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Die neue Offenheit:
Judenhass in Frankreich

Von Arvid Vormann

Seit Herbst 2000, dem Beginn der zweiten Intifada, hat der immer latent vorhanden gewesene Antisemitismus in Frankreich deutlich an Umfang, Schärfe und Offenheit gewonnen. Er geht weniger als einst von der Extremen Rechten aus, sondern trägt nunmehr eine arabisch-muslimische Handschrift. In Frankreichs großer muslimischer Minderheit sind die entsprechenden klassischen Projektionen weit verbreitet und werden unter Jugendlichen begeistert mitgeteilt und ausgemalt.

Hintergrund dieser Welle scheint, wie angedeutet, in erster Linie der Nahostkonflikt zu sein. Die oft unterprivilegierten Schichten angehörenden Muslime erkennen sich und ihre Lage in den "unterdrückten" Glaubensbrüdern wieder und interpretieren den Konflikt als jüdische Verschwörung gegen die Muslime.

Dieser Weltsicht wurde in den letzten drei Jahren mit unzähligen Anschlägen auf Synagogen und jüdische Einrichtungen sowie tätlichen Angriffen gegen Juden Nachdruck verliehen. Täter: meist arabische Jugendliche. Weit mehr als die Hälfte aller rassistischen Straftaten waren im letzten Jahr antisemitisch motiviert. Umgekehrt die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit: nur etwa 5% vermuten, dass Juden das Hauptziel von Übergriffen darstellen könnten. Die Mehrheit sieht die Muslime bzw. Araber als besonders gefährdete Gruppe an.

An Schulen mit hohem muslimischem Anteil herrscht für jüdische Schüler vielerorts der tägliche Ausnahmezustand. Sie weichen, wenn möglich, auf jüdische Schulen aus. Auch an manchen Universitäten ist die Lage kritisch; dort bekommen antisemitisch motivierte Muslime und ihre Verbände Unterstützung von "Linken" bzw. Globalisierungsgegnern. Palästinasolidarität gehört in der französischen Linken von den Grünen bis zu Anarchos und Trotzkisten nahezu zum common sense.

Vor diesem Hintergrund wagte Tariq Ramadan, bekannter Schweizer Autor, Islamwissenschaftler und "geistiger Führer der frankophonen Muslimbruderschaft" (so der Schriftsteller Adler in einer Replik), Anfang Oktober mit einem antisemitischen Hetzartikel einen neuen Vorstoß. Einleitend beklagt sich Ramadan, dass die Zeitungen "Le Monde" und "Liberation" seinen Artikel trotz mehrfacher Aufforderung partout nicht drucken wollten. So konnte er nur im Internet publizieren; auf der Seite des neugegründeten muslimischen Dachverbands CFCM (Conseil francais du Culte muselman). Dann kommt er allerdings schnell auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen: eine Gruppe jüdischer Intellektueller dominiere mit der Medienmacht im Rücken die öffentliche Meinung. Diese prominenten Juden nutzten ihre Position, um bei jeder Gelegenheit als treue Vertreter israelischer Interessen zu sprechen (vermutlich auch, um redlichen, der Aufklärung verpflichteten Zeitgenossen wie Ramadan den Maulkorb umzuhängen).

Die jüngsten Werke des Historikers und Rassismustheoretikers Taguieff ("La nouvelle judéophobie") und des Philosophen Finkielkraut ("Au nom de l’Autre – reflections sur l’antisémitisme qui vient") findet Ramadan zum Beispiel sehr entlarvend. Sie gründeten nicht mehr auf der "europäischen Tradition der universellen Werte", sondern verklärten die Juden, auch in Gestalt des Staates Israel, zur allseits bedrohten Gemeinschaft, während sie die Araber und den muslimischen Glauben zum neuen Feind erhöben. Und wer es wage, sich gegen solcherlei Verdrehung der Wahrheit zu wenden, werde im Nu wiederum des Antisemitismus bezichtigt.

Dass im Eifer des Gefechts schon mal ein Nichtjude (in diesem Fall Taguieff) kurzerhand zum Juden wird, ist ein in diesem Genre durchaus geläufiges Phänomen.

Im Stile der Aufdeckung eines gar zu hinterlistigen Komplotts stellt Ramadan im Folgenden die pro-amerikanische Haltung Kouchners, Glucksmans und Lévys im Irak-Krieg dar, welche sich zu anderen Anlässen schließlich gegen Amerika positioniert hätten. "Merkwürdigerweise" hätten sie diese mutige Position just in einem Moment aufgegeben, in dem die Interessen Israels berührt gewesen seien. Die Kollaboration der jüdischen Elite mit dem Grundübel dieser Welt, dem Zionismus, kennt in seinen Augen kaum Grenzen. Denjenigen, die es noch nicht verstanden haben, erklärt er noch einmal anhand des Architekten des amerikanischen Irak-Feldzugs, des "notorischen Zionisten" Paul Wolfowitz, wer tatsächlich die weltgeschichtlichen Fäden in der Hand hält.

Leicht ist man geneigt, auf solch wirres Gerede nicht viel zu geben. Aber Ramadan ist keine unbedeutende Persönlichkeit. Er wird über den Dunstkreis des politischen Islam hinaus insbesondere auch in der Antiglobalisierungsbewegung rezipiert. Sein Machwerk kursierte unter den Vorbereitungsgruppen für das im November in Paris stattfindende Europäische Sozialforum.

Daher bezogen u.a. die Genannten Bernard-Henri Lévy und Alexandre Adler in der Presse Position. Lévy versuchte geradezu verzweifelt, auch über gewisse Meinungsunterschiede hinweg den Globalisierungsgegnern einen Grundkonsens, eine letzte Schranke abzuringen: die schnelle und klare Distanzierung vom Antisemitismus und von Monsieur Ramadan. Adler schrieb dagegen einen Offenen Brief voll beißender Polemik. Man solle Ramadan nicht des Antisemitismus zeihen, denn die Seinigen in Ägypten (Muslimbruderschaft) hätten doch die koptischen Christen noch wesentlich härter verfolgt als die Juden. Auch sei der Hass auf liberale Muslime, oder "Heiden" nach Ramadans Sprachgebrauch, vergleichsweise viel größer als der, der dem Juden Adler entgegenschlage.

Ein Themenabend auf ARTE widmete sich jüngst dem arabischen Antisemitismus in Frankreich. In der anschließenden Talkshow war erneut zu beobachten, dass das antisemitische Ressentiment sich mittlerweile offen und ungeniert Bahn bricht. Der Moderator Leconte konfrontierte den anwesenden Sprecher der der Muslimbruderschaft nahestehenden UOIF (Union des Organisations islamiques de France), Farid Abdelkrim, mit einer im Radio gesendeten, eindeutig antisemitischen Äußerung, die sich gegen jüdische Intellektuelle richtete. Dort hieß es unter anderem, diese sähen alle gleich aus, schauten nicht in die Kamera, hätten alle denselben hasserfüllten Gesichtsausdruck. Abdelkrim mochte sich auch auf mehrfache Nachfrage des Moderators hin ("Also bitte, von so etwas muss man sich distanzieren!") nicht von dieser Aussage distanzieren. Gekommen sei er, um kontrovers zu diskutieren und verschiedene Standpunkte auszutauschen. Er lasse sich nicht in die Ecke drängen und müsse sich zu gar nichts verhalten. Schließlich resignierte der Moderator.

Auf entschiedenen Widerspruch bei den anderen Diskussionsteilnehmern stieß bereits zuvor Abdelkrims Einschätzung der verbalradikalen bis gewalttätigen Ausbrüche arabischer Jugendlicher. Sie seien nur Kinder, oft in schlecht gebildetem Umfeld aufgewachsen, und wüssten noch gar nicht, was sie da nachplapperten. Man dürfe sie nicht als Antisemiten verurteilen; das sei doch ein viel zu großes Wort. Entgegnet wurde ihm, dass man diese Argumentation zwar kenne, sich nichtsdestotrotz dagegen verwahre, junge Täter zu Opfern ihrer Umstände zu erklären. Spätestens bei Gewalt und Attacken gegen Andere habe das bloße Verständnis ein Ende. Hier helfe nur noch die klare Benennung und Bekämpfung des menschenverachtenden Gedankenguts.

Eine derart klare Grenzziehung und Konfrontationsstellung an wesentlichen Punkten der Diskussion, zwar auch in Frankreich nicht an der Tagesordnung, hebt sich dennoch wohltuend ab vom gängigen deutschen Diskurs, der von Einebnung und Konfliktvermeidung bis hin zu stillem Einverständnis geprägt ist.

hagalil.com 22-10-2003

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