Tripolis Praga:
Die Prager Moderne um 1900
Unter diesem Titel wurde in Berlin eine
Ausstellung gezeigt, die den 3 Kulturen gewidmet ist, die Prag um 1900 zu
einem der wichtigsten Zentren der Moderne in Europa machten.
Konzipiert von Prof. Walter Schmitz vom
Mitteleuropa-Institut der TU Dresden wurden auf Schautafeln in deutscher und
in tschechischer Sprache die jeweiligen Entwicklungen bis zu den gemeinsamen
Schnitt- und Konfliktpunkten dargestellt.
Zur Sprache kamen nicht nur die üblichen Haseks,
Kafkas, Brods und Jesenskás, sondern auch Váchal, Gellner, Kubista, Weiss
oder Weiner.
Besonders herausgearbeitet wurde auch die
Zuspitzung des Nationalitätenkonflikts nach der missglückten Badeni-Reform,
die gegen österreichische Nationalisten das Tschechische als gleichwertige
Sprache neben dem Deutschen in den böhmische Ländern durchzuboxen versuchte.
Erfreulich ist, daß auch die Affäre um Leopold
Hilsner nebst Masaryks Engagement gebührend zur Sprache kam - Österreichs
Diplomaten, die sich in der Vergangenheit in Jerusalem und Prag in diesem
Zusammenhang ausgesprochen blamierten, sollten sich hier ein Beispiel
nehmen!
Die Ausstellung förderte die
deutsch-tschechischen Beziehungen sicherlich mehr als die abstoßende
Diskussion um ein sog. Zentrum gegen Vertreibungen. Auch wenn der Prager
Botschafter Lazar bei der Vernissage nicht den Anstand besaß, sich bei dem
Kurator zu bedanken. Das wurde dann sogleich von privater tschechischer
Seite nachgeholt.
pv
Die Ausstellung in Berlin wurde bereits geschlossen.
Der Katalog ist bereits erschienen:
"Tripolis Praga. Die Prager Moderne um 1900". Katalogbuch
Hg. von Walter Schmitz und Ludger Udolph. Dresden:
Thelem bei w.e.b.-Universitäts-Verlag, 2001.
(Mitteleuropa-Studien, Band 5). ISBN 3-933592-91-7
Das Katalogbuch zur Ausstellung führt in die
Dreivölkerstadt Prag um 1900 zurück. Es stellt die Nationalitätenkämpfe im
Aufbruch der Moderne bis zum Zeitbruch 1918 vor - die Kultur der Deutschen,
Tschechen und Juden in ihrem Mit- und Gegeneinander und in ihrem Bemühen um
Vermittlung und um eine neue Humanität.
"Die Prager Moderne", schreibt Václav Havel in seinem Grußwort zu
vorliegendem Band, "ist ein weiter Begriff, der viele Namen, Stile und
Formen zusammenfaßt. Eine farbenfrohe, mutige, tolerante und neuschaffende
Zeit. Gleichzeitig eine Zeit voll geheimnisvoller Winkel, voll Trauer,
Unverständnis und Entfremdung, laut die Erfahrung der scheinbar legitimen
Absurdität der Welt äußernd. Eine Zeit, die uns auf inhaltslose und
mechanisierte Kontexte aufmerksam macht und dadurch zu Bewegung auffordert,
zu intensiverem Erleben".
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Der dazugehörige Tagungsband erscheint Ende 2003:
Hg. von Walter Schmitz und Ludger Udolph
Mitteleuropa-Studien; 4. Thelem 2002. Kt.,
Eine Dreivölkerstadt ist Prag um 1900 wohl nicht gewesen. Der überwiegenden
Mehrheit der tschechischen Bevölkerung stand eine schmale, freilich im
Elitensektor überproportional vertretene deutschsprachige Bevölkerung
entgegen; und die jüdischen Bürger Prags hatten zwischen diesen beiden
ethnischen Zuordnungen zu optieren. So kam es zu vielfältigen Formen
kultureller Diversität und Mischung, die durchaus von Spannungen
gekennzeichnet waren. Den Zeitgenossen galt Prag als die Stadt des Streites.
Tatsächlich ist sie im Aufbruch der Moderne geradezu ein Modell für
Mitteleuropa, für jene "Konfliktgemeinschaft" (Kren), die sich im Prag der
Moderne nicht nur politisch, sondern auch kulturell inszenierte.
Neben aktuellen Studien werden in diesem Sammelband einige wichtige Studien
aus der tschechischen Forschung zum ersten Mal übersetzt vorgelegt. Der Band
enthält Beiträge von Hans-Peter Bayerdörfer, Hartmut Binder, Michael Braun,
Filip Charvát, Christiane Dätsch, Ingeborg Fiala-Fürst, Susanne Fritz, Katja
Froelich, Maurice Godé, Christine Ivanovic, Hanne Knickmann, Jörg Krappmann,
Kurt Krolop, Jürgen Lehmann, Birgit Lermen, Ernst Loewy, Kerstin Lücker,
Alexej Mikolásek, Heidemarie Oehm, Marta Ottlová, Jiøi Pesek, F. Salda,
Klaus Schenk, Walter Schmitz, Scott Spector, Burkhard Spinnen, Ludger
Udolph, Tomás Vlèek und Alexander Wöll.
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hagalil.com
19-11-2003 |