Hohmann-Affäre:
Struck entlässt KSK-Chef Günzel
Frontal 21 - Sendung am 4.11.2003, 21.00 Uhr im ZDF
Brigadegeneral lobt "ausgezeichnete Rede" Hohmanns
Der Chef der Bundeswehr-Spezialeinheit KSK, Reinhard
Günzel, ist wegen einer Solidaritätsadresse an den umstrittenen
CDU-Abgeordneten Martin Hohmann entlassen worden. Der Brigadegeneral hatte
sich in einem Brief an Hohmann für dessen "Mut zur Wahrheit" in der
umstrittenen Rede bedankt, in der der Abgeordnete die Juden als "Tätervolk"
bezeichnet hatte.
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sprach von einem
"einzelnen verwirrten General, der einem noch verwirrteren CDU-Abgeordneten
aufgesessen ist". Günzel habe mit seinen Äußerungen das Ansehen der
Bundesrepublik Deutschland und der Bundesregierung beschädigt, sagte Struck
am Dienstag in Berlin am Rande der SPD-Fraktionssitzung. Daher habe er ihn
mit sofortiger Wirkung von seinem Kommando entbunden und Bundespräsident
Johannes Rau die Versetzung Günzels in den vorzeitigen Ruhestand
vorgeschlagen.
Günzel lobt Mut zur Wahrheit
In dem Brief, den Hohmann nach ZDF-Angaben dem Magazin
"Frontal21" präsentierte, schrieb der Brigadegeneral: "Eine ausgezeichnete
Ansprache - wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf - wie man sie mit
diesem Mut zur Wahrheit und Klarheit in unserem Land nur noch sehr selten
hört."
Der Chef des in Calw stationierten Kommandos Spezialkräfte
(KSK) schrieb weiter, mit seinen Gedanken habe er "der Mehrheit unseres
Volkes eindeutig aus der Seele" gesprochen. Der 59-jährige Offizier, zu
dessen Hobbys laut "Handbuch der Bundeswehr" Geschichte gehört, forderte
Hohmann zum Durchhalten auf. Er solle "sich durch Anwürfe aus dem vorwiegend
linken Lager nicht beirren lassen und mutig weiterhin Kurs halten".
Kein Beispiel für die Union im Bundestag
Struck forderte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf, seinem
Beispiel zu folgen und Hohmann aus ihren Reihen auszuschließen. Günzel habe,
so Struck, offenbar nicht damit gerechnet, dass sein Brief von Hohmann
veröffentlicht würde. Der General sei sich der "Brisanz" seiner Aussage auch
nicht bewusst gewesen. Das entschuldige sein Verhalten aber nicht.
Die Unions-Fraktion sieht für ein verschärftes Vorgehen gegen Hohmann keine
Veranlassung. Fraktionsvize Bosbach sagte nach der Entlassunhg des Generals,
Hohmann stehe unter "politischer Bewährung ... die Distanzierung darf nicht
taktisch gemeint sein".
Zentralrat der Juden stellt Anzeige
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat nach eigenen
Angaben Strafanzeige gegen Martin Hohmann wegen Volksverhetzung gestellt.
Der Präsident des Zentralrats, Paul Spiegel, sagte am Dienstag im WDR, der
Zentralrat sei nach intensiver Prüfung zum Ergebnis gekommen, "dass wir
Strafanzeige stellen sollen, ja stellen müssen".
Spiegel kritisierte, dass die CDU den Abgeordneten nach dessen teilweiser
Entschuldigung in der Fraktion belassen hat. "Er ist der schlimmste Fall von
Antisemitismus, den ich in den letzten Jahrzehnten erlebt habe."
Druck auf Hohmann nimmt zu
Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Cornelie
Sonntag-Wolgast (SPD) forderte, Hohmann solle sein Mandat niederlegen.
"Rassistisch anmutende Geschichtsverfälschung" dürfe es im Parlament nicht
geben, erklärte sie und sprach von einem "unsäglichen" Vorgang. Die Grünen
forderten die CDU-Spitze auf, Hohmann aus der Fraktion auszuschließen.Die
Bundesgeschäftsführerin der Bündnisgrünen, Steffi Lemke, sprach von einem
"doppelten Skandal" für die Bundesrepublik. Wenn die Fraktionsvorsitzende
Angela Merkel (CDU) "jetzt nicht handelt, unterstützt sie Hohmanns
unerträgliche Hetze", betonte Lemke.
Hohmann: Es denken viele wie ich
Hohmann hatte bei seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit
am 3. Oktober in seinem Heimatort Neuhof bei Fulda gesagt, vor allem
jüdisch-stämmige Bolschewisten seien für die Verbrechen während der
kommunistischen Revolution in Russland verantwortlich. "Juden waren in
großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den
Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger
Berechtigung als Tätervolk bezeichnen."
Hohmann verteidigte seine Rede gegenüber dem ZDF-Magazin "Frontal21". In
einem Interview, das am Samstag in seinem Heimatort aufgezeichnet wurde,
sagte Hohmann gegenüber dem ZDF-Magazin: "Soweit die Rede Fakten enthält,
kann ich nichts davon zurücknehmen." Mittlerweile hat sich der
CDU-Abgeordnete entschuldigt und von seiner Rede distanziert. Auf die
Unterstützung für seine Position in der Fraktion angesprochen, sagte
Hohmann: "Ich glaube, es denkt ein recht großer Prozentsatz der Fraktion
ähnlich wie ich."
Mit Material von dpa, AP, ZDF
Anm.: Inzwischen wurde die Rede auf der Neuhofer CDU-Seite
entfernt.
Dokumentiert ist sie z.B. hier.
hagalil.com
04-11-2003 |