte, inhaltliche und personelle Schwäche der rechten Parteien etc.). Der Blick auf Länder wie Österreich, Italien oder die jüngsten Beispiele Dänemark und Portugal verdeutlichen, dass sich rechts etwas tut und dass die hegemoniale Stellung der Sozialdemokratie in Europa wankt. An europäischen Beispielen lässt sich prüfen, welche Art von Partei als Partner konservativer Volksparteien in Frage kommt und wie die inhaltliche Ausrichtung solcher Verbindungen aussieht. Im Ergebnis dieser Studie soll das taktische und inhaltliche Verhältnis der gegenwärtigen Union zum rechten Rand des politischen Spektrums deutlicher hervortreten. Was ist von einer durch Stoiber geführten Union auf den traditionellen Feldern rechter Politik zu erwarten? Lässt sich ein genereller Rechtsruck prognostizieren, und an welchen Politikfeldern ist das festzumachen? Welche Differenzen ergeben sich hier auch innerhalb der Union?

I. CDU/CSU und die Parteien der extremen Rechten

1. Ausgangspunkt 1949: Integration nach rechts

Die Integrationskraft nach rechts rechnet sich die Union bis heute als großes Verdienst an und tatsächlich ist es unter anderem dieser Integrationskraft zu verdanken, dass sich bisher keine Partei der extremen Rechten in der Bundesrepublik dauerhaft etablieren konnte.

Insbesondere nach den zwölf Jahren der faschistischen Diktatur war die Frage der Integration der nach Millionen zählenden Funktionäre, Mitläufer und Sympathisanten des NS-Regimes von erheblicher Bedeutung. Dass sie zu großen Teilen in der neu gegründeten Union ihre politische Heimat fanden, band sie zumindest an eine Partei, die grundsätzlich das parlamentarisch-demokratische System bejahte. Die Frage stellt sich allerdings, wie diese Integrationsleistung vollzogen wurde, warum ehemalige Nazis und Sympathisanten der faschistischen Ideologie sich und ihre Interessen von der Union vertreten fühlten. Zu fragen ist also nach dem inhaltlichen Preis, den die Union für eine solche Integrationsleistung erbringen mußte.

Dabei kann für die unmittelbare Zeit nach Gründung der Bundesrepublik keine Rede davon sein, dass es rechts der Union keine demokratische legitimierte Partei gegeben habe. So zogen in den ersten Deutschen Bundestag mit der Deutschen Partei (DP) und der Deutschen Rechtspartei (DRP) mindestens zwei Parteien ein, die sich selbst rechts der Union verorteten, und die DP gehörte zusammen mit der FDP und der CDU/CSU zur ersten Regierungskoalition.

Auch die in weiten Teilen äußerst national ausgerichtete FDP kann in dieser Phase als rechts der Union stehend angesehen werden. Als Argument für die Integrationsstrategie könnte hier angeführt werden, dass etwa die DP nur wenige Jahre später in der Union aufging, doch genau hier stellt sich die Frage, inwieweit damit auch die Positionen einer solchen Partei integriert wurden. Die Frage des Umgangs mit und Verhaltens zur NS-Vergangenheit war für die Anfangsphase der Bundesrepublik entscheidend, wurden doch hier Weichen gestellt, die für die Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit lange Zeit richtungsweisend waren.

Norbert Frei macht in seiner Studie zur »Vergangenheitspolitik« deutlich, wie weit die Adenauer-Regierung hier den Bedürfnissen der NS-Täter und Mitläufer entgegen kam und große Teile der von den Alliierten betriebenen Entnazifizierungspolitik revidierte.3 Unter dem Druck der Koalitionspartner FDP und DP, aber auch der Erwartungen ihrer eigenen Anhänger amnestierte die unionsgeführte erste Bundesregierung einen großen Teil der von den Alliierten verurteilten NS-Straftäter, beendete die Entnazifizierungsverfahren und »rehabilitierte« die vom »131er Gesetz« betroffenen Beamten, die als belastet 5 unter alliierter Leitung entlassen worden waren.4

Zum Ausdruck gebracht wurden hier Mehrheitsstimmungen der Bevölkerung, denen sich weder Regierung noch Opposition völlig entziehen konnten. Die Adenauer-Regierung begrenzte diese Stimmungen und Erwartungen jedoch nicht, sondern beförderte sie, auch unter dem Druck ihrer rechten Koalitionspartner. In der ersten Ansprache Adenauers als Bundeskanzler heißt es zur Frage der Verfolgung von NS-Tätern, dass »durch die Denazifizierung viel Unglück und viel Unheil angerichtet worden ist.« Zwar sollten die »wirklich Schuldigen« streng bestraft werden, aber: »... im übrigen dürfen wir nicht mehr zwei Klassen von Menschen unterscheiden: (...) die politisch Einwandfreien und die Nichteinwandfreien. Diese Unterscheidung muß baldigst verschwinden.«5 Vergangenheits- und Geschichtspolitik waren (und sind bis heute) also Felder, auf denen die Union eine Integration nach rechts bewerkstelligen wollte. Mit der Aufnahme des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) in die bisherige Koalition nach der Wahl von 1953 kam eine weitere Rechtspartei zum Bürgerblock hinzu, und natürlich spielte auch das Anliegen dieser Klientelpartei eine Rolle in der Politik der zweiten Bundesregierung.

So fanden und finden bis heute die revisionistischen Forderungen der Vertriebenenverbände ihren stärksten und zuverlässigsten Anwalt in der CDU/CSU. Neben der prinzipiellen Offenhaltung der »deutschen Frage« ging es hier vor allem um die Nichtanerkennung der Grenzen, wie sie 1945 festgelegt wurden. Mit dem Hofieren der »Vertriebenen«, der Infragestellung der Oder-Neiße- Grenze und den Ansprüchen gegenüber Polen und der Tschechoslowakei bediente die Union ein rechtes Klientel, das immer noch der deutschen Großmachtrolle nachtrauerte, einem völkischen Nationenverständnis anhing und in den Deutschen die eigentlichen Opfer des Faschismus sah. Auch hier findet sich eine Traditionslinie bis in die Gegenwart, sehen sich doch die Union und insbesondere Edmund Stoiber und die CSU als Anwalt der Forderungen der Vertriebenenorganisationen.

Mit all diesen Positionen gelang tatsächlich die Einbindung dieses rechtsbürgerlichen Spektrums, und die DP und der BHE gingen schließlich in der Union auf. Dass damit auch einschlägig durch die NS-Vergangenheit belastete Personen wie Theodor Oberländer, der noch als BHE-Mitglied unter Adenauer Vertriebenenminister geworden war, zur Union kamen, stieß dort auf keinen Widerspruch. Vielmehr konnte durch solche Personen, zu denen sicherlich auch Adenauers Staatssekretär Globke zu zählen ist, das rechte politische Spektrum noch stärker gebunden werden.6 Mit der eindeutig in der NS-Tradition stehenden Sozialistischen Reichspartei (SRP), die schließlich 1952 verboten wurde, gab es trotz mehrfacher Angebote seitens der SRP keine Zusammenarbeit auf Landes- oder Bundesebene. In einzelnen Kommunen Niedersachsens sah das anders aus, hier waren die Berührungsängste, jenseits der allgemeinen Aufmerksamkeit, geringer.7

Betrachtet man diese frühe Phase der Bundesrepublik und den Umgang der Union mit Parteien und Bewegungen rechts von ihr, dann lässt sich ein Paradigma feststellen, welches bis heute Bestand hat. Die Einbindung und Integration rechter Parteien und ihres Klientels funktioniert bis heute durch die Übernahme großer Teile der inhaltlichen Positionen. Diese werden von den Unionsparteien aufgenommen und in der eigenen politischen Arbeit artikuliert. Der Effekt dabei ist ein doppelter: Einerseits erscheint den Wählern kleinerer oder punktuell orientierter Parteien – etwa DP und BHE – die Wahl dieser Parteien nutzlos, wenn ihre Positionen auch von der großen konservativen Volkspartei vertreten werden. Stimmenmaximierung ist also der Lohn einer solchen Einbindung. Auf der anderen Seite werden die aufgenommenen und von der Union selbst artikulierten Positionen, hier etwa zur NS-Vergangenheit, legitimiert, in den Raum der demokratischen Mitte integriert und damit akzeptabel gemacht. Im Verständnis der Union ist offensichtlich nicht die inhaltliche Ausrichtung politischer Positionen das entscheidende Kriterium, sondern die Frage, von wem sie geäußert werden.

Abgrenzung findet also gegenüber als extremistisch eingestuften Parteien statt, so die SRP, wohingegen Inhalte und Positionen, die auch im Spektrum der extremen Rechten beheimatet sind, dann akzeptabel sind, wenn sie durch die Union demokratisch geadelt werden. Das Körnchen Wahrheit dieser Sichtweise liegt darin, dass durch die Anbindung an die Union, vor allem in der Frühzeit der Bundesrepublik, ein der Demokratie feindlich gegenüberstehender Teil der Bevölkerung eingebunden werden konnte. Was damit allerdings auch eingebunden wurde, sind eben die inhaltlichen Positionen dieses Spektrums, die dann teilweise auch in reale Politik umgesetzt werden. Der »antitotalitäre Konsens« der frühen Bundesrepublik war für die Union inhaltlich gesehen immer nur ein antikommunistischer Konsens. Die organisationsmäßige Ausgrenzung der extremen Rechten fand keine volle Entsprechung auf inhaltlicher Seite. Diese Politik der Einbindung und damit Legitimierung rechter Positionen gelingt allerdings nur so lange, wie sich die politische Rechte auch real durch die Union vertreten fühlt. Mit der Legitimierung von Positionen ergibt sich die Erwartung und der Anspruch auf ihre Verwirklichung. Geschieht dies nicht in ausreichendem Maße, dann lassen sich diese Positionen auch wieder eigenständig organisieren.

2. Aufbruch des rechten Randes:
Union und NPD in den sechziger Jahren

Genau dies geschah in der Mitte der sechziger Jahre, in denen es der neu gegründeten NPD gelang, beachtliche Teile des Wählerspektrums für sich zu gewinnen und zwischen 1966 und 1969 in insgesamt sieben Landesparlamente einzuziehen.8 Der Aufstieg der NPD in dieser Zeit hängt auch mit der ersten kleineren Wirtschaftskrise der jungen Bundesrepublik zusammen, die die Wirtschaftswundereuphorie zum ersten Mal dämpfte und alte Ängste vor Krise und sozialem Abstieg mobilisierte.

Daneben zeigte sich in dieser Zeit, dass die von der Union geschürten Erwartungen des rechten Spektrums sich in der politischen Realität nicht umsetzen ließen. Im Zuge der international einsetzenden Entspannungspolitik rückte die »Lösung der deutschen Frage« in immer weitere Ferne und durch das Bündnis mit der Sozialdemokratie 1966 wurde zudem die politische Linke aufgewertet. Die einsetzende Entspannungspolitik wurde von rechtsaußen als »nationaler Verrat« bewertet.

Seit 1949 war es unumstößliches Diktum der Union gewesen, dass es mit dem »Unrechtsregime« aus Pankow keinerlei Verhandlungen geben könne, und die nationale Frage samt Rückgewinnung der verlorenen Ostgebiete gehörte zum propagandistischen Inventar der Union. Die sich nun abzeichnende Politik konnte von denen, für die die nationale Frage nicht nur rhetorisch, sondern auch politisch-praktisch der einzige Dreh- und Angelpunkt der Politik war, in der Tat nur als »Verrat« aufgefasst werden. Neben der nationalen Frage hatte die NPD auch eine schnelle Antwort auf die Frage nach den Gründen der Wirtschaftskrise parat. Die inzwischen 1,3 Millionen ausländischen Arbeitskräfte stellten eine »Überfremdung« dar und wurden zu Sündenböcken für die aufflackernde Krise. Durch das Bündnis mit der SPD schien die Union den rechten Rand preisgegeben zu haben, auf jeden Fall ließ ihre Bindungskraft nach rechts offensichtlich nach.

Die NPD gründete sich 1964 aus Beständen der Rechtsparteien der Anfangsphase der Bundesrepublik, so etwa der Deutschen Rechtspartei (DRP), der Gesamtdeutschen Partei und auch der DP, die ja in den ersten beiden Adenauer- Regierungen vertreten war. Der erste Vorsitzende der Partei, Fritz Thielen, kam aus der CDU. Für die Union stellte sich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre die Frage, wie sie mit dieser offensichtlich in der Tradition des Faschismus stehenden aber doch recht erfolgreichen Partei umgehen sollte.

Koalitionen oder Tolerierungen auf Länderebene wurden von der CDU abgelehnt, auf kommunaler Ebene, etwa in Niedersachsen, sah dies anders aus. Hier wurde sehr wohl versucht, zusammen mit der NPD Mehrheiten gegen die SPD zu etablieren und die gezielte Übernahme von NPD-Mandatsträgern sollte einen Regierungswechsel auf Landesebene ermöglichen.9 Darüber hinaus gab es weitere Beispiele der Zusammenarbeit in den Kommunen: »In Kulmbach (Bayern) schlossen CSU und NPD ein Wahlbündnis gegen die SPD; in Neustadt (Schleswig-Holstein) wurde der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende mit den Stimmen der CDU zum stellvertretenden Bürgermeister gewählt; bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen und Baden-Württemberg gingen Mitglieder der CDU, der FDP und des ›Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten‹ (BHD) erstmals in größerem Umfang Listenverbindungen mit der NPD ein, und im hessischen Landtag arbeiteten NPD und CDU gelegentlich als Oppositionspartner zusammen.«10

Der rechte Flügel der Unionsparteien, der jedoch nicht in der Mehrheit war, stellte vor allem die ideologischen Übereinstimmungen mit der NPD in den 8 Vordergrund. Die NPD sei schon deshalb überflüssig, weil ihre Positionen von der Union ohnehin vertreten würden. So äußerte etwa der CSU-MdB Josef Stecker: »Was die [Nationaldemokraten] an nationalen Anliegen und konservativem Gedankengut haben, das praktizieren wir ja täglich«11; und diese Einschätzung wurde auch von der Gegenseite bestätigt: In einem Bericht der Deutschen Nachrichten von 1967 heißt es zu einer Podiumsdiskussion mit CSU, FDP, SPD und NPD: »Zum Schluß stellte Stoppel von der CSU noch einmal die Lebensforderung des deutschen Volkes auf, die aus nationaldemokratischem Mund nicht prägnanter hätte formuliert werden können.«12 Ob aus der kommunalen Zusammenarbeit zwischen Union und NPD mehr hätte werden können, muss offen bleiben. Ganz offensichtlich gab es auch innerhalb der Union starke Widerstände gegen eine weitergehende Zusammenarbeit. Wie sich die Lage bei einem anhaltenden Erfolg der NPD und einem möglichen Einzug in den Bundestag 1969 entwickelt hätte lässt sich nicht sagen. Mit dem Gang in die Opposition ab 1969 konnte die Union wieder sehr viel stärker den rechten Rand des politischen Spektrums bedienen, etwa in ihrer vehementen Opposition gegen die Entspannungspolitik Willy Brandts. Zusammen mit der Überwindung der ökonomischen Krise gelang es so, die NPD zu marginalisieren und ihre Wähler einzubinden. Allerdings wiederum zum Preis einer inhaltlichen Bestätigung der Positionen, die bei Teilen der Bevölkerung zur Wahl einer faschistischen Partei geführt hatte.

3. Ende offen: Die dritte Welle rechter Wahlerfolge

Die dritte Welle von Wahlerfolgen der extremen Rechten in der Bundesrepublik setzte in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ein und hält bis heute an. Die 1983 gegründeten »Republikaner« galten Ende der achtziger Jahre als Hoffnungsträger der extremen Rechten, schien es doch dieser Partei zu gelingen, sich rechts von der Union zu platzieren, ohne sofort mit dem neofaschistischen Spektrum identifiziert zu werden.

Dies vor allem deshalb, weil die REP als Abspaltung der CSU in Bayern entstanden. Aus Enttäuschung über die angekündigte, nach ihrer Auffassung jedoch ausgebliebene »geistigmoralische Wende« der Kohl-Regierung nach 1982 und konkret veranlasst durch den von Franz-Josef Strauß vermittelten Milliardenkredit an die DDR, gründeten die ehemaligen CSU-Mitglieder Franz Handlos und Ekkehard Voigt gemeinsam mit dem Journalisten des Bayerischen Rundfunks Franz Schönhuber, ebenfalls früher in der CSU, die »Republikaner«. Bereits 1986 konnte man bei der Landtagswahl in Bayern 3 Prozent verbuchen. Der Durchbruch gelang 1989 bei der Landtagswahl in Berlin mit 7,5 Prozent und wenig später bei der Europawahl mit bundesweit 7,1 Prozent der Stimmen. Jedoch gelang es den REP nicht, diese Ergebnisse zu stabilisieren. Nur in Baden-Württemberg konnten sie sich über einen längeren Zeitraum halten, wo 1996 mit 9,1 Prozent der Erfolg von 1992 (10,2 Prozent) bestätigt wurde. Bei der letzten Landtags9 wahl 2001 verloren die REPs allerdings einen Großteil ihrer Stimmen und verpassten den Wiedereinzug ins Parlament. Neben den »Republikanern« sind es vor allem die Deutsche Volksunion (DVU) und die NPD, die seit den achtziger Jahren parlamentarische Erfolge für die extreme Rechte erzielen konnten. Der DVU gelang es dabei 1987, noch vor den »Republikanern« in ein Landesparlament einzuziehen, und zwar in Bremen.

Den bis heute spektakulärsten Erfolg einer Partei der extremen Rechten konnte ebenfalls die DVU verbuchen, als sie im April 1998 mit 12,9 Prozent in den Landtag von Sachsen-Anhalt einzog. Allen drei bis heute erfolgreichen Wahlparteien der extremen Rechten gelang es nicht, sich dauerhaft in den Parlamenten zu etablieren. Ein Grund hierfür liegt sicherlich auch in der bisher fehlenden Machtperspektive dieser Parteien, die es nicht schafften, sich als möglicher Partner der Union zu etablieren. Allein die unterschiedliche inhaltliche Ausrichtung der drei Parteien verdeutlicht die unterschiedlichen Chancen auf eine solche Option. Während DVU und NPD eindeutig in der Tradition des Neofaschismus stehen, versuchen die »Republikaner«, sich ein gemäßigteres und moderneres Image zu geben. Neoliberale Argumentationen und das formale Bekenntnis zur Demokratie spielen hier eine wichtige Rolle.13 Dennoch ist es bis jetzt auf Landes- oder Bundesebene zu keiner Zusammenarbeit mit der Union gekommen, versteht man hierunter vor allem eine auf Absprachen beruhende gemeinsame Politik. Fragt man allerdings nach den Ursachen für die Wahlerfolge der extremen Rechten in den achtziger und neunziger Jahren, dann lassen sich sehr wohl Übereinstimmungen zwischen der Union und dem Lager rechts von ihr ausmachen.

Die von Helmut Kohl und der konservativ-liberalen Regierung 1982 verkündete »geistig-moralische Wende« stellt die traditionellen Themen der konservativen Rechten wieder stärker in den Mittelpunkt der politischen Propaganda. Die Nation als zentrale ideologische Bezugsgröße gewinnt an Bedeutung und mit ihr tritt die Frage nach dem Geschichtsbild dieser Nation wieder stärker ins Zentrum. Sinn und Zweck dieser ideologischen Offensive der Union ist die Herstellung eines gesellschaftlichen Zusammenhalts, der vor allem über die Frage der nationalen Zugehörigkeit geschaffen werden soll. Da im Zuge der sich in den achtziger Jahren auch in der Bundesrepublik durchsetzenden neoliberalen Politik die reale Einbindung der Bevölkerung über soziale Absicherung und Teilhabe nach und nach zurücktritt, bedarf es, auch angesichts der sich ausweitenden ökonomischen Krisen, einer anderen Form der Einbindung. Der Rekurs auf die Nation ist ein Versuch, diese Einbindung auf einer imaginären Ebene zu ermöglichen.14 Als weiteres von der Union in dieser Zeit gesetztes Thema kommt die Frage der Ausländerpolitik und der Asylsuchenden hinzu. So sind seit Beginn der achtziger Jahre Themen in der Mitte des politischen Raums platziert, die auch von der extremen Rechten besetzt werden. Der Aufbruch und wahlpolitische Durchbruch der »Republikaner« 10 zwischen 1987 und 1989 unterstreicht somit nur die Verschiebung des Meinungsklimas der Bundesrepublik nach rechts, die maßgeblich von der Union betrieben wurde.

Diese thematische Nähe zum rechten Spektrum macht sich auch im konkreten Umgang mit den parlamentarischen Vertretungen der extremen Rechten bemerkbar. Vor allem in solchen Landesparlamenten, in denen die extreme Rechte vertreten ist, zeigt sich die praktische Auswirkung des Unionsdiktums, rechts von ihr dürfe es nichts demokratisch Legitimiertes geben. Wie schon weiter oben verdeutlicht, bedeutet dies in vielen Fällen die argumentative Übernahme von Positionen der extremen Rechten. In Bremen, wo seit 1987 die DVU im Parlament saß, wurde der Landtagswahlkampf 1991 ganz im Zeichen der Asyldiskussion geführt. Nicht nur die Union, sondern auch der SPDBürgermeister Wedemeier schwenkten hier ganz auf die Linie der DVU und machten die Frage des Zuzugs von Asylbewerbern zum zentralen Wahlkampfthema. Die Union verlor hier inhaltlich alle Berührungsängste zur DVU.15 In der Konkurrenz mit der extremen Rechten wurde alle Zurückhaltung aufgegeben, wie anhand einiger Zitate verdeutlicht werden soll. So äußerte der damalige CDU-Spitzenkandidat Ulrich Nölle: »Herr Wedemeier braucht nicht nach Schlepperorganisationen zu suchen. Die Politiker, die Bremen zu einem Asylanten-Paradies gemacht haben, sind die eigentlichen Schlepper.« Der innenpolitische Sprecher der Bremer Union, Ralf H. Borttscheller, stellte einen Zusammenhang zwischen der vermeintlich liberalen Asylpolitik Bremens und der steigenden Ausländerkriminalität her, und der damalige Fraktionsvorsitzende Kudella beschimpfte Bürgermeister Wedemeier als »Asylanten- Schwindler«. In einer Zeitungsannonce vor der Wahl hieß es: »Schluß mit der Bremer Asylpolitik. (...) Bremen und Bremerhaven leiden unter der Asylantenflut. Wohnungsprobleme, Belästigungen, Kriminalität und Drogenhandel sind die Folgen. (...) Wer die Asylantenflut stoppen will, muß CDU wählen.«16 Die hier vorgeführte Diktion unterscheidet sich in nichts von der Wortwahl der extremen Rechten, deren Positionen und Feindbilder voll und ganz bestätigt werden. Will man nicht einen fahrlässigen Opportunismus unterstellen, dann lässt sich etwa in diesem Politikfeld eine große inhaltliche Nähe von Union und extremer Rechten ausmachen. Die Wirkung solcher Übernahmen rechtsextremer Propaganda besteht in einer Bestätigung dieser Propaganda durch die demokratische Mitte. Positionen der extremen Rechten werden also legitimiert, weil sie nicht nur am rechten Rand, sondern auch durch die demokratisch legitimierte Mitte vertreten werden. Oft wird jedoch lieber das Original als die Kopie gewählt, weshalb im konkreten Beispiel Bremen die DVU ihren Stimmenanteil fast verdoppeln konnte und auf 6,2 Prozent kam. An Beispielen wie Bremen lässt sich sehen, dass es inhaltliche Affinitäten der Union zur gegenwärtigen extremen Rechten gibt. So ist es nur zu verständlich, dass auch innerhalb des rechten Flügels der Union über eine mögliche Zusammenarbeit mit rechts nachgedacht wird. Heinrich Lummer, ein wichtiger Brückenkopf zur extremen Rechten und während des Erfolgs der »Republikaner « in Berlin CDU-Innensenator, erklärte diese gleich zu einem möglichen Koalitionspartner. Auch Carl-Dietrich Spranger aus der CSU sah in der Alternativen Liste in Berlin die wesentlich größere Gefahr als in den REP. Offenbar kamen diese Signale auch bei den REP an, denn gefragt nach Kontakten zu konservativen CDU-Kreisen bestätigte Rolf Schlierer: »Ja, die gibt es. Wir haben Gespräche mit CDU-Abgeordneten geführt, die auf dem konservativen Flügel der Union anzusiedeln sind.«17 Von einer prinzipiellen und einheitlichen Abgrenzung der Union nach rechts kann also keine Rede sein. Vielmehr lässt sich an vielen Punkten eine inhaltliche Nähe beobachten, die auch zu punktuellen Zusammenarbeiten geführt hat. Dass es bisher zu keiner weitergehenden Verbindung von Union und Parteien des rechten Spektrums gekommen ist, liegt vor allem an der Schwäche der extremen Rechten in der Bundesrepublik. Hierzu trägt, neben anderen Umständen, auch die formale Abgrenzungsstrategie der Union bei. Die fehlende Aussicht auf eine Machtbeteiligung zersplittert das real vorhandene Spektrum der extremen Rechten und sichert der Union ihre Mehrheitsfähigkeit. Der Preis hierfür ist eine Rechtsverschiebung der Union und des gesamten politischen Spektrums: »Jenseits der landespolitischen Arenen verfolgt die CDU seit 1989 eine ›Doppelstrategie‹, die auf Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit der extremen Rechten setzt, jedoch auf einer ›Rechtsverschiebung der Unionsachse‹ basiert, indem man stärker reaktionäre Familien- und Wertepolitik betreibt und durchgreifende Maßnahmen auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit konzipiert.«18 Jedoch ist die Union nicht nur getrieben durch die extreme Rechte, sondern gerade sie ist es, die Themen setzt und in die Mitte des politischen Raums trägt, die dann auch von rechts aufgegriffen werden. Der Rechtsextremismusforscher Hans-Gerd Jaschke sagt hierzu: »Die politische Tagesordnung der 90er Jahre ist nicht von rechtsextremistischer Seite forciert worden. Diese ist zwar Nutznießer und vorläufiger Gewinner, aber nicht der eigentliche Akteur in diesem Prozeß der Themenverschiebung.«19 Aufgrund dieser im Weiteren aufzuzeigenden inhaltlichen Nähe ist zu erwarten, dass die Union zukünftigen Versuchungen von rechts dann erliegen könnte, wenn sie inhaltlich attraktiv und das heißt kompatibel sind. Neofaschistische Parteien wie DVU oder NPD kommen hierfür nicht in Frage, anders sähe das bei einer sich auf Bundesebene etablierenden Partei wie den »Republikanern « aus. Ein Kandidat Stoiber soll, im Unterschied zu Angela Merkel, gerade Gewähr dafür bieten, den rechten Rand abzudecken. Angesichts der aktuellen Schwäche des rechten Spektrums einschließlich der REP ist von hier wohl keine größere Gefahr zu erwarten. Anders könnte das bei einer stärker rechtspopulistisch auftretenden Variante wie der Schill-Partei sein. Ohne die direkte Verbindung zur extremen Rechten, doch unter Abdeckung deren wichtigster Punkte (Ausländerpolitik, Innere Sicherheit), wäre eine solche 12 Partei problemloser einzubeziehen. Allerdings liefe die Union damit Gefahr, ihre Mehrheitsfähigkeit zu verlieren. Das Beispiel Hamburg, wo sie zwar die Regierungsmacht erlangt, aber große Teile ihrer Wähler an Schill verloren hat, dürfte Warnung genug sein. So wird Stoiber dieses Spektrum einbinden wollen, ohne sich zu weit aus der »Mitte« zu entfernen. Allerdings ist eine solche Abgrenzung, wie schon historisch gezeigt, vor allem taktisch, nicht inhaltlich motiviert.

II. Rechtsverschiebung (aus) der Mitte

In der wissenschaftlichen Literatur zum Rechtsextremismus werden immer wieder bestimmte Themenfelder genannt, die für das Auftreten der extremen Rechten von besonderer Bedeutung sind. Diese Themenfelder sind vielfach jedoch nicht nur für die extreme Variante der politischen Rechten, sondern für die Rechte überhaupt von Bedeutung. Nicht die Themen, sondern die Vehemenz und Zuspitzung, mit der diese Themen in der politischen Agitation genutzt werden, machen den Unterschied zwischen der extremen und der gemäßigten Rechten aus. Darüber hinaus hat die extreme Rechte, zumindest in ihrer traditionellen Form, ein ablehnendes oder nur instrumentelles Verhältnis zur Demokratie. Hier lag in der Vergangenheit ein wichtiger Unterschied zur gemäßigten Rechten.

Als entscheidende Themenfelder der extremen Rechte in der Bundesrepublik lassen sich die Frage des Umgangs mit der NS-Vergangenheit, die Bedeutung und das Verständnis der Nation und die Frage der Zuwanderung ausmachen. Daneben sind Themen der Inneren Sicherheit, der Rolle der Familie und auch der sozialen Absicherung von Bedeutung.20 All diese Themen spielten und spielen bis heute auch für die Union eine große Rolle. Neben der formalen Zusammenarbeit mit Parteien der extremen Rechten lässt sich das Verhältnis der Union zu dieser extremen Rechten auch über die inhaltliche Ausrichtung der Union erhellen. Versteht man Politik vor allem auch als Durchsetzung bestimmter Inhalte und Kampf um die Mehrheitsfähigkeit solcher Inhalte, dann wird dieser Punkt größere Bedeutung einnehmen als die Frage nach konkreter Zusammenarbeit, wenngleich beides in einem Verhältnis steht. Die Frage nämlich, wie weit Inhalte der Politik, die auch von der extremen Rechten an zentraler Stelle vertreten werden, hegemonial werden können, hängt nicht nur von der extremen Rechten selbst ab. Solange diese nicht mehrheitsfähig und sogar weitgehend marginalisiert ist, können ihre Themen nur durch die demokratische Mitte legitimiert werden. Für die Bundesrepublik lässt sich diese Legitimierung eines rechtsextremen Diskurses am eindringlichsten am Beispiel der Asyldiskussion zu Beginn der neunziger Jahre verdeutlichen. Kurz nach dem Anfang der so genannten dritten Welle des Rechtsextremismus wurden die Positionen von »Republikanern«, DVU und NPD in der poli13 tischen Mitte, namentlich von der Union, aufgegriffen, legitimiert und schließlich weitgehend politisch umgesetzt. Die Gründe hierfür sind auf mehreren Ebenen zu suchen: Einer drohenden Gefahr von rechts soll mit Themenbesetzung begegnet werden, ohnehin latent vorhandene eigene Positionen können jetzt radikalisiert aufgegriffen werden, weil sie scheinbar ein allgemeines Bedürfnis zum Ausdruck bringen, die Radikalisierung im Sinne der extremen Rechten ist zweckrational für die eigene Politik und sichert die eigenen Mehrheitsfähigkeit. An späterer Stelle sollen diese Gründe genauer betrachtet werden.

1. Zuwanderung, Asyl, Ausländer

Kein Thema verspricht der extremen Rechten größere Erfolgsaussichten als die Fragen der Zuwanderung, der Migration ausländischer Arbeitskräfte, der Aufnahme politisch Verfolgter und des Zusammenlebens von Deutschen und Nichtdeutschen. Anknüpfen lässt sich hier an die lange Tradition des Rassismus, des völkisch-ethnisierenden Verständnisses von Nation, welches in Deutschland eine besondere Spezifik aufweist.

Die Verankerung völkischer Stereotypen in den Köpfen weiter Teile der Bevölkerung macht es auch für die politische Mitte attraktiv, sich des Themas zu bedienen. Nicht erst der so konnotierte Wahlkampf der hessischen CDU 1999, als mit einer ausgrenzenden und latent rassistischen Kampagne eine schon verloren geglaubte Landtagswahl gewonnen werden konnte, hat die Brauchbarkeit dieses Themas bestätigt. Der lange Jahre zurückliegende Ausspruch des heutigen Kanzlerkandidaten der Union, Edmund Stoiber, von der »durchmischten und durchrassten Gesellschaft« brachte die hier vorhandenen Affekte noch in einer Deutlichkeit zu Tage, die im politischen Alltagsgeschäft heute zumeist vermieden wird. In entsprechend zugespitzten politischen Diskussionen lässt sich diese Deutlichkeit aber auch heute noch vernehmen. Von der neurechten Zeitung Junge Freiheit gefragt, wie Stoiber diese Aussage damals gemeint habe, antwortet Norbert Geis, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSUBundestagsfraktion, im Interview: »dass wir nicht allzuviele Ausländer in Deutschland aufnehmen können. Wir wollen in Deutschland Deutsche sein, wie die Franzosen in Frankreich Franzosen sein wollen. Auch wenn er das in einer zugegebenermaßen überspitzten Form geäußert hat, war der Grundgedanke lediglich, laßt Deutschland den Deutschen – doch jeder, der zu uns kommen will, ist uns willkommen, aber wenn er bleiben will, muß er sich integrieren.«21

Der letzte Halbsatz von Geis ist Tribut an den »Kampf um die Mitte«, der mit dem auch von Hardcorenazis geäußerten »Deutschland den Deutschen« (hier folgt dann ein »Ausländer raus«) nicht ohne politisch korrekte Einschränkung begegnet werden kann. Die Mobilisierung rassistischer und völkischer Stereotypen ist ein Mittel der Union, keine demokratisch legitimierte Partei rechts neben sich zu dulden. Hier liegt auch der Grund, weshalb 14 Stoiber in der aktuellen Situation so sehr darum bemüht ist, das Thema Zuwanderung im Gespräch und damit im bevorstehenden Wahlkampf zu belassen. Es stellt ein potentielles Abgrenzungs- und Mobilisierungspotenzial der Union gegen die Regierungskoalition dar. Die gelungene Inszenierung bei der Abstimmung zum Zuwanderungsgesetz im Bundesrat garantiert der Union die weitere Aktualität des Themas auch für den Wahlkampf. Bewußt verschafft hat man sich so die scheinbare moralische Legitimierung das Thema zentral im Wahlkampf zu behandeln, wie es von Angela Merkel nach dem Eklat im Bundesrat angekündigt wurde.22 Wie die jüngere Vergangenheit zeigt, konnte mit einer solchen Ausgrenzungsstrategie gegenüber Minderheiten schon des öfteren die eigene Mehrheitsfähigkeit erreicht werden. Für die seit den achtziger Jahren erfolgreichen Parteien der extremen Rechten steht das Thema »Ausländer« im Mittelpunkt ihrer Agitation. Rassistisch oder ethnopluralistisch argumentierend wird hier eine Begrenzung des Zuzugs beziehungsweise Rückführung der hier lebenden Menschen ohne deutschen Pass gefordert. Ideologischer Hintergrund ist ein völkisches Verständnis der Nation, die als homogene, ethnisch-kulturelle Einheit aufgefasst wird. Ausländer werden als Bedrohung dieser homogenen Nation wahrgenommen, die zur Desintegration, zum Kulturverfall, zur »Entartung« beiträgt. Dieses Gefühl der Bedrohung findet sich in der politischen Propaganda der extremen Rechten und appelliert an eben solche Gefühle bei den Wählern. Einige Überschriften des Parteiorgans der »Republikaner« aus den achtziger Jahren mögen dies verdeutlichen:

UNTERTRÄGLICHES SCHEIN-ASYLANTENTUM.
DER MISSBRAUCH GEHT WEITER (2/1988)
WIRD BERLIN TÜRKISCH? (2 /1987)
WIRD DIE BUNDESREPUBLIK ORIENTALISCH? (9/1988)
VON RAUSCHGIFT ÜBERSCHWEMMT.
ASYLBEWERBER ALS DROGENKURIERE / EXPLODIERENDE BESCHAFFUNGSKRIMINALITÄT (9 /1988)
ÜBER 10 MILLIARDEN MARK IN DREI JAHREN:
DER ASYLMISSBRAUCH WIRD IMMER KOSTSPIELIGER (6/1989)
ERSCHRECKENDE ASYLANTENKRIMINALITÄT.
POLIZEI VOR UNLÖSBAREN PROBLEMEN (1/1989)23

Die hier vorgenommene Verbindung von Überfremdung, Betrug und Kriminalität mit den Bewerbern um politisches Asyl gehört zum gängigen Umgang der extremen Rechten mit dieser Frage. Jedoch findet sich diese Verbindung nicht nur hier, sonder lässt sich ab den neunziger Jahren auch in der politischen Mitte24 ausmachen und wird hier vor allem von der regierenden Union genutzt, die ausländerfeindliche Stimmung im Land für sich nutzbar zu machen. Einerseits wird damit ein Verständnis von Nation zum Ausdruck gebracht, wie es sich auch bei der Union mehrheitlich findet (vgl. Kapitel 2.2). Aktuell geht es aber darum, die eigene Mehrheitsfähigkeit nach rechts abzusichern und einen vorhandenen politischen Diskurs im eigenen Sinne aufzugreifen. Asyldebatte Mit der Asyldebatte vom Beginn der neunziger Jahre bot sich für die Union die Möglichkeit, ein Erklärungsangebot für die soziale Misere aufzuzeigen, mit der von der eigenen verfehlten Politik abgelenkt werden konnte. Die Erwartung der »blühenden Landschaften« war enttäuscht und es galt jetzt Verantwortlichkeiten hierfür zu benennen. Die rassistische und von der extremen Rechten befeuerte Stimmung im Land wurde von der Union aufgegriffen und nutzbar gemacht. Der damalige Generalsekretär der CDU, Volker Rühe, machte 1991 das Asylthema zum bestimmenden Feld der innenpolitischen Auseinandersetzung. In einem Brief an alle CDU Funktionsträger forderte er dazu auf, dieses Thema offensiv anzugehen und gegen den politischen Gegner zu gebrauchen. Denunziert wurden von der CDU sämtliche Asylsuchenden als Betrüger am Sozialstaat der Bundesrepublik. Aus Asylbewerbern und politisch Verfolgten wurden »Wirtschaftsflüchtlinge« und »Sozialschmarotzer«, die angeblich den wohlverdienten Reichtum der Deutschen gefährdeten. Diese Freigabe von Asylsuchenden und generell von Ausländern zu Objekten des Sozialneids und Ressentiments führte schließlich zu den schlimmsten Pogromen seit dem Faschismus, für die die Orte Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Lübeck und viele andere stehen. Der extreme Anstieg von rechtsextremistischen und rassistischen Anschlägen, die bis heute auf hohem Niveau fortdauern, nahm hier seinen Ausgang. Mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts von 1993 wurde durch eine große Koalition der Volksparteien eine Forderung umgesetzt, die von den Parteien der extremen Rechten so schon immer vertreten und die als Bestätigung dieser Position verstanden werden musste. Funktional diente dieser staatlich vorangetriebene Rassismus der Ablenkung von den tatsächlichen Problemen der Vereinigung. Die vorhandenen und sich vertiefenden Spaltungen zwischen reich und arm, Ost und West sollte mittels der Homogenisierung der Nation überwunden werden. Für diese innere Homogenisierung (»Wir« gegen »Sie«) bot sich das Feindbild der Ausländer und Asylsuchenden an, gegen die sich nun die vorhandenen Aggressionen 16 richteten. Es fand, wie Hans-Gerd Jaschke zutreffend schreibt, eine »Ethnisierung der sozialen Beziehungen«25 statt. Ethnische Kriterien rückten an die Stelle von sozialen, womit eine der wichtigsten Forderungen der extremen Rechten, die Nation als homogene Volksgemeinschaft zu verstehen, weitgehend erfüllt wurde. Die Diktion, in der vor allem von Unionsseite damals das Thema Asyl und die hierher kommenden Menschen behandelt wurden, steht nicht hinter der Deutlichkeit der eben vorgestellten Zitate aus dem Parteiorgan der »Republikaner « aus den achtziger Jahren zurück: »Asylantenflut«, »Asylantenschwemme «, »Asylmißbrauch«, »Asylkriminalität«, »Asylbetrüger«, die Zahl der Komposita, die von der Politik genutzt wurden, ist schier unerschöpflich. Vom Boot, das voll ist und von der Grenze der Belastbarkeit wurde gesprochen und alle diese Äußerungen waren natürlich eine Bestätigung und Legitimierung von Positionen der extremen Rechten. Kanzler Kohl sprach davon, dass die »Grenze der Belastbarkeit (...) überschritten« sei und wähnte angesichts des weiteren Zuzugs einen »Staatsnotstand«. Diesen Notstand konkretisiert etwa der CSU-MdB Erich Riedel, wenn er sagt: »Das Boot im Münchner Süden läuft über. Jetzt muß Schluß sein. Deshalb wiederhole ich meine Forderung, den Münchner Süden ab sofort von Scheinasylanten zu verschonen.« Die »Belastung« der unmittelbaren Umgebung malte auch CSU-Landesgruppenchef Michael Glos aus, als er 1997 formulierte, in manchen Stadtvierteln könne man inzwischen nicht mehr die Fenster öffnen, weil es draußen nach frisch geschlachtetem Hammel stinke.26 Der damalige bayrische Ministerpräsident Max Streibel (CSU) verschanzte sich bei der Benutzung des Vokabulars der extremen Rechten noch hinter einem Dritten: »Ich gehe nicht so weit wie ein Kommentator, der aber sicher vielen im Volke aus der Seele spricht, der von einer multikriminellen Gesellschaft gesprochen hat.« Die hier diffamierte multikulturelle Gesellschaft ist auch das Feindbild des Rechtsauslegers der Berliner CDU, Heinrich Lummer: »Wenn Ausländer eine Bereicherung sind, dann können wir schon seit langem sagen: Wir sind reich genug (...) Eine multikulturelle Gesellschaft ist eine latente Konfliktgesellschaft. Der innere Frieden ist gefährdet.« Die Konsequenz hieraus zog Jörg Schönbohm, damals Innensenator in Berlin, heute Innenminister von Brandenburg: »Die Zeit der Gastfreundschaft geht zu Ende.«27 Mit der weitgehenden Einschränkung des Asylrechts wurde eine Forderung der extremen Rechten umgesetzt, zu der dieser die Macht fehlte. Die Union konnte sich den Wählern und Wählerinnen des rechten Spektrums als konsequente Vertreterin einer nationalen und ausgrenzenden Politik präsentieren. Möglicherweise wurde es so verhindert, dass eine Partei der extremen Rechten die vorhandenen Stimmungen in Wahlerfolge umsetzen konnte. Die Programmatik der extremen Rechten wurde dagegen weitgehend verwirklicht. Schlimmer noch: Vorhandene Stimmungen und Ängste, die rassistisch unterlegt waren, wurden von der Union bestätigt und legitimiert, somit auch per17 petuiert, anstatt ihnen etwas entgegen zu setzen. Bis heute weiß die Union, dass sie mit diesem Thema mobilisierungsfähig ist. So ist es nur logisch, dass Stoiber darum bemüht ist, dieses Thema nicht für den Wahlkampf zu verlieren, weshalb alle Einigungsversuche der rot-grünen Regierung, ein Zuwanderungsgesetz weitgehend nach den Vorgaben der Union mit dieser zu verabschieden, scheitern mussten. Dabei ist nicht nur Taktik, sondern auch ein spezifisches Verständnis der homogenen Nation mit im Spiel. Das Problem des Kandidaten Stoiber ist, dass er diesen Befürchtungen und Ängsten des rechten Spektrums Ausdruck verleihen muss, ohne damit die viel zitierte »Mitte« freizugeben. Seine Einschätzung der Gefahren weiterer Zuwanderung im Focus-Interview von 1999 haben vor allem die Funktion von ersterem: »Wenn wir mit dieser neuen Staatsbürgerregelung etwa die ganze Kurdenproblematik und das damit verbundene massive Gewaltpotenzial nach Deutschland importieren, schätze ich die Gefährdung der Sicherheitslage höher ein als bei der RAF in den Siebziger- und Achtzigerjahren.«28 In den hier vorgestellten Äußerungen von Unionspolitikern erkennt man eine gleiche Wahrnehmung der Migranten und Asylbewerber wie sie oben von den »Republikanern« vorgestellt wurden: Asylbewerber und Ausländer generell erscheinen als Betrüger und Kriminelle, als Bedrohung für die Deutschen und ihren Wohlstand und als Gefährdung des inneren Friedens. Der Unterschied zur extremen Rechten besteht darin, dass diese Positionen bei der Union nicht das alleinige Zentrum der Politik ausmachen, dass es, auch innerhalb der Union, hierzu Gegenpositionen gibt und dass die Konsequenz der Umsetzung dieser Positionen hinter den Forderungen der extremen Rechten zurückbleibt. Als moderne Volkspartei kann die Union sich nicht vor Entwicklungen verschließen, die allgemein als gesellschaftsverändernd wahrgenommen werden: so etwa die Globalisierung. Vor allem die Kapitalinteressen an einer ausgeweiteten Zuwanderung von gut ausgebildeten Arbeitskräften stellt die Union und auch Stoiber vor das Dilemma, einerseits weiterhin Positionen der Abgrenzung zu vertreten, damit aber nicht als veraltet und wirtschaftsfeindlich zu erscheinen. So hat sich auch bei der Union im Stillen ein Wandel vollzogen, der vor wenigen Jahren noch undenkbar erschien: Die Bundesrepublik wird auch von der Union als Einwanderungsland – wenn auch nicht als »klassisches « – wahrgenommen. »Wir brauchen weniger Ausländer, die uns ausnützen, und mehr, die uns nützen«29, mit dieser griffigen Formulierung brachte der bayrische Innenminister Beckstein das neue Verständnis der Union auf den Punkt. Schmarotzer und Betrüger bleiben diejenigen, die nicht für den Wirtschaftsstandort Deutschland nutzbar gemacht werden können, willkommen sind diejenigen, deren Arbeitskraft gewinnbringend für das Land ist – allerdings werden sie auch auf diese Funktion reduziert. Dieser Wandel der Union, bei gleichzeitigem Festhalten an einer völkisch definierten Nation, wird noch manche argumentative Probleme mit sich bringen. Die neurechte Zeitung Junge Freiheit zeigte sich schon tief enttäuscht über das generelle 18 Bekenntnis der Union zur Zuwanderung.30 Auch mit Rücksicht auf ein solches Klientel betont der Kandidat Stoiber im gegenwärtigen Wahlkampf, dass es vor allem um eine Beschränkung der Zuwanderung gehe. Im Falle eines Wahlsieges kündigte er ein »Zuwanderungs-Begrenzungsgesetz« an.31

Zu vermuten ist, dass es sich hier nur um eine semantische Umdeutung handelt, geht es doch auch im aktuellen Gesetzentwurf um eine Begrenzung bei gleichzeitiger Neuregelung möglicher Zuwanderung. 2. Nation, Volk, Familie Um die mit dem Thema Zuwanderung verbundenen Bedrohungsgefühle auf der politischen Rechten verstehen zu können ist es wichtig, sich das Bild der Nation, wie es hier gepflegt wird, zu verdeutlichen. Im Unterschied zu westeuropäischen Nachbarländern wie etwa Frankreich wird die Nation in Deutschland in erster Linie als Abstammungsgemeinschaft, nicht als politische Gemeinschaft verstanden. Zugehörigkeit wird im deutschen Verständnis über die Abstammung, das »Recht des Blutes« (ius sanguinis) und nicht über die Frage des Geburtsortes, das »Rechts des Bodens« (ius soli), erlangt. Das Nationenverständnis ist in Deutschland also völkisch basiert, womit ein entscheidender Unterschied zu den westlichen Ländern benannt ist. Ein wichtiger Teil dessen, was mit dem »deutschen Sonderweg« bezeichnet wird, ist hiermit verbunden. Zuwanderung: Wer ist das Volk? Alle Untersuchungen zum Rechtsextremismus verweisen auf die enorme Bedeutung, die die Nation für die Propaganda dieser Parteien hat. »Deutschland zuerst«, »Deutsche Arbeitsplätze nur für Deutsche« – die völkisch definierte Nation als primärer Bezugspunkt ist bei NPD, DVU und »Republikanern« allgegenwärtig. Bis in die achtziger Jahre hinein hatte die politische Rechte bei ihrem emphatischen Bezug auf die Nation vor allem mit den Schatten der faschistischen deutschen Vergangenheit zu kämpfen, die einen ungebrochen positiven Bezug auf die Nation versperrten. Diese Barriere der NS-Vergangenheit wurde seit den achtziger Jahren bis in die Gegenwart weitgehend geschleift.32 Die »geistig-moralische Wende« der ersten Regierung Kohl war hier insofern von zentraler Bedeutung, weil nun wieder die Nation zur zentralen ideologischen Bezugsgröße der Politik wurde. Nationale Identität sollte wieder bestimmend für den Zusammenhalt der Gesellschaft werden, womit ein ideologisches Angebot formuliert wurde, mit dem die realen Brüche der Gesellschaft, hervorgerufen auch durch die einsetzende neoliberale Wende, überdeckt werden sollten. Neben dieser funktionalen Bestimmung gibt es aber auch einen starken inhaltlichen Bezug des Konservatismus, der politischen Rechten, zum Konzept 19 der Nation. Ihr völkisches Verständnis ist dabei nicht nur auf die extreme Rechte beschränkt, sondern findet sich auch in weiten Teilen der Union. Deutlich wurde dies wieder in jüngster Zeit, als es um die Frage ging, wie weit dieses völkische Verständnis der Nation noch zeitgemäß ist. Die Bestrebungen der rot-grünen Regierung, das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht zu verändern und den aufgeklärten Traditionen des Westens anzugleichen, stieß auf vehementen Widerstand der Union, die an der völkisch-blutsmäßig tradierten Zugehörigkeit zur Nation festhalten möchte. Im Zuge der Auseinandersetzung 1999 wurden von der Union genau die Ressentiments mobilisiert, an die die extreme Rechte schon immer apelliert, womit es nur konsequent war, dass DVU und »Republikaner« ihre Anhänger zur Unterzeichnung der Unionskampagne aufforderten und der Union ihre Hilfe anboten. Aufhänger der Unionskampagne war die vorgesehene Möglichkeit der großzügigen Gewährung von Doppelstaatlichkeit. Für CSU-Landesgruppenchef Michael Glos eröffnet sich hiermit für Ausländer die Möglichkeit, »auf ganz billige Art Deutsche zu werden.«33 Die Union wollte dagegen am »bewährten« Grundsatz des Abstammungsprinzips festhalten, dessen »Aushöhlung« die Grundlagen der Identität des deutschen Staatsvolks angreifen würde.34 Warum, so ist zu fragen, gefährdet die Aufgabe des Abstammungsprinzips die Identität des deutschen Staatsvolks? Gerade hier wird das spezifische Verständnis der Nation deutlich, wie es die gesamte gemäßigte und extreme Rechte verbindet. Nation, Zugehörigkeit, Gemeinschaft konstruieren sich auch bei der Union über die Abstammung, das Blut, die Natur. Die Aufgabe dieses Prinzips würde nach diesem Verständnis den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden. Nicht der Inhalt der Gesellschaft, sondern die natürliche Gemeinschaft verbürgt diesen Zusammenhalt. Bei Wolfgang Schäuble heißt es hierzu: »Wir schöpfen unsere Identität nicht aus dem Bekenntnis zu einer Idee, sondern aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk.«35 Dies ist in Nuce das Verständnis der Abstammungsgemeinschaft und die Absage an die politische Gemeinschaft, wie sie etwa in Frankreich verstanden wird. Die Abwehr alles Fremden ist somit gemeinschaftserhaltend. Die Bedrohungsgefühle und Ressentiments wurden bei der Kampagne der Union gegen die doppelte Staatsangehörigkeit deutlich. Die Verbindung der Themen Zuwanderung und Innere Sicherheit stehen für diesen Bedrohungsdiskurs. Der bayrische Innenminister Beckstein sprach unter der Überschrift »Importierter Terror« im Spiegel davon, dass nach rotgrünen Plänen mehrere zehntausend Ausländer, die als »Extremisten« eingestuft würden, jetzt Deutsche werden könnten: »Die rot-grüne Regierung importiert damit Terror und gibt potenziellen Verbrechern eine gesicherte Rechtsposition.«36 Ausländer werden somit zunächst einmal als »potenzielle Verbrecher« wahrgenommen, eine Sichtweise, die von den Parteien der extremen Rechten der Bevölkerung ebenfalls suggeriert wird. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erklärte der hessische Ministerpräsident Roland 20 Koch: »Wir kennen 2000 bis 3000 Islamisten mit Namen und Adressen hier in Deutschland, die Zugang zu terroristischen Strukturen und zu Sprengstoff haben.«37 Das BKA verneinte solche Kenntnisse und forderte Koch auf, sein Wissen preis zu geben – natürlich gab es dieses Wissen nicht. Auch hier ging es um die Verbindung von Bedrohung, Kriminalität und Ausländern, die von Koch vorgenommen wurde. Zwei Drittel aller Straftaten werden laut Koch von Ausländern begangen und seine Lösung bestand im Wort »rauswerfen«.38 Ein agitatorischer Unterschied zur Parole der extremen Rechten »Kriminelle Ausländer raus!« läßt sich hier nicht mehr ausmachen. Edmund Stoibers schon zitierter Vergleich der Bedrohung durch Einwanderung mit dem Terror der RAF wurde durch Michael Glos dahingehend unterstützt, dass der Staat nicht auf seine »wirksamste Drohung« gegenüber gewaltbereiten Ausländern verzichten dürfe – die Abschiebung. »Wir wollen nicht, dass sich in Deutschland auf Dauer Lebensformen etablieren, die nicht unsere Lebensformen sind.«39 Der Weg von hier zur Forderung nach einer »deutschen Leitkultur« ist nicht weit, und die Union schloss diesen Vorstoß folgerichtig an die Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft an.

Leitkultur und Nationalstolz

Friedrich Merz forderte als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag die Anpassung der in Deutschland lebenden Ausländer an eine »deutsche Leitkultur«. Die damit einsetzende Leitkulturdebatte hatte noch einmal die Funktion, den Vorrang der völkisch-deutschen Bevölkerung vor allen Zugewanderten zu zementieren und gleichzeitig eine homogene nationale Kultur zu behaupten.40 Der spezifische Inhalt dieser Leitkultur wurde von Merz eben als »deutsch« beschrieben, womit andere kulturelle Einflüsse und Äußerungen auf einen minderen Status verwiesen werden. Für Jörg Schönbohm stellt das Konzept der »deutschen Leitkultur« das Gegenmodell zur multikulturellen Gesellschaft dar, die gescheitert sei.41 Während diese »eine Gesellschaft beliebig neben- und nicht miteinander lebender Volksgruppen und Kulturen ohne allgemein anerkannte Leitkultur und Wertorientierungen « schaffe, bedeute die deutsche Leitkultur Sicherheit und Verbindlichkeit. 42 Gefordert sei die Integration der Zuwanderer und diese Integration habe sich an der deutschen Leitkultur auszurichten, »weil sie die Verfassung umfaßt und damit das Spezifikum der deutschen Nation.«43 Genau hier liegt jedoch das Problem: Die Verfassung, das Grundgesetz, ist eben nicht das Spezifikum der deutschen Nation, sondern repräsentiert mit seinem an den universalistischen Menschenrechten orientierten Rahmen eben ein universales Moment, kein deutsches Spezifikum. Universale Rechte ebneten aber die Besonderung des deutschen Volkes ein, am Ende ginge es, wie Schönbohm befürchtet und von der PDS gefordert, nicht mehr um eine deutsche Volkssouveränität, sondern um eine »Bevölkerungssouveränität«. Dies bedeute jedoch 21 die Aufgabe deutscher Leitkultur zugunsten gleichrangiger »Parallelgesellschaften «, die Schönbohm ablehnt.

»Die grundlegende Kultur in Deutschland ist die deutsche. Zu ihr gehört untrennbar Toleranz und ein Grundwertekanon, der sich im Laufe der Geschichte entwickelt hat und im Grundgesetz kodifiziert ist.«44 Das Grundgesetz als gewachsene deutsche Geschichte: diese Geschichtsklitterung verkennt, dass es gerade der Bruch von 1945 war, der wichtigen Teilen des deutschen Sonderwegs ein Ende setzte und dass dieser Bruch vor allem von außen, durch die Anti-Hitler-Koalition zustande kam. Der deutsche Faschismus wird in einer solchen geglätteten Sicht auf die deutsche Geschichte einfach aus dieser ausgeklammert.

Verbunden mit dieser positiven deutschen Identität und einem neuen, von der Geschichte befreiten deutschen Selbstbewusstsein lässt sich auch wieder Stolz auf Deutschland verkünden. Während es bei den »Republikanern« noch gemäßigt in den achtziger Jahren hieß »Andere Völker achten wir, unseres aber lieben wir«, übernahm der Generalsekretär der CDU, Laurenz Meyer, gleich eine vor allem im Bereich des Neofaschismus gebrauchte Parole und verkündete: »Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.« Überlassen werden dürfe diese Äußerung des Patriotismus nicht der extremen Rechten, weshalb Meyer sie für die Union reklamierte. Dass damit die gleichen ausschließenden Implikationen gegen alle Nicht-Deutschen mit übernommen wurden, war Meyer offensichtlich egal, so wie auch die Legitimierung einer bekannten Kampfparole des Neofaschismus, mit der dieser Woche für Woche durchs Land zieht. Günther Beckstein begrüßte anlässlich eines Vortrages bei einer Münchner Burschenschaft den neuen »Stolz auf Deutschland«, wies aber seine Zuhörer, angesichts der Beobachtung der rechtsextremen Burschenschaft Danubia durch den Verfassungsschutz darauf hin, dass die Grenzen zum Extremismus gewahrt werden müssen. Sein CSU-Kollege Hans Merkel ging bei der selben Veranstaltung noch weiter und bekundete: »Ich beobachte mit Sorge, dass als verfassungsfeindlich bezeichnet wird, wer die Folgen einer verantwortungslosen Ausländerpolitik anprangert oder ein anderes Zeitgeschichtsbild hat als das herrschende.«45 Ob sich Beckstein von diesem Geschichtsrevisionismus distanziert hat, wird von der Zeitung nicht berichtet. Warum wurden Leitkultur- und Nationalstolzdebatte von der Union im Jahr 2000 vom Zaun gebrochen? Die Antwort liegt auf der Hand, wenn man sich die politische Debatte dieser Zeit vergegenwärtigt, und sie sagt etwas aus über die vermeintliche strikte Abgrenzung der Union nach rechts. Die von der etablierten Politik endlich aufgenommene Debatte über den grassierenden Neofaschismus im Land, die schließlich im NPD-Verbotsverfahren mündete, nahm ihren Ausgang eben im Sommer des Jahres 2000. Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündete den »Aufstand der Anständigen« und eine Zeit lang sah es aus, als würde der Antifaschismus zur neuen Staatsräson, zumindest in der Form von Bekenntnissen.46 Die Union sah in dieser Kampagne offensichtlich die Gefahr, dass ihr die Klaviatur der rechten Themen dauerhaft genom22 men werden, dass man mit den gewohnten Anleihen bei der extremen Rechten aus der politischen Mitte hinaus dividiert werden könne. Michael Mertes, Chefredakteur des Rheinischen Merkur, sieht im »Aufstand der Anständigen« den Versuch der Regierung, moralische Hegemonie zu gewinnen: Antifaschismus solle den bewährten Antitotalitarismus ersetzen: »War – und ist – der ›Aufstand der Anständigen‹ ein Versuch, dem Konzept des Antifaschismus in der politischen Leitkultur der Bundesrepublik zum Durchbruch zu verhelfen? Für die Annahme spricht erstens die systematisch anmutende Ersetzung des Begriffs ›rechtsextremistisch‹ und ›rechtsextremistische Gewalt‹ durch ›rechts‹ und ›rechte Gewalt‹.«47 Der zweite Grund bestehe in der Anbahnung von Koalitionen zwischen SPD und PDS, die mittels des Antifaschismus eine moralische Legitimation bekämen. Ganz in diesem Sinne argumentiert auch der von der Union bestellte Sachverständige bei der Anhörung des Innenausschusses des Bundestags zum Thema Rechtsextremismus, Professor Eckhard Jesse: Über den Rechtsextremismus dürfe sein Pendant von links nicht vergessen werden, den Parteien der extremen Rechten wurde die Gefahr durch die PDS gegenübergestellt und überhaupt ginge die größere Gefahr von der extremen Linken aus.48 Leitkultur und Nationalstolz waren offensichtlich Versuche der Union, aus dieser Defensive herauszukommen. Roland Koch etwa warnte vor einer Dramatisierung des Rechtsextremismus und sprach sich gegen ein Verbot der NPD aus. Politisch wichtiger und vorwärtsweisender sei es vielmehr, sich der Themen der extremen Rechten anzunehmen, wie er das in vorbildlicher Weise beim Kampf gegen die doppelte Staatsangehörigkeit gemacht habe: »Vor der hessischen Landtagswahl sind im Zusammenhang mit der doppelten Staatsbürgerschaft massive Vorwürfe gegen die CDU erhoben und ein dramatischer Anstieg der Stimmenanteile rechtsradikaler Parteien prophezeit worden. Im Ergebnis jedoch wurde ein schlechter rot-grüner Gesetzentwurf verhindert und die rechtsradikalen Parteien trotz deren strategischer Absprachen auf unbedeutender Höhe gehalten. Die Politik hat ihre Hausaufgaben gemacht und die Wähler mitgenommen.«49 Am Beispiel der oben aufgezeigten Unionskampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft kann man also studieren, wie die CDU/CSU gedenkt, das Spektrum rechts neben sich einzubinden. Eben durch eine weitgehende Übernahme ihrer Inhalte, die in demokratisch geläuterte Bahnen gelenkt werden. Man hat, wie Koch sagt, die Wähler mitgenommen – und zwar unter Bestätigung vorhandener rassistischer und rechtsextremistischer Einstellungsmuster. Man stelle sich vor, was Herr Koch zu einem solchen Konzept der Einbindung sagen würde, wenn etwa die SPD die Verstaatlichung der Großindustrie fordern würde, um so auch den linken Flügel der PDS einzubinden (dies ist ein formaler, kein inhaltlicher Vergleich). 23 Familie: Kampf der Wiegen Eng verbunden mit der Frage von Nation und Volk ist im konservativen Verständnis die Familie, die als Keimzelle von Staat und Nation gesehen wird. So ist der besondere Schutz der Familie, verbunden zumeist mit tradierten Rollenbildern von Mann und Frau, ein Kernanliegen der gesamten politischen Rechten. Deshalb gelte es, die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates zu stellen, wohingegen nach Wolfgang Schäuble »kein Interesse der Gemeinschaft daran« besteht, auch anderen Lebensgemeinschaften einen solchen Schutz zu gewähren.50 Das besondere Interesse des Staates an Familie und Ehe hebt auch Edmund Stoiber hervor: »Eine Gesellschaft kann nicht besser funktionieren als ihre kleinste Zelle, die Familie. Wir dürfen nicht so tun, als seien Trennungen und Scheidungen reine Privatangelegenheiten, die im Übrigen nur die Statistik etwas angehen.«51 Diese Sorge um die Familie bekommt erst dann ihre politische Brisanz, wenn sie mit der Frage der Demographie verknüpft wird, die als Schicksalsfrage für das Überleben der Nation begriffen wird. Erst hier und unter Berücksichtigung des spezifischen Nationenverständnisses des Konservatismus wird die Bedeutung der Familie als biologischer Reproduktionsort der Nation deutlich. Hiervon abweichende Lebensformen müssen dann als Bedrohung wahrgenommen werden, so etwa wenn Norbert Geis in der Homosexualität eine »Perversion der Sexualität« erkennen will, sie als »schamlos« bezeichnet und zu dem Verdikt kommt: »Der Verlust der sexuellen Scham aber ist immer ein Zeichen von Schwachsinn.«52 Die vorgenommene Pathologisierung weist auf sich selbst zurück. Im Rahmen der Debatte um ein Zuwanderungsgesetz wurden immer wieder auch demographische Argumente angeführt. Deutschland sei angewiesen auf Zuwanderung, weil die Gesellschaft immer weiter überaltere. Für die extreme Rechte ist dies ein zentrales Thema, weil mit dem Geburtenrückgang die Existenz des deutschen Volkes (in völkischer Definition) gefährdet sei. Während die Deutschen immer weniger würden, vermehrten sich die Migrantinnen und Migranten, verwiesen wird hier zumeist auf die Türken, in rasendem Tempo. Familienpolitik ist deshalb aus Sicht der extremen Rechten keine Form der Sozialpolitik, sondern ein Gebot zur Erhaltung von Volk und Nation. In der Union kämpfen auf diesem Feld zwei Linien gegeneinander, die die liberale bzw. konservative Tradition der Partei verkörpern. Für letztere kommt eine Lösung des demographischen Problems über eine ausgeweitete Zuwanderung nicht in Frage, widerspricht dies doch dem oben aufgezeigten Verständnis der Nation. Im Rahmen der Zuwanderungsdebatte hat die bayrische Landesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches vor allem die demographische Frage in den Mittelpunkt rückt.53 In der Zusammenfassung der CSU-Regierung liest sich das folgendermaßen: Die Konsequenz einer auch demographisch motivierten Zuwanderungspolitik wäre es, dass die deut24 sche Bevölkerung in vielen Städten und Regionen zu einer »Minderheit im eigenen Land werden würde.«54 Damit verbunden seien erhebliche gesellschaftliche und kulturelle Risiken, da die Integrationsfähigkeit unweigerlich abnehme. Bestätigt werde die Position Bayerns, »dass eine Politik, der es darum geht, die Identität unseres Staates zu bewahren und die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten, Zuwanderung nicht ausweiten, sondern deutlich begrenzen muss.«55 Gefordert sei statt dessen eine demographisch orientierte Familienpolitik zur Anhebung der Geburtenrate, die Deutschland unabhängig von Zuwanderung mache. In einem Vortrag vor der CSU-Landtagsfraktion im Januar 2001 verdeutlichte Josef Schmid, Bevölkerungswissenschaftler an der Universität in Bamberg, noch einmal den Zusammenhang von Demographie, Nation und Familie: Mit der Einwanderung als »Heilmittel « des Geburtendefizits würde in absehbarer Zeit »das zu Erhaltende, nämlich das Stammvolk als Träger des demokratischen Volkswillens und des leistungsbezogenen Wirtschaftsstils, unter der Last seiner Nebenwirkungen zusammenbrechen.«56 Enttabuisiert werden müsse dagegen die aktive Geburtenförderung durch den Staat.

Um dennoch die Zuwanderung benötigter Fachkräfte zu ermöglichen, die Zahl der Zugewanderten aber so gering wie möglich zu halten, schlägt Schmid eine »Repatriierung abgelehnter Asylbewerber, welche den bisherigen Gesamtzuzug dieser Gruppe von ca. 100.000 halbiert: 50.000«57 vor – gemeint ist damit eine Massenabschiebung. Die Logik dieser Argumentationen steht in ihrer Deutlichkeit nicht hinter den Forderungen der extremen Rechten zurück: Das »Stammvolk« der Deutschen verkörpert quasi natürlich den »leistungsbezogenen Wirtschaftsstil«, der jedoch unter der Last der kulturell fremden und offensichtlich leistungsschwächeren Nicht-Deutschen zusammenbreche. Lässt sich die Union mit ihrem bayrischen Kanzlerkandidaten von solchen Sichtweisen leiten, dann ist neben Aus- und Abgrenzung des »Fremden« auch ein Kampf um deutsche Wiegen zu erwarten. Mit der Parole »Kinder statt Inder« brachte der als liberal geltende Jürgen Rüttgers einen solchen Diskurs auf den Punkt.

3. Rechte Brückenköpfe

Aus der vielfältigen inhaltlichen Überschneidung zwischen den Unionsparteien und dem Spektrum rechts von ihnen ergeben sich Berührungs- und Anknüpfungspunkte, die selbstverständlich auch zu Zusammenarbeiten führen. Verlässt man dabei das Feld der unmittelbaren Wahlkonkurrenz der Union, die Parteien der extremen Rechten, dann finden sich viele solcher Berührungspunkte und direkten Verbindungen. Namentlich die intellektualisierte so genannte »Neue Rechte« bildet eine Art Scharnier zum etablierten Konservatismus der Union. Peter Gauweiler, Steffen Heitmann, Heinrich Lummer sind Politiker, die die Nähe dieser »Neuen Rechten« suchen und inhaltlich mit den hier vertretenen Positionen übereinstimmen. Vor allem beim Verständnis der 25 deutschen Nation, der Bewertung der nationalsozialistischen Vergangenheit und der zukünftigen Rolle Deutschlands finden sich weitgehende Übereinstimmungen. Darüber hinaus ergibt sich ein reger Austausch im Rahmen konservativer Think Tanks, wie etwa des Studienzentrums Weikersheim, gegründet vom ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Hans Filbinger, des Christlich Konservativen Deutschland-Forums, diverser konservativer Gesprächskreise oder auch der studentischen Korporationen. Beispiel Geschichtspolitik Vor allem der Kampf um eine zustimmungsfähige, positive Sicht auf die deutsche Geschichte verbindet neurechte Intellektuelle und Teile der Union. Im Kampf um geschichtspolitische Deutungshegemonie tritt man auch gemeinsam an die Öffentlichkeit.58 Anläßlich des fünfzigsten Jahrestages des 8. Mai 1945 unterzeichnete Alfred Dregger einen von der »Neuen Rechten« um Rainer Zitelmann initiierten Aufruf, der den 8. Mai nicht als Befreiung, sondern als Beginn von Vertreibung und Teilung interpretierte und so vor allem die deutsche Opferrolle betonte. Im Rahmen der geschichtspolitischen Debatten in den neunziger Jahren, vor allem im Rahmen der Auseinandersetzung um die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« kam es zu vielfältigen Zusammenarbeiten zwischen Rechtsauslegern der Union und der extremen bzw. »Neuen Rechten«. So begann die öffentliche Auseinandersetzung um die Ausstellung in München: Im CSU-Organ Bayernkurier wurde der Ausstellung vorgeworfen, sie sei ein »moralischer Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Volk« und wolle »Millionen Deutschen die Ehre« absprechen.59 Zusammen mit der NPD mobilisierte Peter Gauweiler von der CSU gegen die Ausstellung und es kam zur bis dahin größten Demonstration des Neofaschismus in München. Die Union insgesamt machte sich die Ablehnung der Ausstellung zu eigen und bis heute weigern sich die meisten Funktionsträger der Partei, an den offiziellen Eröffnungen der Ausstellung in den jeweiligen Städten teilzunehmen. Die Affinität rechter Unionskreise zu den apologetischen Geschichtsbildern, wie sie von der »Neuen Rechten« propagiert werden, kommt hier zum Ausdruck. Die Verleihung des Adenauer-Preises an den bekannten rechtskonservativen Historiker Ernst Nolte im Jahr 2000 durch die unionsnahe »Deutschlandstiftung « kann als Bestätigung der Positionen Noltes aufgefasst werden. Mit den vor allem symbolischen Vorstößen in der Geschichtspolitik war es namentlich Helmut Kohl, der seit den achtziger Jahren diesen Strang ermutigte. Der Besuch von Kohl und dem US-amerikanischen Präsidenten Reagan auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg und ihre Ehrerweisung auch gegenüber Angehörigen der Waffen-SS war der symbolische Auftakt zum im selben Jahr (1986) einsetzenden Historikerstreit. Aktuell politisch nutzbar gemacht werden solche Sichtweisen auf die NS-Vergangenheit, wenn die Union und insbesondere 26 Edmund Stoiber sich zum Anwalt der »Vertriebenen« machen und in der neuen Debatte zu den Benes-Dekreten die politische Führung der Tschechischen Republik attackieren. Die CDU-MdB Erika Steinbach ist als Vorsitzende des »Bundes der Vertriebenen« geradezu beruflich damit beschäftigt, die deutsche Rolle in der Vergangenheit auf den Status des Opfers zu bringen. Die Forderung nach einem neuen, von der Last der Geschichte befreiten nationalen Selbstbewußtsein verbindet diese Kreise der Union mit dem rechten Rand. Friedbert Pflüger, selbst Unionsabgeordneter, drückte in seinem 1994 erschienenen Buch die Sorge aus, dass die Union sich zu wenig von diesen Tendenzen abgrenze.60 Mit Blick auf die Verbindung von Teilen der Union und dem rechten Spektrum sagt er: »Neben dem braunen Netzwerk der Neo- Nazis entsteht ein schwarz-braunes Netzwerk von konservativ revolutionären Vordenkern. Die Ziele sind im Grunde fast die gleichen, nur dass die angeblich ›konservativen‹ Clubs ihre Botschaft etwas anspruchsvoller verpacken.«61 Das neue nationale Selbstbewußtsein nach der Vereinigung traf anscheinend gerade in der Union auf einen gut bereiteten Boden: »Wer durch das Land fährt und mit der Parteibasis diskutiert, spürt an allen Ecken und Enden den Einfluß der Neuen Rechten, sieht Berührungsängste schwinden. In vielen meiner Veranstaltungen wird zum Beispiel die Westgrenze Polens in Frage gestellt und gefordert, dass Schlesien und Ostpreußen wieder deutsch werden müssen. Oft werden die fünf neuen Bundesländer als ›Mitteldeutschland‹ bezeichnet und damit suggeriert, dass es östlich davon weitere deutsche Gebiete gibt.« Vor allem die Geschichte soll dieses Selbstbewußtsein nicht mehr einschränken: »Auch andere Denkmuster aus dem rechtsradikalen Arsenal sind wieder in Unionsveranstaltungen zu hören: Wir sollten wieder ›aufrecht gehen‹. Die Zeiten seien vorbei, in denen wir den Juden gegenüber ein schlechtes Gewissen haben müssten.«62 Was in den Beobachtungen Pflügers zum Ausdruck kommt, ist nicht nur ein taktischer Umgang der Union mit dem Spektrum rechts von ihr: hier zeigen sich parallele Überzeugungen. Wie weit diese gegenwärtig in der Union verbreitet sind, lässt sich nur schwer sagen. Offensichtlich ist jedoch, dass mit der breiten Stimmung innerhalb der Partei für den Kandidaten Stoiber diese Ausrichtung nicht geschwächt wurde. Ob ein möglicher Kanzler Stoiber diese Teile der Partei inhaltlich bedienen müsste und wollte, ist schwer zu sagen, jedenfalls wenn es um die Frage der praktischen Umsetzung von Politik geht. In der Frage Zuwanderung, Familienpolitik, Verständnis der Nation haben CDU/CSU zumindest Erwartungen geweckt, die befriedigt werden wollen. Verbunden mit dieser Erwartungshaltung ist auch die Gefahr, enttäuschte Anhänger nach weiter rechts verlieren zu können.

27 III. Rechtspopulismus: Gefahr

oder Chance für die Union?

Ronald Schill, Shooting Star der Landtagswahl in Hamburg im Herbst 2001, wurde in der Presse zum heimlichen Königsmacher für Edmund Stoiber erkoren. Nur bei einem rechten Kandidaten wie Stoiber würde die so genannte Schill-Partei auf eine Kandidatur zur Bundestagswahl verzichten und so der Union die Konkurrenz zu einer rechtspopulistischen Partei ersparen, die ihr in Hamburg um ein Haar den Rang abgelaufen hätte. »Schill ante portas« so hieß es allenthalben in der Presse, ganz so, als ließe sich der Hamburger Erfolg problemlos auf die Bundesebene übertragen. Diesem Rausch war offensichtlich auch Schill selbst erlegen und schwadronierte schon von einer Zusammenarbeit mit der Union auf Bundesebene: »Vor wenigen Tagen war ein hochrangiger CSU-Funktionär, dessen Namen ich nicht nennen möchte, bei mir.« Dieser habe berichtet, dass »große Teile der CSU« die Schill-Partei gerne als Partner sehen würden, um bei Wahlen Mehrheiten zu sichern. »Die CSU befürchtet, dass ein Bayer im Norden Akzeptanzprobleme haben könnte. Deswegen suchen sie eine Zusammenarbeit mit der Schill-Partei, die das konservative Wählerpotenzial gerade im Norden abschöpfen soll«, so Schill. Es gehe darum, arbeitsteilig Mehrheiten zu erreichen: »Die Schill-Partei soll sich dabei rechts von der Union etablieren.«63 CSU-Generalsekretär Goppel bezeichnete diese Äußerungen von Schill als »Wunschgemälde«. Ob es Gespräche zwischen Union und Schill-Partei zu diesen Fragen gegeben hat, lässt sich nicht klären, die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch, dass Schill mehr seinen Wünschen Ausdruck verleiht, als dass diese (schon) der Realität entsprechen. Doch unverkennbar ist, dass der erfolgreiche Aufsteiger am rechten Rand einige Aufmerksamkeit erregt hat und auch für die Strategie der Union von Bedeutung ist. Die Parteienforscher Joachim Raschke und Ralf Tils sahen in einer Analyse unmittelbar nach dem Erfolg in Hamburg die Chancen Schills vor allem bei einer weiter führungs- und richtungslosen Union steigen: »Eine Kanzlerkandidatin Angela Merkel könnte eine Versuchung für Ronald Schill darstellen, trotz ungünstiger eigener Organisationsvoraussetzungen bei der Bundestagswahl zu kandidieren: Nie wäre die rechte Flanke der CDU für den Angriff von außen so leicht zu erobern.«64 Mit dem Kandidaten Stoiber ist diese Flanke jetzt besser gesichert, weshalb Schill auch von einer gemeinsamen Strategie redet und sich nicht in Konkurrenz zur Union unter Stoiber sieht. Nichts spricht dafür, dass die Union gerade jetzt das alte Diktum, neben ihr dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei auf der Rechten geben, aufgeben sollte. Insofern ist sicherlich keine Ermutigung für Schill von hier zu erwarten, vielmehr wird man selbst darum bemüht sein, das einzige Thema dieser Partei, die Innere Sicherheit, schlagkräftig zu besetzen.

Die möglichen Kandidaten Stoibers für diesen Bereich, Beckstein und 28 Schönbohm, machen deutlich, wohin die Reise gehen soll. Beckstein sieht in Schill anscheinend weniger die lästige Konkurrenz als vielmehr einen eigenen Zögling. Schill rufe ihn dreimal die Woche an und frage um Rat: »Ich schätze Herrn Schill als Wettbewerber, der im Gegensatz zu den Sozis die Koordinaten richtig setzt. Aber ich bin ihm um Längen voraus.«65 Sollte es wider Erwarten doch einen Erfolg der Schill-Partei im Herbst 2002 geben, würde die Union, wie schon in Hamburg, sicher nicht zögern, diese zur Mehrheitsbeschaffung zu nutzen, sollte es mit der FDP nicht reichen. Temporär wäre ein solcher Erfolg für Schill eine Chance für die Union, die Macht zu erlangen; auf längere Sicht könnte damit allerdings die eigene Mehrheitsfähigkeit der Union nachhaltig geschwächt werden. Was unterscheidet die Schill-Partei von der extremen Rechten? Zunächst beschränkt sich diese neue Partei im Wesentlichen auf ein Thema, die Innere Sicherheit. Dies wird zwar in klassischer rechter Manier mit der Frage der Zuwanderung, der so genannten »Ausländerkriminalität« verknüpft, der manifeste völkische Nationalismus der extremen Rechten spielt hier aber bisher keine große Rolle. Die Schill-Partei ist (noch?) nicht mit belasteten Personen des rechtsextremen Spektrums durchsetzt, sondern repräsentiert mit ihren Mitgliedern den konservativ-autoritären Teil des Hamburger Bürgertums, weshalb Raschke und Tils als Kennzeichnung »rechtskonservativer Populismus«66 vorschlagen. Entscheidend für den Erfolg in Hamburg war neben der Themenwahl sicherlich der politische Stil, mit dem die Partei aufgetreten ist. Populismus von rechts erweist sich seit einigen Jahren als Erfolgsrezept, wie man an zahlreichen Wahlen im europäischen Ausland beobachten kann. Mit der Schill-Partei hat eine solche Ausrichtung erstmals auch in Deutschland einen beachtlichen Erfolg erzielt; Grund genug, sich der Frage des Populismus und seiner Auswirkungen etwas genauer zu widmen.

1. Rechtspopulismus und die Probleme des etablierten Konservatismus67

»Konservativ sein, das heißt an der Spitze des Fortschritts zu marschieren.« Diese von Franz Josef Strauß geprägte griffige Formulierung zeigt den Anspruch des Konservatismus, wie er sich nach der traumatischen Erfahrung des Faschismus herausgebildet hatte. Nicht das Bewahren und Festhalten an tradierten Normen und Werten steht hier scheinbar im Mittelpunkt, sondern der fortschrittsoptimistische Glaube an die Zukunft, der historisch eigentlich eher der Linken zugeordnet war. Diese Aussöhnung mit der kapitalistischen Modernisierung lässt sich für den Konservatismus in Deutschland auf die Zwischenkriegszeit und die sich hier herausbildende so genannte »Konservative Revolution« zurückführen, politisch hegemonial wird sie jedoch erst in den fünfziger Jahren der Bundesrepublik. Der »technokratische Konservatis29 mus« dieser Zeit knüpft mit seinen Wortführern Helmut Schelsky, Hans Freyer und Arnold Gehlen an Elemente dieser »Konservativen Revolution« an, ohne jedoch die durch den Faschismus diskreditierten Versatzstücke dieser Ideologie – Nation, Volk, Kampf usw. – zu übernehmen. Die Aussöhnung mit dem modernen Kapitalismus, der modernen Technik, die nicht länger als seelenlos und kulturzerstörerisch gesehen wird, ermöglicht dem Konservatismus einen Rollentausch mit der Linken, die nach 1968 vielfach als fortschrittspessimistisch, maschinenstürmerisch und rückwärtsgewandt erscheint. Dennoch erleidet der politische Konservatismus in den sechziger Jahren eine Niederlage, die zu einer erneuten Modifizierung und zur Herausbildung dessen führt, was dann als Neokonservatismus bezeichnet wird. Für Großbritannien (Thatcherismus) und die USA (Reaganomics) wird hierunter vor allem eine weitere Amalgamierung des Konservatismus mit der neoliberalen Ideologie verstanden. Verbunden ist mit dieser Wandlung aber auch eine Reideologisierung des Konservatismus, der jetzt wieder stärker auf Werte wie Nation, Familie, homogene Gemeinschaft setzt, ohne allerdings seine neoliberale Ausrichtung aufzugeben. So umstritten innerhalb der Wissenschaft die neue Qualität der Globalisierung ist – fest steht, dass sie eine enorme Beschleunigung der Auflösung tradierter Formen mit sich gebracht hat, vom Arbeitsmarkt bis hinein in die familiären und zwischenmenschlichen Beziehungen. Der von Richard Sennett beschriebene flexible Mensch68 unterscheidet sich doch weitgehend von seinem Vorgänger im fordistisch geprägten Kapitalismus. Individualisierung, Flexibilisierung und die Auflösung tradierter Bindungen haben aber auch Auswirkungen auf die ideologischen Kernbestandteile des Konservatismus. Die Familie als schützenswerte Keimzelle des Staates, so etwa von der Union immer wieder propagiert, entspricht immer weniger der Realität dieses flexiblen Menschen, der seinen Arbeitsplatz ohne zu murren von Kiel nach Passau verlegen, am Sonntag einsatzbereit sein und notfalls auch auf seinen Urlaub verzichten soll. Geburtenrückgang, hohe Scheidungsrate, Zunahme der Singlehaushalte – gegen alle diese Erscheinungen wenden sich konservative Politiker, und doch ist es gerade die von ihnen vorangetriebene Politik, die diese Erscheinungen hervorbringt. Der Rekurs auf die Nation als zentrale Kategorie der Vergemeinschaftung hat auf konservativer Seite spätestens seit den achtziger Jahren wieder Hochkonjunktur. Die Renationalisierung, verbunden mit einem entlastenden Blick auf die deutsche Vergangenheit und einem sich daraus ableitenden »Normalisierungsdiskurs «, prägt die konservative politische Hegemonie seit dieser Zeit. Einhergehend mit diesem wiederentdeckten nationalen Diskurs verschärfte sich die Ausgrenzung der im Land lebenden Menschen ohne deutschen Pass, die jetzt als Gegenbild zur homogenen Nation dienten. Schon 1986 wurde das Asylthema vom damaligen Innenminister Zimmermann (CSU) zum Wahl30 kampfthema gemacht und in der Vereinigungskrise 1992/93 wurde die funktionale Nutzung des rassistisch unterlegten Asyldiskurses dann vollständig offenbar: Um die vorhandene soziale Spaltung zwischen Ost und West zu überdecken, wurde von Seiten der Politik mit tradierten Ein- und Ausschließungsmechanismen gearbeitet: Während alle Deutschen, unabhängig von ihrer sozialen Lage, zur homogen verstandenen Nation gerechnet wurden, galten die Flüchtlinge und Asylsuchenden als nicht dazugehörig, als Gegenbild und als Grund für die soziale Misere. Mit diesem Ein- und Ausschließungsdiskurs wurde von politischer Seite an bereits vorhandene Stereotypen der Fremdwahrnehmung angeknüpft, die somit nur noch aktiviert und verstärkt werden mussten. Der Zusammenhang dieser rassistischen und auf Ausschließung gerichteten Politik mit der sozialen Lage ist offensichtlich und lässt sich an weiteren Beispielen verdeutlichen, so etwa beim sogenannten Anwerbestopp für »Gastarbeiter« 1973 (Ölpreiskrise). Alle diese Beispiele belegen also scheinbar eine konsequente Umsetzung rechter Ideologiemomente, und dennoch sah sich gerade der etablierte Konservatismus der CDU/CSU massiven Vorwürfen ausgesetzt, konservative Vorstellungen »verraten« zu haben und selbst der allgemeinen Liberalisierung anheimgefallen zu sein. So wie sich die Familie unter den realen Bedingungen des globalisierten Kapitalismus immer weiter auflöst, so gefährdet diese Entwicklung auch den Bestand der vermeintlich homogenen Nation. Multikulturalisierung, Amerikanisierung und ein damit einhergehender allgemeiner Hedonismus sind bis heute das Feindbild konservativer Intellektueller, und die Partei des Konservatismus, die Union, wird für diese Entwicklungen verantwortlich gemacht. So ist es kein Wunder, dass mit der Auflösung der tradierten Politikmuster bis 1989/ 90, in denen die Blockkonfrontation die alles überlagernde Rolle spielte, sich eine neue konservative Rechte nicht nur in Deutschland bemerkbar machte, die die Umsetzung der Versprechen des re-ideologisierten Neokonservatismus einforderte. Die Nouvelle Droite in Frankreich, die »Neue Rechte« in Deutschland, mit Ablegern auch in Österreich, und vergleichbare Entwicklungen in anderen europäischen Ländern setzten den etablierten Konservatismus von rechts unter Druck. Ein Beleg hierfür ist die Etablierung von Parteien, die rechts des tradierten Konservatismus anzusiedeln sind und die verstärkt mit dem Stilelement des Populismus agieren. In Österreich, Italien und Dänemark hat diese Entwicklung zur Ablösung der Linksregierungen geführt und eine Zusammenarbeit von etabliertem Konservatismus und den rechtspopulistischen Newcomern eröffnet. Es zeigt sich dabei ein Unterschied zum etablierten Konservatismus vor allem im politischen Stil, im öffentlichen Auftreten dieser neuen Parteien, der es ihnen weitaus besser als den großen Volksparteien ermöglicht Wünsche, Ängste und Bedürfnisse der Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen und damit die alten Volksparteien in die Defensive zu drängen.

31 2. Populistischer Stil – Modell auch für die CSU?

Die FPÖ gilt innerhalb der Forschung als das Paradebeispiel einer rechtspopulistischen Partei und so werden viele Modelle der Theorie an diesem Beispiel vorgeführt. Für den erfolgreichen Aufstieg der FPÖ wird vor allem ihre Fähigkeit zur ständigen Mobilisierung ganz heterogener Wählerklientele angeführt. Verbunden damit ist ein spezifischer politischer Stil, der, zusammen mit der inhaltlichen Ausrichtung, als Rechtspopulismus bezeichnet wird. Der Sprachwissenschaftler Martin Reisigl benennt einige Elemente dieses populistischen Stils: 1. Schwarz-weiß-Bilder und Freund-Feind-Verhältnisse, 2. Komplexitätsreduktion, einfache Lösungsangebote, 3. Froschperspektivierung, d. h. sich selbst als nicht dazugehörig, als Stimme der Ausgeschlossenen betrachten, 4. Emotionalisierung, 5. kalkulierte Ambivalenzen, scheinbar unvereinbare Botschaften werden ausgesandt, 6. Verheißungen durch charismatische Führungspersönlichkeiten.69 Der FPÖ ist es mit diesem Politikstil und ihren damit verbundenen Inhalten gelungen, zur Regierungspartei zu werden und gänzlich unterschiedliche Wählergruppen einzubinden. So findet man bei ihr neben einer betont neoliberalen wirtschaftspolitische Ausrichtung eine starke Orientierung an den Sorgen und Nöten der unteren Schichten, denen als Lösungsangebot Nationalismus und Ausschluss der »Fremden« angeboten wird. Soziale Frage und neoliberale Wirtschaftspolitik stehen dabei neben- und gegeneinander: Die Ethnisierung der sozialen Frage ist hier eine entscheidende Entwicklung, die nicht nur auf Österreich beschränkt ist. Die FPÖ ist mittlerweile die stärkste Arbeiterpartei und nimmt bei den Selbstständigen den zweiten Platz ein. Die Distanzierung vom etablierten Politikbetrieb, der als korrupt, verkommen und ohne Blick für die Sorgen der einfachen Leute dargestellt wird, ist ein weiteres entscheidendes Element. Hiermit gelang es der FPÖ, sich selbst als außerhalb der etablierten Politik stehend auszugeben und der sich ausgeschlossen fühlenden Bevölkerung scheinbar (»wir hier unten – die da oben«) eine Stimme zu geben. Einige dieser Elemente lassen sich auch im deutschen Parteienspektrum finden, so bei der Schill-Partei70, aber auch bei der CSU. Wenn Jörg Haider behauptet, Stoiber sei »nur eine Kopie der FPÖ-Politik« und alles was er, Haider, mache, kündige Stoiber »mit drei Wochen Verzögerung in Deutschland an«71, dann ist das sicherlich eine Übertreibung. Der wahre Kern liegt aber in der Anwendung ähnlicher stilistischer Mittel, die eigene Politik zu vertreten. So ist es unter den etablierten Parteien vor allem die CSU, die einen Hang zum Populismus hat. Die Unterschriftenaktion zur Verhinderung der doppelten Staatsbürgerschaft wurde maßgeblich von Stoiber vorangetrieben. Obwohl die Union sonst nicht gerade als Verfechterin der plebiszitären Demokratie bekannt ist, wurde hier »die Straße« mobilisiert, weil man sich vom emotionalisierten Thema Erfolg versprach. Der Appell an vorhandene Ängste 32 (Fremd im eigenen Land), die Artikulation deutlicher Feindbilder (kriminelle Ausländer) sind typische Merkmale solcher populistischen Diskurse. Zudem gelingt es der CSU seit Jahren, sich selbst als Anwalt der Nichtdazugehörigen zu inszenieren. Profitierend vom ausgeprägten bayrischen Sonderbewußtsein wird hier ein Gegensatz zum Rest der Republik eröffnet, der dem gängigen Muster des »wir« gegen »die da« entspricht. Obwohl über sechzehn Jahre neben Helmut Kohl und der CDU an der Regierung beteiligt, kann die CSU und besonders Stoiber als ihr bayrischer Repräsentant die Rolle des Kämpfers gegen die abgehobene Politik in Berlin übernehmen. Mit bewusster Volkstümlichkeit und einer (stärker noch unter Strauß) Sprache, bei der dem »Volk aufs Maul geschaut« wird (»Mir san mir«), soll diese Verbundenheit noch unterstrichen werden. Auch inhaltlich gelingt es der CSU besser als etwa der CDU, ganz unterschiedliche Gruppen und Bedürfnisse zu integrieren: Mit »Laptop und Lederhose« lässt sich in Bayern regieren, womit die Spannbreite zwischen modernem Wirtschaftsstandort und heimatverbundener Idylle, neoliberaler Flexibilisierung und sozialer Einbindung umrissen ist. In dieser Spannweite sieht Angela Merkel das »Geheimnis der CSU«, das darin liege, »dass sie Positionen von weit rechts bis zu denen von Oskar Lafontaine vertritt – und keiner nimmt es ihr übel.«72 Ein Erfolgsmerkmal des rechten Populismus ist es, dass er es schafft, den von der Sozialdemokratie geräumten Platz beim klassischen Arbeiterklientel zu übernehmen. Hat diese die soziale Frage als Identitätsmerkmal abgelegt, so wird sie vom rechten Populismus auf spezifische Weise beantwortet: Die Ethnisierung der sozialen Frage, d. h. der Ausschluss von denen, die als fremd gelten, ist hier allzu oft die Lösung. Im Meinungstrend vom Februar 2002 lag Stoiber im direkten Vergleich mit Schröder nur bei den Arbeitern vorn (48 : 43). Diese Klaviatur des Populismus kann die CSU vor allem wegen ihrer unangefochtenen Stellung in Bayern und der damit verbundenen Ferne von Berlin spielen. Für einen Kanzlerkandidaten Stoiber ist das, wie schon jetzt deutlich wurde, nicht mehr so leicht. Das Charisma des Populismus verliert im Lichte mühsamer Realpolitik schnell seinen Glanz. Das zeigt sich an der regierenden FPÖ in Österreich, aber auch schon beim Kandidaten Stoiber. Dennoch ist die Versuchung für eine Partei wie die CSU groß, diese Klaviatur weiter zu bedienen. Das Problem der gesamten Union dabei ist, dass auch der politische Gegner dieses Spiel beherrscht und zur Anwendung bringt. Sich rechts der Sozialdemokratie mit ihrem Innenminister Schily zu positionieren bedeutet die Gefahr, die »Mitte« zu verlieren. Ein Partner wie Schill, der auf diese »Mitte« nicht angewiesen ist, würde bei sich bietender Gelegenheit sicher nicht zurückgewiesen. 33

3. Wo steht die Mitte?

»Die Mitte ist rechts von links«, mit diesem Bonmot hat die CDU-Vorsitzende Angela Merkel die Union zur natürlichen Vertreterin der politischen Mitte machen wollen.73 Kontern ließe sich mit der Feststellung »Die Sozialdemokratie ist rechts von links.« Die Unterschiede der beiden großen Volksparteien der Bundesrepublik haben sich vor allem seit der neoliberalen Wende der Sozialdemokratie weitgehend verwischt. Bei überwiegender inhaltlicher Identität wird um das gleiche politische Klientel gerungen, eben die Mitte. Wo aber ist diese Mitte? Albrecht von Lucke sagt dazu in den Blättern für deutsche und internationale Politik: »Die neueste Mitte steht rechts.«74 Die Tendenzen der letzten Wahlen, von Hessen 1999 bis Hamburg 2001, sei eindeutig gewesen: »Von einer liberalen Mitte kann schwerlich die Rede sein, die neueste Mitte – der so genannte Bürgerblock – steht ziemlich weit rechts. Ein rechts-populistischer Ruck dürfte also mit den Wahlen 2002 durchs Land gehen.«75 Wer von diesem Ruck profitiert, ist nicht eindeutig, denn die Union hat, trotz Stoiber, das Monopol auf rechts verloren. Noch einmal von Lucke: »Im Zweifel hat sich die bundesrepublikanische Bevölkerung als durch Populismus verführbar erwiesen. Die Wahl von 1998 machte da keine Ausnahme. Sie wurde auch mit dem Slogan: ›Kriminelle Ausländer gehören raus und zwar sofort‹ gewonnen.«76 Überspitzt könnte man sagen, dass inzwischen auch bundesweit eine Partei rechts der Union demokratisch legitimiert ist – die Sozialdemokratie. Dies stimmt natürlich so nicht, verdeutlicht aber den Rechtsruck der Mitte. Den Hauptanteil an dieser Verschiebung haben die Parteien der Union, die hier seit den achtziger Jahren am Werk waren. Was wäre also von einer Regierung unter Führung von Stoiber zu erwarten? Kein Bruch, sondern eine Fortsetzung des eingeschlagenen Weges: Eine neue Zuwanderungsregel würde semantisch stärker als Zuwanderungs-Begrenzungsregel verkauft, die Ethnisierung der sozialen Frage damit auch weiter perpetuiert. In Fragen der Inneren Sicherheit würde der Kurs von Schily verstärkt fortgesetzt, womit eine weitere Preisgabe demokratischer Rechte verbunden wäre. Gerade Bayern hat, etwa beim Demonstrationsrecht, ein sehr laxes Verhältnis zu verbrieften Rechten. Die Verknüpfung von Kriminalität und Ausländern, die beschleunigte Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, die Orientierung am völkischen Verständnis der Nation – all dies gehört zum Kernbestand der Union. Eine im Wesentlichen neoliberale Wirtschaftspolitik bei schnellerem Abbau sozialer Sicherungssysteme und eine Kontinuität in der Außenpolitik wären weiter zu erwarten. Wenig Neues also? Die Affinität zu den Themen der extremen Rechten ist heute nicht allein auf die Union beschränkt. Wie aber die Vergangenheit und auch die hier aufgeführten Beispiele gezeigt haben, versteht es die Union sehr viel besser, diese Themen auch in ihre eigene Politik einzubinden. Der Widerstand innerhalb der Union gegen rechte Töne, etwa bei der Kampagne gegen die doppelte 34 Staatsbürgerschaft oder bei der Diskussion um die Zuwanderung, ist weitaus geringer als innerhalb der Sozialdemokratie. Auch hat die Union immer wieder bewiesen, dass sie zur Absicherung eigener Mehrheiten bereit ist, diese Themen und die mit ihnen verbundene Ausgrenzung bedenkenlos einzusetzen. Wichtige Unionspolitiker, die sicher auch in einer Regierung Stoiber eine Rolle spielen würden, sind auf dem rechten Flügel der Partei einzuordnen, stehen also auch für die aktive Indienstnahme dieser Themen: so etwa Roland Koch, Jörg Schönbohm, Günther Beckstein. Um einer weiteren Rechtsverschiebung der Bundesrepublik vorzubeugen, wäre die Verhinderung einer Regierung Stoiber wichtig, eine Garantie ist auch das nicht. 35

 

Quellen
1 Vgl. Edmund Stoiber/Friedrich Kabermann: Das Maß der Dinge. Über die Kunst,
das politisch Notwendige zu tun, München 2002, S. 37.
2 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. 2. 2002.
3 Vgl. Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und
die NS-Vergangenheit, München 1997 (2. Auflage).
4 Vgl. zu diesen Punkten im Einzelnen: ebd.
5 Beide Zitat nach Helmut Dubiel: Niemand ist frei von der Geschichte.
Die nationalsozialistische Herrschaft in den Debatten des Deutschen Bundestages,
München/Wien 1999, S. 43.
6 Zu Oberländer und Globke vgl. Georg Fülberth: Berlin – Bonn – Berlin. Deutsche
Geschichte seit 1945, Köln 1999, S. 56 und 101.
7 Vgl. dazu Frank Bösch: Integration oder Isolierung. Die Unionsparteien und der
rechte Rand, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2001. Bösch weist
darauf hin, dass es in niedersächsischen Kommunen sehr wohl Absprachen zwischen
CDU und SRP gegeben habe.
8 Zur NPD der damalige Zeit vergleiche grundlegend Reinhard Kühnl: Die NPD.
Struktur, Ideologie und Funktion einer neofaschistischen Partei, Frankfurt a. M. 1966.
9 Vgl. hierzu Bösch: Integration und Isolierung, S. 957 ff.
10 Zitiert nach Reinhard Kühnl: Gefahr von rechts? Vergangenheit und Gegenwart
der extremen Rechten, Heilbronn 1990, S. 72.
11 Zitiert nach ebd.
12 Zitiert nach ebd.
13 Vgl. zu den unterschiedlichen Ausrichtungen dieser Parteien Reinhard Kühnl /
Gerd Wiegel u.a.: Die extreme Rechte in Europa. Zur neueren Entwicklung in Deutschland,
Österreich, Frankreich und Italien, Heilbronn 1998, S. 90 ff.; vgl. auch Herbert
Schui u.a.: Wollt ihr den totalen Markt? Der Neoliberalismus und die extreme Rechte,
München 1997.
14 Vgl. hierzu ausführlicher Kap. 2.
15 Vgl. zum Beispiel Bremen Christoph Butterwegge/Birgit Griese /Coerw Krüger /
Lüder Meier/Gunther Niermann: Rechtsextremisten in Parlamenten. Forschungsstand,
Fallstudien, Gegenstrategien, Opladen 1997.
16 Alle Belege der Zitate siehe ebd., S. 109.
17 Zitiert nach ebd., S. 215.
18 Ebd., S. 136.
19 Hans-Gerd Jaschke: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Begriffe,
Positionen, Praxisfelder, Opladen 1994, S. 96.
20 Vgl. Wolfgang Benz (Hg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Voraussetzungen,
Zusammenhänge, Wirkungen, Frankfurt a. M. 1989; Christoph Butterwegge:
Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt. Erklärungsmodelle in der Diskussion,
Darmstadt 1996; Willibald I. Holzer: Rechtsextremismus. Konturen, Definitionsmerkmale
und Erklärungsansätze, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes
(Hg.): Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus, Wien 1994.
21 Junge Freiheit, 18. 1. 2002 (Interview mit Norbert Geis).
22 Vgl. Frankfurter Rundschau, 25. 3. 02.
23 Alle Überschriften zitiert nach Kühnl: Gefahr von rechts?, S. 168.
24 Auch innerhalb der Sozialdemokratie finden sich im Laufe der neunziger Jahre
immer stärkere Anleihen beim Diskurs der extremen Rechten, und verbale Ausfälle
36
gegen Migrantinnen und Migranten. Da es hier jedoch um die Unionsparteien geht,
beschränkt sich die Darstellung auf diese.
25 Jaschke: Rechtsextremismus, S. 97.
26 Vgl. Der Spiegel, 2/2002, S. 28.
27 Alle Zitate aus taz, 26. / 27. 8. 2000.
28 Zitiert nach ebd.
29 Zitiert nach ebd.
30 Vgl. Junge Freiheit, 18.1. 2002.
31 Vgl. Frankfurter Rundschau, 11. 3. 2002.
32 Vgl. hierzu Gerd Wiegel: Die Zukunft der Vergangenheit. Konservativer
Geschichtsdiskurs und kulturelle Hegemonie, Köln 2001.
33 Zitiert nach Andreas Klärner: Aufstand des Ressentiments. Einwanderungsdiskurs,
völkischer Nationalismus und die Kampagne der CDU/CSU gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft, Köln 2000, S. 90.
34 Vgl. ebd.
35 Zitiert nach ebd., S. 99.
36 Zitiert nach ebd., S. 84.
37 Vgl. Frankfurter Rundschau, 2.10. 2001.
38 Vgl. Klärner, S. 84.
39 Zitiert nach ebd., S. 97.
40 Vgl. hierzu generell Dietrich Heither/Gerd Wiegel: Die Stolzdeutschen.
Von Mordspatrioten, Herrenreitern und ihrer Leitkultur, Köln 2001.
41 Vgl. Jörg Schönbohm: Unter dem Dach einer nationalen Kultur, in:
Die politische Meinung, Nr. 374 ( Januar 2001).
42 Ebd., S. 6.
43 Ebd.
44 Ebd.
45 Vgl. Junge Freiheit, 4.1. 2002.
46 Vgl. Gerd Wiegel: Verordneter Antifaschismus? Zur aktuellen Debatte um die
extreme Rechte, in: Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung, Nr. 44 (Dezember 2000).
47 Michael Mertes: Das pathologisch gute Gewissen. Der Kampf um kulturelle
Hegemonie zielt auf Erwerb und Sicherung von Macht, in: Die politische Meinung,
Nr. 374 ( Januar 2001), S. 35.
48 Vgl. Eckhard Jesse: Mit links gegen rechts? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
26.10. 2000. Der von Jesse vertretene Totalitarismus- und Extremismusansatz ist
strukturell unfähig, die entscheidenden Differenzen zwischen rechts und links wahrzunehmen,
da es hierbei um keine inhaltliche, sondern eine rein formale Analyse geht.
49 Roland Koch: Den Kampf gegen den Extremismus politisch führen, in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung, 26.10. 2000.
50 Wolfgang Schäuble: Und der Zukunft zugewandt, München 1995 (Taschenbuchausgabe),
S. 116.
51 Stoiber/Kabermann: Das Maß der Dinge, S. 149.
52 Vgl. zu diesen skandalträchtigen Äußerungen von Geis Süddeutsche Zeitung,
2. / 3. 2. 2002.
53 »Von Zuwanderung profitiert vor allem der Migrant, nicht der Staat.«
Was der Bielefelder Bevölkerungsforscher Herwig Brig im Auftrag des Landes Bayern
herausgefunden hat, in: Frankfurter Rundschau, 18.1. 2002.
37
54 Ebd.
55 Ebd.
56 Vgl. Josef Schmid: Die demografische Entwicklung in Deutschland – soziale Folgen
und politische Steuerung, in: Politische Studien, Heft 377 (Mai /Juni 2001).
57 Ebd.
58 Vgl. dazu ausführlich Wiegel: Zukunft.
59 Bayernkurier, 22. 2.1997; vgl. auch Wiegel: Zukunft, S. 193 ff.
60 Friedbert Pflüger: Deutschland driftet. Die Konservative Revolution entdeckt
ihre Kinder, Düsseldorf /Wien/New York/Moskau 1994.
61 Ebd., S. 177.
62 Beide Zitate ebd., S. 178.
63 Vgl. Frankfurter Rundschau, 21.1. 2002.
64 Joachim Raschke/Ralf Tils: Die CSU des Nordens. Was Roland Schill für den
Rechtspopulismus bedeutet, in: Frankfurter Rundschau, 5.1. 2002.
65 Junge Freiheit, 4.1. 2002.
66 Raschke /Tils in Frankfurter Rundschau, 5.1. 2002.
67 Vgl. zum Folgenden generell Gerd Wiegel: Völkischer Neoliberalismus.
Vom populistischen Spagat einer modernisierten Rechten, in: Heither /Wiegel:
Die Stolzdeutschen.
68 Richard Sennett: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus,
Berlin 1998.
69 Vgl. zu dieser nicht vollständigen Liste Martin Reisigl: »Dem Volk aufs Maul
schauen, nach dem Mund reden und Angst und Bange machen.« Von populistischen
Anrufungen, Anbiederungen und Agitationsweisen in der Sprache österreichischer
PolitikerInnen, in: Wolfgang Eismann (Hg.): Rechtspopulismus. Österreichische
Krankheit oder europäische Normalität?, Wien 2002, S. 166 ff.; vgl. auch Sebastian
Reinfeldt: Nicht-wir und Die-da. Studien zum rechten Populismus, Wien 1994.
70 Vgl. Raschke/Tils und Meinhard Meuche-Märker: Ein politisches Beben verändert
die Stadt – bald auch die Republik? Gedanken zum Aufstieg der Schill-Partei,
Hamburger Skripte 2, Hrsg. Rosa-Luxemburg-Bildungswerk e.V., o.J.
71 Der Spiegel, 3/2002, S. 31.
72 Ebd.
73 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. 2. 2002.
74 Albrecht von Lucke: Die neueste Mitte steht rechts, in: Blätter für deutsche
und internationale Politik, 2 /2002.
75 Ebd., S. 138 f.
76 Ebd., S. 139.
38
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Notizen Herausgeberin: PDS Bundestagsfraktion, Platz der Republik, 11011 Berlin

Kontakt: Telefon 030 / 22 75 56 75, Telefax 030 / 22 75 65 43 E-Mail: paetzolt@pds-im-bundestag.de www.pds-im-bundestag.de Autor: Dr. Gerd Wiegel, Universität Marburg Redaktion: Dr. Harald Pätzolt Redaktionsschluss: 27. März 2002 V. i.S.d.P.: Rolf Kutzmutz (MdB)

hagalil.com 10-11-2003

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