antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Das neue Wahlrecht:
Welche Siegeschancen hat Le Pen?

Von Bernard Schmid

Le Pen baut erklärtermaßen darauf, dass das neue Wahlrecht nicht so sehr - wie durch die Regierung erwartet - den großen Parteien, sondern vor allem auch dem Front National zugute komme. Wie sieht es damit wirklich aus?

Es ist prinzipiell möglich, dass das Wahlrecht den Front National tatsächlich begünstigt, falls er ein hohes Ergebnis erhält. Erst im März und April dieses Jahres hatte die konservative Parlamentsmehrheit in Paris am Wahlrecht für die Regional- wie auch die Europaparlamentswahlen, die beide im nächsten Jahr stattfinden, herum gedoktort. Um dem eigenen politischen Lager ­ vermeintlich ­ einige wackelnde Mehrheiten zu sichern, wurden etwa für die Regionalwahlen Bestimmungen angekündigt, welche vor allem die stärkste Liste begünstigen.

Erstens wird für die Regionalparlamentswahlen (die alle sechs Jahre stattfanden, in allen 22 französischen Regionen am gleichen Datum) eine zweite Runde eingeführt. Diese fanden bisher in einem Wahlgang statt, anders als die Präsidentschafts- und nationalen Parlamentswahlen. Dabei wurden die Sitze nach dem Mehrheitswahlrecht verteilt, d.h. anteilsmäßig auf alle Listen, die mindestens 5 Prozent der Stimmen bekommen haben. Dies war für zahlreiche kleinere und mittlere Parteien günstiger als das (bei nationalen Parlamentswahlen geltende) Mehrheitswahlrecht und ermöglichte ihnen, mit Abgeordneten in den Regionalparlamenten vertreten zu sein. So sitzen bspw. seit der letzten Regionalparlamentswahl vom 15. März 1998 auch rund 20 Vertreter(innen) der radikalen Linken, besonders der beiden trotzkistischen Parteien, in mehreren Regionalräten.

Ab der nächsten Regionalparlamentswahl, die am 21. März 2004 stattfinden wird, gilt ein anderes Verfahren. Demnach werden zwei Wahlgänge abgehalten, wobei nur ein Teil jener Listen, die im ersten Durchgang antreten, auch in der Stichwahl präsent sein können. Die Bedingungen, die definieren, welche Listen den ersten Wahlgang "überleben" können, dürften den Front National tendenziell besonders begünstigen (siehe unten).

Dabei werden - zweite größere Neuerung - künftig diejenigen Listen, die als stärkste Kraft aus dem zweiten Wahlgang hervorgehen, deutlich begünstigt. So werden künftig derjenigen Liste (von zweien oder auch mehreren), die das höchste Einzelergebnis erhält, vorab 25 Prozent der Sitze zugeteilt - bevor die übrigen Mandate dem prozentualen Anteil der Parteien entsprechend verteilt werden. Das könnte unter Umständen in manchen Regionen wirklich den FN begünstigen, wie dessen Chef öffentlich kalkuliert.

Die Neuregelungen im Detail - und warum sie den FN begünstigen

Ursprünglich hatte die neokonservative Raffarin-Regierung das Wahlrecht so ändern wollen, dass nur die beiden Listen, die in der ersten Runde am besten abschnitten, überhaupt in die Stichwahlen gehen sollten. Das sollte vor allem den bürgerlichen Block sowie die Sozialdemokratie begünstigen, hätte jedoch auch vielerorts zu einer Wiederholung der Konstellation des 21. April 2002 sorgen können, als der erste Durchgang der Präsidentschaftswahl Le Pen als einzigen Herausforderer neben dem Amtsinhaber Jacques Chirac übrig ließ. Denn bei der Präsidentschaftswahl gelten genau diese Bestimmungen, d.h. es bleiben nur die beiden bestplatzierten Kandidaten nach der ersten Runden übrig. So konnte Le Pen allein, neben Chirac, in die Stichwahl gelangen.

Bei den Regionalparlamentswahlen hätte sich diese Konstellation an einigen Orten wiederholen können, denn der Kandidat Le Pen hatte am 21. April 2002 immerhin in 7 von insgesamt 22 Regionen das höchste Einzelergebnis erhalten (was aber, aus mehreren Gründen, nicht direkt auf die Regionalwahlen übertragbar sein dürfte). Zugleich aber handelt es sich bei diesem Szenario um dasjenige, in welchem der FN wohl die geringste Chance hätte, wirklich den Sieg davon zu tragen. Weil er dann in einem "Einer-gegen-alle"-Turnier eine sehr breite Koalition von GegnerInnen auf den Plan ruft - die alle das Kreuz auf dem Stimmzettel an der selben Stelle machen, da nur noch eine Gegenoption zum FN übrig bleibt.

Der Conseil d'Etat, das oberste Verwaltungsgericht, hat jedoch Premier- und Innenminister im Frühjahr 2003 an den Ohren gezogen und befunden, dass diese Wahlrechts-Änderung - die nach dem ersten zweiten Wahlgang nur noch zwei politische Blöcke übrig lässt - undemokratisch sei und das (heterogene) französische politische Spektrum zu sehr einenge. Das trifft auch zu, da es etwa für die Grünen und die radikale Linke (Trotzkisten) die Unmöglichkeit bedeutet hätte, auch nur die geringste Chance auf Präsenz im zweiten Wahlgang oder aber auf Einflussnahme (bei Rückzug ihrer Listen gegen politische Zugeständnisse seitens der größeren Linksparteien) zu haben. Auch die christdemokratisch-liberale UDF, die wahrscheinlich eigenständige Listen neben der großen bürgerlichen Kraft - der Regierungspartei UMP - aufstellen wird, wäre dadurch sofort zwischen den großen Blöcken zerrieben worden. Durch die obersten Richter zum Nachbessern an ihrem Entwurf gezwungen, verabschiedete die Regierung dann im April 03 eine anderen Neuregelung.

Künftig muss eine Liste 10 Prozent (statt bisher 5 Prozent) der Stimmen im ersten Durchgang erhalten, um im zweiten Wahlgang noch präsent sein zu können. Und sie muss mindestens 5 Prozent (statt bisher 3 Prozent) erhalten haben, um künftig einer anderen Liste anbieten zu können, zu deren Wahl im zweiten Durchgang aufzurufen, wenn sie ein paar KandidatInnen der schwächeren Kraft auf ihre eigenen Listen übernimmt. Dieses neue "Fallbeil" (couperet) im ersten Wahlgang dürfte jedoch eine perverse Wirkung nach sich ziehen: Die neue Regel sorgt tendenziell für den Ausschluss aller anderen kleineren und mittleren Parteien (KP, Grüne, Trotzkisten, vielleicht auch der UDF) - aber sie behindert nicht oder kaum den Front National.

Denn die erstgenannten kleineren Parteien werden künftig (von regionalen Sondersituationen abgesehen) kaum Chancen haben, im zweiten Wahlgang präsent zu sein oder ihren Rückzug - etwa auf der Linken zugunsten der Sozialdemokratie - ernsthaft zu verhandeln. Hingegen beeinträchtigt die neue 10-Prozent-Regel die extreme Rechte so gut wie überhaupt nicht. Dazu zwei Zahlen: Bei der Präsidentschaftswahl 2002 lag Le Pen in ausnahmslos allen Regionen über der Zehn-Prozent-Marke. Und bei der letzten Regionalparlamentswahl im März 1998 überschritt der FN in 16 von 22 Regionen die Zehn-Prozent-Marke, in drei weiteren lag er nur knapp unter den 10 Prozent, mit Ergebnissen zwischen 8,8 und 9,9 Przoent. (Siehe Überblick in "Le Monde" vom 18.10.2003)

Doch dem FN werden derzeit überall höhere Ergebnisse als bei den letzten Regionalwahlen vor sechs Jahren vorhergesagt. Bei einer Befragung von Politologen und Wahlforschern durch die Nachrichtenagentur AFP Anfang Oktober antwortete die führende FN-Kennerin Nonna Meyer, sie rechne damit, dass die rechtsextreme Partei "leicht" ein nationales Durchschnittsergebnis von 17 Prozent einfahre (gegenüber 15 Prozent bei den Regionalparlamentswahlen 1998). Die Konjunktur ist günstig, da die regierenden bürgerliche Rechte Abnutzungserscheinungen zeigt, aber zugleich eine halbwegs erkennbare Alternative seitens der großen Linksparteien ausbleibt. Damit hat der FN beste Chancen, in 19 von 22 Regionen in die Stichwahl zu gelangen.

Dabei wird sich aber ein perverser Nebeneffekt bemerkbar machen: Dank des neuen Wahlrechts werden in der Regel wahrscheinlich nicht zwei, sondern drei Listen (in manchen Fällen auch vier, da in manchen Regionen auch mit der radikalen Linken gerechnet wird, die aber in Wirklichkeit eher geringe Aussichten auf Überschreiten der 10 Prozent hat) die Vorraussetzungen erfüllen, um im zweiten Wahlgang präsent zu sein. Wenn beispielsweise drei Listen die Zehn-Prozent-Hürde schaffen, dann dürfte der FN in der Regel einem Mitte-Links- und einem Mitte-Rechts-Block gegenüber stehen. Das aber erhöht seine Siegeschancen deutlich gegenüber einer Konstellation, in der nur zwei Listen präsent sind, da es die Stimmen der FN-GegnerInnen auf zwei Blöcke verteilt.

Dies könnte dann ausgeschlossen werden, wenn die Sozialdemokratie plus Anhang (KP, Grüne, Š) einerseits und die Konservativ-Liberalen andererseits sich darauf einigen können, dass eine ihrer beiden Listen sich zurückzieht. Das aber ist in den meisten Fällen höchst unwahrscheinlich, aus einer Reihe von Gründen. Erstens sind Vertreter beider großen politischen Lager der Ansicht, es sei für die politische Debatte und "Kultur" nicht gut, wenn beide großen Blöcke zu nahe im Konsens zusammenrücken ; tatsächlich könnte dies den FN noch verstärken, da er dann als "einzige Alternative gegenüber einem Kartell von Komplizen" da stünde.

Schwerer aber wiegt der zweite Grund: Er besteht darin, dass jene politische Kraft, die einen Rückzieher macht, künftig höchstens mit einigen wenigen Abgeordneten im Regionalparlament vertreten sein werden. Nämlich mit denen, welche die noch verbleibende Liste auf den eigenen Wahlzettel aufnimmt, falls es überhaupt zu einem solchen Abkommen zwischen den beiden Listen (des Mitte-Links- sowie des Mitte-Rechts-Blocks) kommt. Denn, drittens, das ist sogar sehr unwahrscheinlich. Die juristischen Regeln des neuen Wahlrechts werden das nämlich in den meisten Fällen verhindern: Falls es zu einer "Fusion" zwischen zwei Listen kommt, wenn also die schwächere von beiden Listen sich zurückzieht und im Gegenzug die stärkere Liste einige Kandidaten der anderen aufnimmt, dann müssen beide Listen auch gemeinsam ihre Wahlkampfkosten abrechnen. Diese Kosten aber sind nach dem französischen Wahlrecht durch eine gesetzliche Obergrenze limitiert. Wenn nun aber beide Listen, bevor die eine ihren Rückzug erklärt, ihr gesetzlich zulässiges Wahlkampfkosten-Budget bereits zum Großteil ausgeschöpft haben, dann kommt ein Zusammenschluss beider Listen gar nicht mehr in Frage. Denn das würde bedeuten, dass die solcherart "verdoppelte" Liste sofort weit oberhalb des zulässigen Höchstwerts an Wahlkampf-Ausgaben liegen würde. Damit aber würde die Wahl ihrer Abgeordneten, nach geltendem französischem Wahlrecht, für ungültig erklärt, womit der gesamte Wahlgang wiederholt werden müsste.

Aus diesem Grund hält "Le Figaro" (20. Oktober 03) Abkommen zwischen dem Mitte-Links- und dem Mitte-Rechts-Block über den jeweiligen Rückzug ihrer Listen, wo es gilt, den Front National zu blockieren, für äußerst unwahrscheinlich. Eine solche Einigung würde schlicht bedeuten, dass diejenige politische Kraft, die ihren Rückzug akzeptiert, die Aussicht auf sechsjährige völlige Abwesenheit aus dem Regionalparlament hinnimmt.

Und besonders in der Region PACA, wo die (partei)politischen Kämpfe mit sehr harten Bandagen ausgetragen werden, gilt ein solches Abkommen zur Selbstverpflichtung auf Rückzug als quasi unmöglich. Erstens aufgrund der erbitterten Gegnerschaft zwischen Bürgerlichen und Sozialisten und erheblicher (teilweise mafiösen) Eigeninteressen von Lokalpolitikern und Parteiapparaten. Und zweitens, weil gerade in PACA, angesichts der Präsenz der "Wahlkampfmaschine Le Pen", besonders hohe Ausgaben im Wahlkampf zu erwarten sind. Wird Le Pen also dabei der lachende Dritte sein? Das wird man sehen müssen.

hagalil.com 27-10-2003

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved