Degussa und das Mahnmal in Berlin:
Ich werde das Holocaust- Mahnmal nicht besuchen
Von Max Brym
Nachdem am 13. November 03 beschlossen wurde,
die Firma Degussa weiter am Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa
mitbauen zu lassen, ist es mir unmöglich in dem "Mahnmal" etwas Positives zu
sehen. Bekanntlich wurden Millionen Juden mit dem Gas Zyklon B ermordet. Die
Firma Degesch lieferte der SS das Gas und war mit der Degussa eng verbunden.
Jetzt soll die Firma Degussa das Anti-Graffiti Mittel für die 2700
Betonstelen und Betonverflüssiger für das Mahnmal in Berlin liefern. Diese
Firma überhaupt zur Ausschreibung zugelassen zu haben, zeugt von absoluter
Geschmacklosigkeit.
Wie weit das Geschichtsbewußtsein und die Moral
geht, belegt die Vergabe des Auftrages an Degussa unter rein
betriebswirtschaftlichen Aspekten. Die nazistische Mordfabrik Degussa an
einer Erinnerungsstätte für die von ihr gemordeten Menschen mitwerkeln zu
lassen, ist schlicht perfide. Der Großteil meiner Familie fiel der
nazistischen "Endlösung" zum Opfer. Die Entscheidung die Mörderfirma Degussa
für das "Mahnmal" in Berlin mit in das Boot zu nehmen, ist unannehmbar. Ich
werde das "Verhöhnungsmahnmal" nicht besuchen. Wenn ich es täte, würde ich
meinen durch Zyklon B ermordeten Verwandten im nachhinein ins Gesicht
spucken.
Eine ekelhafte Debatte
Nachdem bekannt wurde, dass Frau Lea Rosh und
Herr Brenner (Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Berlin) und andere
gegen die Beteiligung der Degussa am Mahnmal protestierten, entwickelte sich
eine verlogene und ekelhafte Debatte. Zuerst hieß es, "man dürfe die Gefühle
der Opfer nicht ignorieren", nur um es am Ende doch zu tun. Der Firma
Degussa wurde bescheinigt aus ihrer Geschichte gelernt und viel Geld für die
Entschädigung ihrer Opfer aufgewandt zu haben. Wieviel Geld das gewesen war,
wird der Öffentlichkeit verschwiegen. Bekannt ist, dass Degussa an dem Fonds
zwecks Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeitern beteiligt ist. Die
deutsche Industrie zahlt insgesamt die lächerliche Summe von 2,5 Milliarden
Euro. Einen Betrag der bei zwei Ehescheidungen im Großbürgertum erzielt
wird. Nebenbei gesagt, kann die Schuld des deutschen Kapitals an den
Verbrechen des Nazismus nicht mit irgendwelchen Zahlungen beglichen werden.
Bewußt ignorierte einst die Bundesrepublik die
Beschlüsse des "Alliierten Kontrollrates" die Kriegsverbrecherkonzerne
aufzulösen. Mit einer gewissen Berechtigung konnte deshalb Herr Thierse
darauf verweisen, "dass an dem Mahnmal in Berlin auch die Firma Bayer als
Nachfolgeunternehmen der offiziell aufgelösten IG Farben mitwirkt". Damit
hat Herr Thierse recht, er sagt damit, dass ein würdevolles Gedenken an die
Opfer in Berlin nicht möglich ist, solange deutsche Unternehmen beteiligt
werden. Ein würdevolles Gedenken ist in der Tat auch nicht gewollt. Nicht
umsonst applaudierte die gesamte bundesdeutsche Elite der Rede von Martin
Walser im Jahr 1998 in der Frankfurter Paulskirche. In dieser Rede wandte
sich Walser gegen das Mahnmal und sprach von der "Instrumentalisierung
unserer Schande". Im Jahr 1999 wurde nur deshalb für eine zentrale
Erinnerungsstätte mehrheitlich im Bundestag gestimmt, weil es sich schlecht
im Ausland gemacht hätte, dagegen zu sein.
Der Irrtum von Frau Rosh
Frau Rosh wollte eine zentrale Erinnerungsstätte
für die getöteten Juden in Berlin. Dieses Anliegen war völlig legitim. Aber
im gegebenen politischen und ökonomischen Rahmen ist das Stelenfeld zu
meiden. Die Firma Degussa verdiente an geraubten jüdischem Gold, an
Zwangsarbeit und Massenmord. Jetzt verdient die Firma an der "Erinnerung".
Darauf bestand die deutsche politische Kaste. Dieses Treiben ist böse und
desinteressiert. Es findet eine offene Verhöhnung der Opfer statt. Am
Gedenken an die Opfer des Faschismus ist in Deutschland nur eine kleine
Minderheit interessiert. Neben der Tatsache, dass bestimmte Heuchler sich
ein Gedenken an die Shoa nur mit Degussa Gewinnen vorstellen können,
entwickeln sie keine eigene Initiative um sämtlichen Opfern des Faschismus
zu gedenken. Es gibt kein Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma, keine
Erinnerung an Wehrmachtsdeserteure und kein Gedenken an deutsche Kommunisten
die von den Nazis umgebracht wurden.
Erinnerungskultur einzuklagen kann einem
momentan in Deutschland nur auf die Füße fallen. Dies nicht bedacht zu
haben, war der Irrtum von Frau Rosh. In Wahrheit wird die Erinnerung von
offizieller Seite ganz im Geist des gestörten Führers der "Deutschen
Arbeitsfront" Robert Ley betrieben. Jener regte in Nürnberg kurz bevor er
Selbstmord beging an, "einen Versöhnungsauschuß zwischen Naziführern und
Juden zu bilden". Angenommen Robert Ley hätte Nürnberg überlebt und als
gelernter Chemiker ein biblisches Alter erreicht. Aus dem zusammengeraubten
Vermögen hätte er ein solides Unternehmen namens Robert Ley GmbH gemacht.
Diese Firma hätte gute Chancen gehabt mit einem günstigen Angebot an den
Senat in Berlin für das Mahnmal herangezogen zu werden. Wenn jemand dagegen
protestiert hätte, wäre im widerlich wohlwollend der Opferstatus zugebilligt
worden, gleich darauf wäre er aufgefordert worden im Fall der Firma Ley
nicht so unversöhnlich zu sein. Letztendlich hätte sich wie bei Degussa, die
"deutsche Vernunft" und die betriebswirtschaftliche "Notwendigkeit"
durchgesetzt.
hagalil.com
17-11-2003 |