Mahnmal, Stelen, Lack:
Wir brauchen das Mahnmal
Von Philipp Gessler
Es ist schon ziemlich absurd: Die meisten Juden,
die sich öffentlich äußern, haben nichts dagegen, dass die Stelen
des geplanten Holocaust-Mahnmals mit Degussa-Lack beschichtet werden
- wenn sie sich nicht überhaupt gegen das Denkmal an sich
aussprechen.
Dagegen halten Nichtjuden wie Lea Rosh oder
Bausenator Peter Strieder die Entscheidung für das
Beschichtungsmittel einer Firma, deren Tochter früher Zyklon B
herstellte, für unerträglich. Oder spielt diese Unterscheidung in
Juden und Nichtjuden gar keine Rolle mehr? Sollte sie es nicht?
Doch, sie spielt eine Rolle, auch wenn sie es
vielleicht nicht mehr sollte. Das Denkmal ist eine Erinnerungsgeste
der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft - und der kluge Ignatz
Bubis seligen Angedenkens hat das sehr früh betont. Die Juden in
Deutschland brauchen dieses Denkmal nicht, um ihre Trauer zu
symbolisieren, wie viele von ihnen immer wieder hervorgehoben haben.
Die Nichtjuden brauchen das Mahnmal. Vielleicht sind sie deshalb
auch weniger pragmatisch in der Lackfrage. Dies mit einem
polemischen Unterton als bloße Political Correctness abzutun, wie es
der (jüdische) Architekt Peter Eisenman tut, ist zu billig.
Etwas pathetisch ausgedrückt: Die Volksvertretung hat
mehrheitlich beschlossen, das Denkmal zu bauen, und so sollte diesem
Willen des Volkes Genüge getan werden. Vielleicht wird man in 20
oder 50 Jahren erkennen, dass das Mahnmal nicht funktioniert - aber
selbst dann wird es zumindest ein interessantes Zeichen sein für die
Wege, die man um die Jahrtausendwende ausprobierte, um sich der
monströsen deutschen Tat des Massenmords bewusst zu werden und zu
bleiben.
Und in einem hat das Mahnmal, wie schon des Öfteren,
auch bei dieser neuesten Debatte wieder funktioniert: Es bleibt ein
Stachel im Fleisch, es provoziert nötige Diskussionen. Vor allem
deshalb brauchen wir, Juden wie Nichtjuden, das Mahnmal.
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haGalil onLine 30-10-2003
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